Der US-Wahlkampf entwickelt sich in seiner Endphase zu einem profitablen Geschäft für Cyberbetrüger.
Das zeigt der jüngste Report des IDJC ElectionGraphs. Die Wissenschaftler des Institutes for Democracy, Journalism and Citizenship (IDJC) der Universität Syracuse nutzen für die Analyse der Social Media Posts die Graphdatenbank Neo4j und stießen auf ein Muster von verdächtigen, koordinierten Aktionen durch sogenannte „unauthentische Influencer“.
Zu einem der größten dieser Influencer zählt die sogenannte „Liberty Defender Group” auf Facebook. Zum ersten Mal rückte die Gruppe ins Visier der Analysten, als sie im Zeitraum von sechs Monaten (Sept 23 – Feb 24) Anzeigen im Wert von insgesamt 1,3 Millionen US-Dollar schaltete – und damit überraschenderweise zu den führenden Werbetreibenden im Präsidentschaftswahlkampf aufstieg. Im Juni betrieb das Netzwerk 38 verschiedene Seiten auf Facebook. Viele davon sind mittlerweile verschwunden oder veröffentlichen keine Inhalte mehr, was vermuten lässt, dass Meta aktiv gegen die Drahtzieher vorgeht. Das Netzwerk ist jedoch auf Facebook nach wie vor aktiv und tritt mit immer neuen Seiten auf. Bislang investierte die Gruppe 2,5 Millionen US-Dollar in Anzeigen und erzielte damit rund 142 Millionen Impressionen.
Das Netzwerk scheint sowohl auf das Geld als auch auf die Daten von US-Wählern aus zu sein. Eine Facebook-Seite des Netzwerks („Frontier of Freedom“) schaltete beispielsweise Anzeigen, die für Trumps Agenda warben und Falschinformationen zu Immigranten verbreiteten. Social Media User wurden über einen Link auf eine externe Seite weitergeleitet und zu einer Umfrage aufgefordert. Mit der Übermittlung ihrer Daten verpflichten sich die Teilnehmer dann automatisch zur Zahlung einer monatlichen Gebühr von rund 80 US-Dollar, die eine Mitgliedschaft im sogenannten „Patriot American Club“ einschloss.
Ebenso rätselhaft ist eine Reihe von Anzeigen-Kampagnen von „Freedom Financial Care“, einer weiteren Facebook-Seite der Liberty Defender Group. Dort versprachen die Akteure Wählern im Alter von über 65 Jahren finanzielle Hilfen und Vergünstigung im Rahmen des „Affordable Care Acts“ in den USA. Folgte man der Schaltfläche „Antrag absenden“ stimmten die Anwender automatisch der Weitergabe ihrer persönlichen Kontaktdaten an Versicherungsfirmen und Unternehmen aus dem Gesundheitssektor zu.
Neben der Liberty Defender Group entdeckten die Syracuse-Wissenschaftler auf Facebook noch eine ganze Reihe weitere verdächtiger Akteure. Insgesamt identifizierte die Analyse im Knowledge Graphen 14.000 Anzeigen auf 239 verschiedenen Seiten, bei denen es sich um potenziellen Betrug handelt. Das Anzeigenvolumen entspricht einem Wert von rund 5 Millionen US-Dollar – was etwa 4% der gesamten Werbeausgaben von externen Organisationen im US-Wahlkampf entspricht.
KI-generierte Inhalte, Fake News und Pink Slime-Webseiten, die gezielt Fehlinformationen verbreiten, entwickeln sich in einem Jahr, in dem rund die Hälfte der Weltbevölkerung in demokratischen Wahlen abstimmt, zu immer gefährlicheren Manipulations-Tools. Für Wähler ist es nicht nur schwierig, zwischen Fakten und Fiktion der jeweiligen politischen Lager zu unterscheiden. Sie laufen auch Gefahr, Opfer von kriminellen Dritten zu werden.
„Social Media-Scams breiten sich aus und profitieren von der angeheizten politischen Atmosphäre, die während wichtiger Wahlen landesweit herrscht“, erklärt Jim Webber, Chief Scientist beim Graphdatenbankanbieter Neo4j. „Die Beispiele auf den Plattformen von Meta zeigen, wie schwierig es für Tech-Unternehmen ist, diese Aktivitäten zu überwachen und Betrüger in Schach zu halten. Forschungsprojekte wie der IDJC ElectionGraph sind deshalb extrem wichtig. Sie können mit Hilfe der Neo4j-Graphdatenbanken versteckt agierende Netzwerke in komplexen Strukturen untersuchen und neue Erkenntnisse offenbaren. Ohne den Einsatz von Graphtechnologie ist das kaum möglich.“
(pd/Neo4j)