Kontroverse KI-Steuer

Wie sinnvoll ist eine Sonderabgabe auf künstliche Intelligenz?

KI-Steuer

Spätestens seit sich ChatGPT vom Hype zum Mainstream entwickelt hat, wird  das Thema künstliche Intelligenz kontrovers diskutiert – nicht nur in Bezug auf  Datenschutz und Urheberrecht, sondern vor allem im Zusammenhang mit  Arbeitsplatzverlusten und Haushaltslöchern. Kann eine Sondersteuer hier  helfen?  

„Wenn du erwachsen bist, hast du vielleicht keinen Job“, orakelte der Historiker  Yuval Noah Harari bereits 2018 in seinem Bestseller 21 Lektionen für das 21.  Jahrhundert. Nicht einmal ein Jahrzehnt später, scheint es, sollte sich seine  Prophezeiung bewahrheiten. Wie die Ergebnisse des Berichts KI am  Arbeitsplatz zeigen, nutzt nicht nur bereits ein signifikanter Anteil (71 Prozent)  von Arbeitnehmenden künstliche Intelligenz im Job, 25 Prozent der Befragten  gaben auch an, aufgrund von KI ihren Arbeitsplatz verloren zu haben. Eine  Entwicklung, die auch der Staat kritisch beobachtet. Schließlich würde ein  massiver Rückgang von Lohnsteuerzahlungen ein Millionen- oder sogar  Milliarden-Loch in den öffentlichen Bundeshaushalt reißen. Um potenziellen  Krisen zuvorzukommen, kam aus den Reihen der linken Parteien ein derzeit  kontrovers diskutierter Vorschlag: eine Sondersteuer auf künstliche Intelligenz.  Doch wie sinnvoll ist ein solches Vorhaben?  

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(Intelligente) Maschinen als Steuerzahler  

Bahnbrechend neu ist die Idee einer KI-Steuer nicht. Im Gegenteil: Wann  immer technischer Fortschritt Arbeitsplätze und damit potenzielle Einnahmen  des Staates gefährdet, flammt, etwa seit den 1960er-Jahren, also mit der  ersten Welle der Automatisierung, die Debatte über Abgaben auf (clevere)  Maschinen wieder auf. Angesichts der zunehmenden Verbreitung digitaler  Technologien schlug 2017 etwa auch Bill Gates vor, dass Unternehmen, die  Roboter nutzen, um dieselbe Arbeit zu verrichten, die sonst ein Mensch  erledigt, eine Steuer zahlen. Schließlich würden durch diese Art der Automatisierung vor allem standardisierte Arbeitsplätze wegfallen.

Mit dem  Aufkommen der generativen KI sind laut IWF auch kognitive, hoch qualifizierte Tätigkeiten gefährdet. Laut Berechnungen der Experten haben die neuen  Technologien das Potenzial, 60 Prozent der Jobs in hoch entwickelten Ländern zu ergänzen oder komplett zu übernehmen. Bei etwa einer Hälfte der  Betroffenen dürfte der KI-Einsatz mit höherer Produktivität oder gesteigerter  Effizienz zu Buche schlagen. Bei anderen – beispielsweise den  Mathematikern, den Programmieren oder den Buchhaltern – sieht es nicht  ganz so rosig aus.  

