Solarwinds MSP will mit seiner »Solarwinds Backup«-Software durchstarten. Sie basiert auf Cloud-Services, die keine lokalen Speicher-Ressourcen zur Datensicherung benötigen und sieht sich als Alternative zu herkömmlichen Ansätzen. Im Gegenteil: Das Motto lautet, »Cloud First«. 50-fach niedrigere Änderungsraten sollen durch eine alternative Technologie die Sicherung in die Wolke schneller und effektiver machen. Wir sprachen mit Jan Gerzinus Jongsma, Director Sales Engineering bei Solarwinds MSP, über die Cloud-First-Strategie des Herstellers und Entwicklung im MSP-Markt.
Einer Solarwinds-Umfrage zufolge hat die Corona-Krise Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb von MSPs und künftige Marktchancen?
Jan Gerzinus Jongsma, Solarwinds MSP Jongsma: Die überwiegende Mehrheit der befragten Betriebe konnte ihr Personal in der Krise halten. Das ist ein ermutigendes Signal, schließlich haben MSPs für andere Unternehmen in puncto digitale Transformation eine wichtige Unterstützungsfunktion. Die Tech-Branche und der MSP-Vertriebskanal haben viel Widerstandskraft und Potenzial. Covid-19 hat den Wert, den MSPs für Unternehmen haben, noch einmal unterstrichen. MSPs stocken die Leistung unternehmensinterner IT-Teams auf. Diese kümmern sich meist hauptsächlich um Risikominderung und Business Continuity. Viele Betriebe wären ohne MSPs in einer schwierigen Lage gewesen und hätten nie so schnell auf Homeoffice-Betrieb umstellen können. Das fachliche Know-how und Können von MSPs war in diesen Krisenzeiten ganz entscheidend. Man kann sagen, MSPs sind systemrelevant.
Solarwinds MSP unterscheidet sich aber vom Geschäftsmodell. Anwender-Unternehmen sind eigentlich nicht Ihre Kunden.
Jongsma: Datensicherung ist eine der Kernaufgaben einer Unternehmens-IT. Zudem sollte sie sich aber ebenfalls um strategische Themen kümmern. Die Freiräume, die sie dazu benötigt, schaffen Managed-Service-Provider mit unseren Tools. Eines davon ist Backup.
Die Angebote unserer MSP-Kunden sehen allerdings recht unterschiedlich aus, je nachdem, welche Dienstleistungen sie in ihre Pakete integrieren, ob etwa automatisierte Backup- und Restore-Tests dabei sind oder die Bereinigung personenbezogener Daten in älteren Sicherungsdateien. Viele MSPs bieten Solarwinds Backup auch unter ihrem eigenen Brand an. Einer verkauft seinen Kunden sogar eine Backup-Flatrate.
Das heißt, Sie sehen sich mit Solarwinds MSP gut aufgestellt?
Jongsma: SolarWinds MSP konzentriert sich darauf, eine breite Palette an Werkzeugen bereitzustellen, die MSPs dabei helfen sollen, ihre Geschäfte effektiv zu führen und im Gegenzug ihre Endkunden effektiv zu bedienen. Solarwinds Backup ist eines dieser Werkzeuge, aber wir liefern auch vollständige Fernüberwachung und -verwaltung sowie eine Vielzahl anderer Sicherheitslösungen. Wir sind bestrebt, über eine integrierte Plattform Flexibilität und Skalierbarkeit zu bieten.
Solarwinds Backup läuft auf herkömmlichen Maschinen und liefert Backup-to-Storage über IP. Kunden können dazu ihre eigenen Systeme verwenden, allerdings nutzen 95 Prozent unsere Cloud-Speicher. Dafür unterhalten wir unsere eigenen Storage- und Sever-Kapazitäten in Rechenzentren überall auf der Welt. Der Kunde hat dabei die Wahl, an welcher Lokation seine Daten liegen.
Was unterscheidet Solarwinds von klassischen Backup-Technologien?
Solarwinds Backup ist Cloud-nativ und unterscheidet sich von den klassischen Technologien. Wie genau eigentlich?
Jongsma: Wenn wir über Datensicherung nachdenken, stellen wir die Anforderungen des Endkunden in den Mittelpunkt. Die Frage ist: Welches Service-Level ist sinnvoll, um die Arbeit des Anwenders optimal zu schützen, denn das soll Backup am Ende leisten.
Es ist ein einfaches Rechenbeispiel: 50 Mitarbeiter eines Unternehmens arbeiten an einem Projekt. Läuft die Datensicherung einmal die Woche, verliert das Unternehmen bei einem Vorfall im schlimmsten Fall 250 Manntage Arbeit (50×5 Werktage) plus die Zeit, die es dauert, bis das Backup zurückgespielt ist.
Für ein Unternehmen ist das teuer, für die Mitarbeiter frustrierend. Läuft die Datensicherung täglich gehen »nur« 50 Manntage Arbeit verloren. Sichert das System die Daten stündlich und geht der Restore sehr schnell, ist ein Ausfall ärgerlich, aber kein Drama.
Ein stündliches Backup klingt sinnvoll, aber ist das angesichts immer größerer Datenmengen als Cloud-Backup ohne eigene Infrastruktur vor Ort überhaupt realistisch machbar und nicht viel zu teuer?
