Das Coronavirus hält die deutsche Wirtschaft fest im Würgegriff, doch bietet sie neben vielen Verlusten auch neue Chancen.
Viele Unternehmen mussten wegen des Coronavirus ihre Produktion einstellen oder zumindest reduzieren. Manche Produkte werden momentan nicht nachgefragt und andere – wie Schutzausrüstungen und Desinfektionsmittel – sind auf dem Markt nicht mehr erhältlich, weil die Herstellungskapazitäten den immensen Bedarf nicht decken können.
Einige Unternehmen haben kurzfristig ihre Produktion auf für sie quasi branchenfremde Güter umgestellt, und unterstützen damit den akuten Bedarf an stark nachgefragten und teilweise dringend benötigten Produkten. Der Automobilzulieferant ZF Friedrichshafen am Bodensee produziert seit Anfang März Atemschutzmasken in China. Das dient nicht vorrangig der externen Nachfrage, sondern vor allem, weil in den chinesischen Werken mit staatlicher Vorgabe die Werker seit Ausbruch der Coronakrise nicht ohne Mundschutz arbeiten dürfen.
Der italienische Autokonzern Fiat Chrysler plant derzeit, monatlich mehr als eine Millionen Masken herzustellen. Neben den Atemschutzmasken gehören auch Desinfektionsmittel zu den dringend benötigten Gütern. Hier sind es einige Alkoholhersteller, die agil unterstützen; wie beispielsweise die Firmen Jägermeister oder Berentzen. Diese Produktionsumstellung ist nicht das Kerngeschäft der Unternehmen, zeigt aber gleichzeitig, dass es möglich ist, auch produktionsferne Artikel herzustellen oder zumindest die Produktionstiefe zu erweitern.
Restaurantbetreiber haben auf ‚To-Go‘ umgestellt, um sich über Wasser zu halten. Buch- und Spielwarenläden betreiben ihr Geschäft online. Not oder Tugend? Beides: Die Geschäftsmodelle werden überarbeitet und teilweise neu aufgestellt.
Klar ist die aktuelle Situation weltweit als sehr diffus, teilweise sogar chaotisch zu beschreiben: Keiner weiß, wann oder wie es weitergeht. Aber dennoch sollten die Beteiligten besonnen bleiben, mit den aktuell bekannten Gegebenheiten planen und nach vorne schauen. Natürlich dürfen Führungskräfte weder ihren Mitarbeitern noch Kunden oder Gläubigern Versprechungen machen, die sie letztendlich nicht halten können. Aber gute Manager sollten in der Lage sein, ihren Fokus –im Innen- wie auch im Außenverhältnis – sowohl auf die Gegenwart als auch auf die Zukunft zu richten.
Zunächst empfiehlt es sich, eine Art Inventarisierung durchzuführen und zu analysieren, welche Ressourcen zur Verfügung stehen. Ausgehend von den Fragen: Welche Fähigkeiten, Netzwerke, Ressourcen zeichnen uns aus, was können wir anderes tun, um kurzfristig im Markt zu agieren. Gibt es in der aktuellen Situation Restriktionen? Wenn beispielsweise aus Quarantänegründen derzeit nicht das Firmengelände betreten werden darf, aber Remotezugriff auf IT-Ressourcen besteht, kann zum Beispiel über ein IT-Partnernetzwerk und dessen Ressourcen der Betrieb am Laufen gehalten werden.
Die zweite und langfristig entscheidende Frage ist: Wo liegen die Stärken und das Potenzial des Unternehmens? Welche potenziellen Handlungsfelder gibt es für künftige Geschäfte. Haben Mitarbeiter kreative Idee für neue Chancen am Markt? Hier müssen Visionen verwirklicht werden, die bisher noch tabu waren. Kann sich das Unternehmen völlig neu ausrichten? Automobilhersteller dachten bisher schon darüber nach, dass die alte Kernkompetenz – Herstellung von Fahrzeugen – umgebrochen wird zur Kompetenz, Transporte zu ermöglichen. Mit digitaler Vernetzung, dem Anbieten von Plattformen sowie der Zusammenarbeit mit anderen Dienstleistern.
Können Banken ihre Geschäftsmodelle so kombinieren, dass sie sowohl digital anbieten als auch der persönlichen Beratung wieder hohes Gewicht zukommen lassen? Sind Dienstleistungen auch remote möglich und benötigen Infrastruktur? Die aktuell noch präsenten Modelle müssen hinterfragt werden. Ja, auch hier stellt sich – viral verursacht – die Frage nach einer notwendigen Disruption. Konsequenter Wandel des Geschäftes, Vision nach vorne. Ohne jedoch die Kernkompetenzen völlig zu vernachlässigen. Die Zeit ist jetzt – ungewollt – da, um Geschäftsmodelle kritisch zu hinterfragen.
Auch seitens der Personalstrategie stellt sich Unternehmen die Frage, welche Wege sie nach der Corona-Zeit einschlagen wollen, um personell gerüstet zu sein. Freud und Leid liegen manchmal dicht beieinander: Durch die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt können fehlende Personalien gewonnen werden, die sonst nicht verfügbar gewesen waren. Aber auch vorhandene, gute Mitarbeiter können durch konkretes Handeln langfristig an das Unternehmen gebunden werden, wenn jetzt die richtigen Signale und Maßnahmen gesetzt werden.
Mitarbeiter brauchen jetzt Sicherheit und Möglichkeiten für die Zukunft. Wenn es klare Regelungen zur Sicherung der Arbeitsplätze und des Standortes gibt, gleichzeitig aber auch Flexibilität gewährt wird, um den aktuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter Rechnung zu tragen, sind diese meistens loyal und dankbar.
Fazit
Unternehmen und Management sollten derzeit systematisch prüfen, welche Gegebenheiten sie zum Einsatz haben und welche weiteren Ressourcen eventuell noch benötigt werden, um gerüstet zu sein und mit neuen Strategien den Wandel als Chance umsetzen zu können.