KI-Steuer gegen soziale Ungleichheit  

Ein viel diskutiertes Instrument, um die negativen Folgen von technischem  Fortschritt für Arbeitsmarkt, Sozialsysteme und den Bundeshaushalt  abzufedern, ist eine KI-Steuer. Zwar gibt es angesichts der schwierigen  Haushaltsverhandlungen aktuell keine konkreten Pläne in der Ampelkoalition,  der Co-Chef der SPD-Linken, Sebastian Roloff, bekräftigt gegenüber dem  Handelsblatt allerdings: „Die Idee der KI-Steuer gleicht dem Konzept der  Maschinensteuer.“ Um die Staatskasse vor Millionen- oder sogar  Milliardenlöchern zu bewahren, könnte eine solche Abgabe dazu dienen, die  durch künstliche Intelligenz erzielten Produktivitätsgewinne und  wirtschaftlichen Vorteile gerecht auf die Gesellschaft zu verteilen.  Unternehmen, die stark in intelligente Systeme investieren und dadurch hohe  Gewinne erzielen, schaffen eine Ungleichheit im Vergleich zu traditionellen  Arbeitskräften, die tendenziell benachteiligt werden. Eine Steuer, so das  Argument, hat das Potenzial, diese Disparität auszugleichen und  wettbewerbsfähige Bedingungen zu schaffen. Davon könnte auch der Staat profitieren – insbesondere, wenn die Einnahmen zur Finanzierung öffentlicher  Dienste und der Instandhaltung der Infrastruktur verwendet werden. 

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Mehr Bürokratie für die KI  

Ganz so einfach, wie das klingt, ist die Erhebung einer neuen Steuer in der  Praxis allerdings nicht. Zwar existieren in puncto Rechtsrahmen seit Mai 2024  in der Europäischen Union einheitliche Regeln, im AI Act bleiben jedoch  wesentliche Fragen unbeantwortet. Als weltweit erstes Gesetz zum Umgang  mit künstlicher Intelligenz klassifiziert die EU-Verordnung entsprechende  Technologien in vier Risikogruppen: inakzeptables, hohes, begrenztes und  minimales bzw. kein Risiko. Technologien, die etwa dem Social Scoring oder  der biometrischen Identifizierung dienen, gehören in die erste Kategorie und  gelten damit grundsätzlich als verboten. Hochrisikosysteme, beispielsweise in  der zivilen Luftfahrt oder in Bereichen der kritischen Infrastruktur, unterliegen  wiederum einer strengen Überwachung und Kontrolle.

In die dritte Kategorie  fallen generative Modelle. Dazu gehören beispielsweise Chatbots oder LLMs  zur Erstellung von Text-, Audio-, Bild- oder Video-Dateien. Sie durchlaufen  ebenfalls eine gründliche Prüfung und unterliegen neben  Transparenzanforderungen bezüglich der verwendeten Daten auch einer  allgemeinen Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte. Für Tools, die  gemäß KI-Verordnung kein oder lediglich ein minimales Risiko darstellen, etwa  in Videospielen oder Spam-Filtern, sieht das Regelwerk keine  Kontrollmechanismen vor. Die Verordnung spricht lediglich von freiwilligen  Verhaltenskodizes. Was der AI Act nicht eindeutig vorgibt, ist eine belastbare  Definition von künstlicher Intelligenz, die sich auch auf steuerliche Fragen  anwenden lässt. Im Gesetz ist KI nur „ein maschinengestütztes System, das  für einen in unterschiedlichem Grad autonomen Betrieb ausgelegt ist und das  nach seiner Betriebsaufnahme anpassungsfähig sein kann“ (Gesetz über  künstliche Intelligenz, Art. 3 Abs. 1, 2022). Neben hoch entwickelten,  spezialisierten Systemen schließt das grundsätzlich auch andere  weitverbreitete Technologien wie Foto-Filter und Saugroboter ein. Zur  Umsetzung einer KI-Steuer bedarf es aber einer genauen Differenzierung.

Das  beginnt mit der Frage: Welche Formen von künstlicher Intelligenz sollen unter welchen Bedingungen besteuert werden? Als mögliche Lösung dieses  Dilemmas brachte der Vize-Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen,  Andreas Audretsch, im Gespräch mit dem Handelsblatt vor, nur jene  Großkonzerne besteuern zu wollen, die KI selbst vermehrt einsetzen oder  verkaufen. Damit beträfen potenzielle KI-Abgaben zwar vorrangig Unternehmen, in einer zunehmend globalisierten Welt ergeben sich daraus  aber neue Fragen. Steuerlich relevant dürfte dabei vor allem sein, ob der  Unternehmenssitz oder das Land, in dem die Umsätze entstehen, maßgeblich  sein soll.  

