Trotz Cloud und As-a-Service-Angebote, es sieht gut aus für die Zukunft des Tape-Backup. Für Kurt Gerecke, Storage Experte für Tech Data, sind Bandkassetten aktueller denn je. Wir sprachen mit ihm über die letzte Verteidigungslinie, kosteneffizienten Speicher für das Datenzeitalter, Nanotechnologie und die Inhalte einer modernen Datenschutzstrategie.
Herr Gerecke, immer mehr Unternehmen nutzen Infrastructure-as-a-Service für Ihre Backup-Anforderungen und Flash-Technologien versprechen eine hohe Speicherkapazität bei sinkenden Kosten. Trotzdem ist Tape-Backup kein Auslaufmodell.
Kurt Gerecke, Storage-Experte für Tech DataGerecke: Genau, moderne Rechenzentren setzen heute immer stärker Tapes für Backups und die Langzeitarchivierung ein. Das betrifft sowohl große Dax-Konzerne als auch mittelständische Unternehmen. Einige Firmen hatten sich bereits von Tape verabschiedet, bereuen diese Entscheidung aber inzwischen und sind gerade dabei, sie zu revidieren. Entsprechend dynamisch wächst aktuell der Tape-Markt. Sowohl weltweit als auch in Deutschland verzeichnen wir zweistellige Wachstumsraten. Der Grund: Datacenter-Manager haben erkannt, dass Tape sie bei den Infrastruktur-Herausforderungen der Zukunft unterstützt.
Tape-Backup: Herausforderungen & Vorteile
Welche Herausforderungen sind das?
Gerecke: Eine zentrale Herausforderung ist die Abwehr von Cyberangriffen. Ransomware gehört aktuell zu den größten Bedrohungen. Immer öfters geraten zuerst die Sicherungskopien in den Fokus der Hacker. Danach wenden sie sich den Primär- und Sekundärdaten zu. Bei Erfolg befinden sich die betroffenen Unternehmen völlig in der Hand der Cyberkriminellen.
Mehr und mehr Verbreitung findet eine sogenannte Wiper-Variante der Ransomware. Bei dieser fehlt die Funktion zum Entschlüsseln und Wiederherstellen der Daten. Diese werden unbrauchbar und irreversibel zerstört. In seinem Lagebericht 2020 empfiehlt das BSI daher, Tape als Offline-Datenträger einzusetzen. Oder wie es Google treffend formulierte: »Tape is the last line of defense«, zu Deutsch: Tape ist die letzte Verteidigungslinie.
Tapes besitzen eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahren (Bild: Tech Data, Fotograf: Stephan Klonk)
Gibt es noch weitere Vorteile von Tape-Backup?
Gerecke: Ein wichtiger Punkt sind Compliance-Anforderungen. In einigen Branchen gibt es für bestimmte Arten von Daten Aufbewahrungsfristen von zehn Jahren und länger. Die durchschnittliche Lebensdauer von Festplatten und optischen Datenträgern liegt darunter. Tapes dagegen bringen es unter idealen Lagerbedingungen auf mindestens 30 Jahre Lebensdauer.
Zudem gibt es neben überschreibbaren Kassetten auch eine zertifizierte WORM-Variante (Write Once Read Many). Diese Kassetten können einmal beschrieben, aber nicht mehr überschrieben oder gelöscht werden. Eine weitere, zentrale Herausforderung ist das Datenwachstum. Die Marktforscher von IDC erwarten, dass im Jahr 2025 weltweit rund 175 ZByte an Daten (das ist eine 175 mit 21 Nullen) erzeugt werden. Um diese prognostizierte Datenflut zu bewältigen, ist der Einsatz von Tapes in großem Stil notwendig.
Tape vs. HDD/Flash/Cloud
Sind dafür Festplatten oder Flash-Speicher nicht besser geeignet?
Gerecke: Standardisierte LTO-8 Tapes können bis zu 12 TByte an Daten speichern, in komprimierter Form 24 bis 30 TByte. Enterprise-Tapes von IBM liegen mit 20 TByte Speicherkapazität bzw. komprimiert 60 TByte sogar noch darüber.