Jongsma: Genau das war unsere Aufgabenstellung. Backup muss zuverlässig funktionieren, aber für die Kunden berechenbar und erschwinglich sein. Und natürlich gilt unsere wichtigste Prämisse: »Nur ein Cloud-Backup ist ein gutes Backup«.
Unsere Lösung ist es, durch intelligente Verfahren nur die Daten zu sichern, die wirklich relevant sind. Das funktioniert nur, wenn man das Backup direkt auf der jeweiligen Maschine erstellt und eben nicht von außen. Die klassische Vorgehensweise speichert einen Snapshot und beginnt dann, die Daten mit Kompression und Deduplizierung zu reduzieren. Wir sagen: Mit dem Snapshot ist das Problem schon in der Welt. Deduplizierung, egal wie gut, hat dann nur noch kosmetische Effekte.
Wir sichern nur die echten Veränderungen, und zwar direkt von der Maschine. Alle Overheads und Umorganisationen, etwa durch das Betriebssystem, filtern wir von vorne herein aus. Damit reduzieren sich die Backup-Daten um den Faktor 30 bis 50. Die Backup-Daten belegen im Rechenzentrum damit nicht mehr Speicherplatz als auf der gesicherten Maschine.
Das klingt zwar plausibel, aber wo genau liegen die Vorteile?
Jongsma: Es gibt drei Vorteile. Tatsächlich sind die Datenmengen so klein, dass sie auch über eine nicht ganz so schnelle Datenleitung bequem übertragbar sind. Und sie belegen überschaubaren Platz im Rechenzentrum.
Vorteil Nummer 2: Viele Kunden haben das Problem, dass sie nie genau wissen, wie hoch ihre Backup-Rechnung bei ihrem Service-Provider ausfällt, weil nicht klar ist, wie viel Platz ihre Daten im Rechenzentrum belegen. Das kann mit Solarwinds Backup nicht passieren. Die Unternehmen benötigen drittens keine eigene Backup-Infrastruktur, deren Anschaffung und Betrieb teuer ist. Und das ist am Ende entscheidend.
Lokales Backup vs. Cloud-Backup
Wie lassen sich die Kunden überzeugen, ihre Backup-Infrastruktur komplett zu verändern?
Jongsma: Die Kunden können, wenn sie es wünschen, über unsere Software auch eine lokale Sicherung parallel nutzen. Andere Anbieter sagen »local first«, bei uns ist es umgekehrt: »Cloud First«.
Wir bieten dafür die Flexibilität einer Cloud-Lösung, nicht nur technologisch, sondern auch Lizensierungen mit monatlicher Kündigung. Dies hilft, maximalen Investitionsschutz zu versichern, was gerade in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage sehr wichtig ist. Funktioniert unsere Software nicht wie erhofft, sind wir den Kunden sehr schnell los.
Sie sagen, Cloud gewinnt an Akzeptanz, aber nutzen tatsächlich auch Großunternehmen Solarwinds Backup?
Jongsma: Unser größter Kunde ist ein internationales Hosting-Unternehmen. In Deutschland nutzen viele kleine und mittlere MSPs und deren mittelständische Unternehmen unsere Lösung.
Zugang finden wir, unter anderem, durch existierende Solarwinds-Geschäfte aus Bereichen wie den Infrastrukturlösungen und erhalten viel positives Feedback. Gleichzeitig setzen in Deutschland noch viele auf Tape oder lokales Backup, da sie denken, sie bräuchten riesige Maschinen und Bandbreiten für ein Cloud-Backup. Das stimmt – egal wo – so nicht, zumindest mit unserer Lösung.
Wie sieht es mit den Kosten aus?
Jongsma: Der Preis skaliert vor allem über Volume, also die Anzahl der Backup-Server, und in Teilen über die Laufzeit. Mit jedem Server kommen 500 GByte, mit jeder Workstation 100 GByte inklusive.
Dies ist natürlich ausbaubar. Letztlich hängen die Endkunden-Preise stark von unseren MSP-Partnern und ihren Margen ab.
Gibt es Neuigkeiten auf der Produktseite?
Jongsma: Hier ist unsere MS 365 Cloud Backup-Lösung zu nennen, unter anderem für Exchange, SharePoint und OneDrive. Wir können Backups aus den Microsoft-Rechenzentren auf unseren Storage migrieren, um schnelle Restores über eine Management-Oberfläche zu fahren.
Ein neues Feature ist das automatisierte Recovery-Testing an einer dritten Lokation. Je nach Kundenwunsch führen wir alle zwei oder vier Wochen einen kompletten Restore von Maschinen in unserer Umgebung durch, die als virtuelle gemountet und auf Vollständigkeit getestet wird.
Dies ist die Phase I des Recovery-Testing. In Zukunft werden wir die Frequenz der automatisierten Wiederherstellungen erhöhen und den Kunden den Zugriff auf die Testumgebung ermöglichen. Auch weitere Cloud-Umgebungen sollen hinzukommen.
Alle haben verstanden, wie wichtig Backup ist, aber die wenigsten testen den Restore. Deswegen pushen wir diese Lösung in den nächsten Monaten.
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