Innovationskiller KI-Steuer  

Nicht nur die schwammige Rechtslage sorgt in der KI-Steuerdebatte für  Probleme. Kritische Stimmen meldeten sich vor allem aus der Wirtschaft. So  bewertete beispielsweise der Handelsverband Deutschland eine solche  Abgabe als falschen Ansatz. Es komme in der derzeitigen Entwicklungsphase  vielmehr darauf an, den Einsatz künstlicher Intelligenz zu fördern und  Unternehmen in ihrem Engagement zu unterstützen, heißt es in einer  Meldung. Ähnlich kritisch fällt auch das Urteil des IWF aus. Als  Industriestandort sei Deutschland darauf angewiesen, den technologischen  Fortschritt zu unterstützen, um im internationalen Wettbewerb seine  Führungsposition zu halten. Eine KI-Steuer würde eher Anreize für  Investitionen nehmen und Innovationen ausbremsen. Dadurch verlöre der  Wirtschaftsstandort insgesamt an Attraktivität, was laut Expertenmeinung des  IWF Abwanderungen ins Ausland und Arbeitsplatzverluste nach sich zöge.  

Mit anderen Maßnahmen gegensteuern  

Egal wie die Diskussionen um die Besteuerung von (intelligenten) Maschinen  ausgeht, in einem Punkt sind sich alle einig: In ihrer kurzen Geschichte hat die  künstliche Intelligenz nicht nur riesige Fortschritte gemacht, sie hat auch das  Potenzial entwickelt, etliche Branchen umzukrempeln. Trotzdem gilt der letzte  Satz in Alan Turings Aufsatz Computing Machinery and Intelligence von 1950 noch immer:

„Wir können nicht weit in die Zukunft sehen, aber wir können  sehen, dass noch viel zu tun ist.“ Entsprechend empfiehlt beispielsweise der  IWF als Alternative zur KI-Steuer gezielte Fördermaßnahmen. Up- und  Reskilling-Programme könnten Arbeitnehmer bereits jetzt fit für neue  Tätigkeiten machen, die durch Automatisierung und künstliche Intelligenz  entstehen und so nicht nur potenzielle Arbeitsplatzverluste abfedern, sondern  auch die staatliche Liquidität sichern. Gleichzeitig geht der IWF davon aus,  dass sich durch systematisches Vorantreiben der Digitalisierung neue  Wirtschaftszweige eröffnen, die ihrerseits neue Berufe schaffen. Daher sollten  Schulen und Universitäten schon jetzt flexible Bildungspläne entwickeln, um  Absolventen besser auf die veränderten Bedingungen des Arbeitsmarkts  vorzubereiten.

Eine weitere Option, um den Staatshaushalt krisensicher  aufzustellen und Arbeitnehmer zu entlasten, bildet die Umverteilung von  Steuerlasten. Hier plädieren die Wirtschaftsexperten für eine Senkung der  Lohnsteuer sowie eine Anhebung der Besteuerung von Kapitalerträgen.  Zusätzlich könnte die gezielte Förderung von Branchen mit hohem  Arbeitskräftebedarf, wie Pflege und Betreuung, dazu beitragen, sowohl die  drohende Massenarbeitslosigkeit als auch den Fachkräftemangel zu  bekämpfen. 

Juhn

Christoph

Juhn

JUHN Partner GmbH

Prof. Dr. Christoph Juhn ist Professor für Steuerrecht, Steuerberater und besitzt einen Master of Laws.  Er gründete – nach Anstellungen in zwei Steuerberatungsgesellschaften – im Jahr 2015 die JUHN Partner GmbH und  2017 die JUHN BESAU GmbH.
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