Fragen helfen generell, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen und auch gegebenenfalls eine neue Sicht zu gewinnen. Entscheidend sind hier die „richtigen“ Fragen, auf die es nicht komplett eine umfassende, fertige Antwort gibt. Weiterhin kommt es darauf an, wer diese Fragen stellt und welche Kompetenzen und Grundlagen dieser Personenkreis hat. Schlecht, aber auch gutlaufende Projekte können extrem davon profitieren.
Die richtigen Fragen in Projekten
Wenn Projekte nicht optimal laufen, ist es nicht immer leicht, die Ursachen zu finden und die Projekte zu optimieren. Wenn niemand erkennt, dass ein Projekt schlechter läuft als es sollte oder niemand die Rolle hat, dieses zu hinterfragen, ist das potenzielle Problem intransparent und die Lösung in weiter Ferne.
Projekte laufen über einen längeren Zeitraum. Die agierenden Personen verschmelzen oft mit dem Projekt und verlieren einen objektiven Blick.
Im Ergebnis sind Projekte in der Gefahr, mangels kritischer Auseinandersetzung oder fehlender Distanz in einen Abwärtsstrudel zu geraten. Das bedeutet höhere Kosten, verlängerte Laufzeiten und geringere Qualität. Die Motivation der Mitarbeiter, Kunden und weiterer Stakeholder sinkt und weitere Probleme werden erzeugt. In Summe kann dies zum kompletten Scheitern der Initiative führen.
Die „richtigen Fragen“ helfen, ein Projekt wieder in die richtige Bahn zu leiten und dort zu stabilisieren.
Martin Besemann, Conpromas
Stellt diese Fragen niemand, besteht eine große Gefahr, den richtigen Weg nicht zu finden oder ihn unterwegs zu verlassen, ohne dass die entscheidenden Personen dies merken und gegensteuern können.
Fehlender Abstand und Objektivität
Betriebsblindheit ist ein gern genutzter Ausdruck um zu beschreiben, dass involvierte Personen den rationalen Blick auf die Projekt- oder Betriebssituation ganz oder teilweise verlieren. Was steckt eigentlich dahinter beziehungsweise wie ist es möglich, zu einem gewinnbringenderen Blick zu kommen?
Macht ein Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum eine ähnliche Tätigkeit oder ein Manager bekommt ähnliche Informationen und Entscheidungsvorlagen, kann ein Gewöhnungseffekt eintreten, der die Sicht auf Alternativen verschließt. Dies wird verschärft, wenn der Personenkreis dies zusätzlich länger innerhalb eines Unternehmensumfelds oder in einem vergleichbaren Umfeld tut.
Beispiele: Situationen aus der Praxis und Fragen
1) Projektstatus
Fragen über den Lebenszyklus eines Projektes können durch den bisherigen Ablauf eine Prognose auf die zukünftige Entwicklung ermöglichen beziehungsweise Ansätze für eine Optimierung aufzeigen.
Aussage: „Das Projekt läuft schlecht“
Beispielhafte Fragen:
- Gibt es eine fundierte Analyse, die über individuelle Gefühlslagen hinausgeht, was „schlecht läuft“ und die Gründe dafür?
- Gibt es regelmäßige Retros und Verbesserungen?
- Hat der Projektleiter die notwendigen Kompetenzen für die Aufgabe?
Das Gefühl, dass Projekte „schlecht“ laufen, kann bei unterschiedlichen Stakeholdern auf unterschiedlichen Basiserwartungen begründet sein. Ein Gefühl kann ein Indikator sein, sollte aber nicht die alleinige Grundlage für Entscheidungen darstellen. Für letzteres ist eine fundierte Faktenlage entscheidend.
Fazit: Schlecht laufende Projekte können auf sehr unterschiedlichen Gründen basieren. Dies zu ermitteln bedeutet, mit den richtigen Fragen die Problemstellung zu erörtern.
2) Projektmethodik
Die Projektmethodik nimmt entscheidenden, aber oft unterschätzen Einfluss auf das Projekt. Dies kann von einer deutlichen Verteuerung bis zum Scheitern des Projektes führen.
Aussage: „Die Projektvorgehensweise ist Standard im Haus“
Beispielhafte Fragen:
- Gibt es eine Methode gemäß anerkannten Standards oder ist das Vorgehen eher „Freestyle“?