Selbst im mittleren Bereich weisen Tapes im Vergleich mit optischen Speicherträgern in der Regel eine 10- bis 50-fach höhere Speicherkapazität auf. Flash-Speicher sind sicherlich eine weitere wichtige Speicherkomponente der Zukunft. Hier sind aktuell die ersten SSDs mit 30 TByte verfügbar. Doch sind Flash-Speicher vom Kostenpunkt aus ungleich teurer. Das macht sie für Backup- und Archivierungs-Anwendungen weniger interessant.
Wie sieht es mit Cloud-Storage als Tape-Alternative aus?
Gerecke: Unter Kostengesichtspunkten hat Cloud-Storage zunächst den Vorteil, dass bei der Einführung Hardware-Kosten nicht anfallen. Allerdings fallen monatliche Ausgaben für die Speicherung und den Abruf der Daten an. Entscheidend für einen aussagekräftigen Vergleich sind die Gesamtbetriebskosten, also inklusive Stromverbrauch, benötige Fläche, Hardware und Service.
Laut den Marktforschern der Enterprise Strategy Group liegen die erwarteten 10-jährigen Gesamtbetriebskosten für eine Tape-Speicherlösung 86 Prozent niedriger als bei einer All-Disk-Lösung und 66 Prozent niedriger als bei einem All-Cloud-Storage. Zudem sind Cloud-Speicher auch dem Risiko von Cyberangriffen ausgesetzt.
Tape-Backup: Nachteile und Entwicklungspotenzial
Den Kapazitäts- und Kostenvorteilen von Tape stehen jedoch Nachteile gegenüber, beispielsweise bei der produktiven Wiederherstellung der Daten und beim schnellen Datenzugriff.
Gerecke: Das ist richtig, betrifft aber nur heiße Daten, also Daten, mit denen intensiv gearbeitet wird. Die Analysten von IDC beziffern die Menge an kalten Daten, also Daten, die nicht binnen 30 Tagen abgerufen werden, auf 60 Prozent. Bei diesen nicht oft genutzten Daten ist Tape eindeutig die kosteneffizienteste Speicherlösung.
Wichtig für die Investitionssicherheit einer Technologie ist deren Entwicklungs- und Innovationspotenzial. Was hat Tape hier anzubieten?
Gerecke: Was Kapazität und Leistung betrifft, besitzt Tape im Vergleich zu den anderen Speichertechnologien ein großes Entwicklungs- und Innovationspotenzial. Dabei geht der Trend in Richtung höherer Kapazität bei gleichzeitig schnellerer Schreibgeschwindigkeit. Letztere soll bei der nächsten Generation der IBM-Enterprise-Tapes 1 GByte/s betragen.
Gleichzeitig erwarten Experten in den nächsten zehn Jahren alle zwei Jahre eine Verdoppelung der Kapazität. 2017 erzielten IBM-Forscher bei einem Prototyp eine Aufzeichnungsdichte von 201 GByte pro Quadratzoll und somit eine Speicherkapazität von 330 TByte. Das erfordert eine Genauigkeit der Positionierung im Nano-Bereich. Tape-Backup ist High-Tech.
Backup-Emfpehlung für Rechenzentren
Welche Empfehlungen können Sie Rechenzentren für Ihre Strategie zum Schutz der Unternehmensdaten geben?
Gerecke: Eine moderne Data-Protection-Lösung basiert auf zwei Säulen: Speichersysteme, mit denen sich die Daten schnell wiederherstellen und wiederverwenden lassen, kombiniert mit Offline-Datenträgern, die gegen jede Art von Cyberangriffen immun sind und einen kosteneffizienten Einsatz ermöglichen.
Ich empfehle Daten vierfach vorhalten, einmal im Original, zweimal als Backup-Kopie auf verschiedenen Speichern wie Cloud, Disk oder Flash und darüber hinaus eine weitere Kopie auf Tape. Zudem lässt sich Tape hervorragend bei datenintensiven Anwendungen als Speicher für die wenig genutzten, kalten Daten einsetzen.
Mit dem Einsatz von Tape sind Unternehmen, aus meiner Sicht, optimal auf aktuelle Cyberbedrohungen vorbereitet und erfüllen die Speicheranforderungen in KI- und IoT-Projekten. Und das Beste: dies alles zu günstigen Kosten pro TByte.