- Passt die Methode wirklich zu dem individuellen Projekt?
- Verstehen alle Beteiligten die Methode?
Ein Projekt, nur um einem vermeintlichen internen Standard zu genügen, mit einer nicht passenden Methode durchzuführen, ist genauso ein grundlegendes Problem wie gar keine professionelle Methodik anzuwenden. Es ist vergleichbar mit einer unpassenden Taktik für eine Fußballmannschaft. Das wird weder auf dem Spielfeld (Projektteilnehmer) noch auf den Rängen (Stakeholder) zu einem Erfolg werden.
Fazit: Die richtige Methode lässt sich nur mit dem Hinterfragen des Projektinhalts, der Ziele und des Umfelds finden.
3) Auftragsklarheit
Wenn die Auftragsdefinition nicht für alle Beteiligten transparent ist, nicht auf aktuellem Stand oder nie final abgestimmt ist, ist die Gefahr von teuren Missverständnissen erheblich.
Aussage: „Die Anforderung ist doch klar“
Beispielhafte Fragen:
- Was heißt klar genau?
- Ist dies wirklich allen Beteiligten gleich „klar“?
- Ist der Stand der Klarheit aktuell, vollständig, dokumentiert und abgenommen?
Die Anforderung ist in der Praxis zumeist nicht für alle involvierten Personen gleich „klar“. Hier gibt es neben unterschiedlichen Bedürfnissen und Meinungen auch unterschiedliche Interessen und Lösungsansätze. Hinzu kommen wirtschaftliche Aspekte auf der Einnahme- und Ausgabeseite, die einer ganzheitlichen Klärung bedürfen. Hier würde sich zum Beispiel eine unabhängig voneinander durchgeführte Umfrage zu Auftrag und Lösung im Projekt- und Stakeholderkreis anbieten. Die Ergebnisse könnten verwundern.
Fazit: Wenn niemand hinterfragt, wie Stakeholder den Projektauftrag verstehen, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu unterschiedlichen Sichten kommen.
4) Projektteilnehmer
Die handelnden Personen und notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten entscheiden über den Erfolg des Projektes.
Aussage: „Die Mitarbeiter sind seit Jahren im Umfeld tätig und dadurch die vorhandenen und richtigen Ressourcen“
Beispielhafte Fragen:
- Gibt es (noch) die notwendige Distanz zum Projektinhalt?
- Hat der Projektleiter die notwendigen Skills und Kompetenzen zur Steuerung des Projektes?
- Hat das Management die richtigen internen oder externen Berater, um unter Beachtung ihrer zeitlichen Verfügbarkeit projektspezifisch zu entscheiden?
Eine eingefahrene Sicht, die sogenannte „Betriebsblindheit“, oder auch das Drängen zu Tätigkeiten, die ein Mitarbeiter nicht ausführen kann oder möchte, kann zum Scheitern, zumindest aber zu Ineffizienz des Projektes führen.
Oft kann eine Innovation von außerhalb des Standardteams frischen Wind und Erkenntnisse in das Projekt bringen. Das liegt zum Beispiel an der Distanz zum Projekt, einer neuen Sicht oder auch der Erfahrung aus anderen Projekten. Wichtig ist vor allem die Unabhängigkeit. Das zeigt sich gerade beim Projektleiter. Unpopuläre Entscheidungen, für die die Person später in der Linie Konsequenzen befürchten muss, werden schwerer fallen als bei eigener Unabhängigkeit und Distanz zu Linienorganisation und dem Projekt.
Fazit: Die regelmäßige Sicherstellung einer rationalen Projektbetrachtung wird durch unabhängige Außenstehende gestützt.
Die richtigen Fragen stellen
Eine Frage führt zum Überdenken der Situation. Das Ergebnis ist entweder eine Bestätigung des aktuellen Zustands oder die Erkenntnis, dass eine Änderung des aktuellen Zustands notwendig ist. Das ist im Ergebnis ähnlich einem Audit, beziehungsweise einer Vorstufe dazu.
Im ersten Fall bedeutet dies eine Bestätigung des aktuellen Vorgehens. Daraus folgt einerseits die Sicherheit auf dem richtigen Weg zu sein und andererseits eine seriöse Situationsanalyse, um potenzielle Probleme zu reduzieren.
Im zweiten Fall eröffnet sich die Chance, den aktuellen Zustand zu ändern und damit die zukünftigen Ergebnisse inhaltlich, wirtschaftlich und zeitlich zu optimieren. Weiterhin kann man dadurch sogar ein Projekt insgesamt wieder auf den richtigen Weg zu führen.
Die Genehmigung, die richtigen Fragen zu stellen
Bei aller Offenheit und auch in Methoden beschriebenen Vorgehensweisen ist eine „Genehmigung“ sinnvoll oder gar notwendig, dass Fragen gestellt werden dürfen und das Ergebnis akzeptiert oder zumindest zur Kenntnis genommen wird.
Fragen können Antworten bringen, die unangenehme Ergebnisse offenbaren oder politisch nicht immer verträglich sind. Das bringt mit sich, dass nicht jeder sich berufen fühlt, diese Fragen offen zu stellen. An dieser Stelle ist es wichtig, die Fragen zuzulassen und gegebenenfalls einen Rahmen und eine Empfängergruppe für die Ergebnisse zu definieren. Dies hilft, die Angst zu überwinden, Fragen zu stellen, die Antworten erzeugen können, die nicht immer populär oder gewünscht sind.
An dieser Stelle kann die Position des Fragestellenden von entscheidender Bedeutung für das Ergebnis sein.
Wer kann die notwendigen Fragen stellen?
Beschäftigt sich die betreffende Person länger mit dem Umfeld, besteht wahrscheinlich ein tiefer Einblick und es gibt viele Erklärungen, warum etwas in einem gewissen Schema läuft.
Das kann einen Vorteil mit sich bringen, aber auch Nachteile. Vorteil ist die Erfahrung im Umfeld und damit einhergehende tiefere Kenntnisse.
Betrachtet man dieses Szenario, ergibt sich die Frage, warum ist noch keine Änderung der Situation herbeigeführt, wenn die Person ausreichend Erkenntnisse hat? Fehlt die entscheidende Erkenntnis oder die Möglichkeit, das Gehör und die zugehörige Handlungsbereitschaft bei der zuständigen Managementebene zu erzeugen?
Nicht der oder die, die immer davor stehen, sondern jemand mit genereller Fachkenntnis im Projektmanagement und Abstand zum Umfeld bieten sich alternativ an. Dieses weitere Szenario wäre damit eine Entfernung von Umfeld. Im ersten Schritt optional unternehmensintern und im weiteren Schritt unternehmensextern.
Je größer die Unabhängigkeit zum Umfeld, desto größer auch die Unabhängigkeit für Fragen und Ergebnisse und damit die Glaubwürdigkeit. Weiterhin wird in der Praxis auch häufig die Möglichkeit zur Platzierung der Erkenntnisse und die Bereitschaft im Management, sich mit den Ergebnissen zu befassen, durch externe Fachexperten größer. Das liegt schlicht an der Vorstellung, dass jemand der stetig viele verschiedene Umfelder betrachtet, große Erfahrung hat und einen hohen Mehrwert erzeugen kann.
Notwendige Grundlagen für die richtigen Fragen
Die Notwendigkeit, inhaltliches Fachwissen zu besitzen ist erst einmal sekundär. Im ersten Schritt geht es darum, die Situation des Projektmanagements zu erkennen. Auch ein inhaltlich nicht Involvierter sollte das Projekt schnell generisch überblicken. Für die Beurteilung der fachlichen Objekte können in einem strukturierten Umfeld Subject Matter Experts (SME‘s) eingebunden werden.
Als Ergänzung sei erwähnt, wenn jemand in seiner Laufbahn drei Unternehmen und zugehörige Projekte gesehen hat, ist dies ein Unterschied zu einer Person, die durch ihre Tätigkeit in 20, 30 oder mehr Unternehmen in Projekte eingebunden war. Nicht nur erfolgreiche Projekte sind hier wichtig, sondern auch gerade Projekte, die nicht optimal laufen erweitern den Erfahrungsschatz.
Als Fazit kann man sagen, nicht der, der das Umfeld kennt, ist oft der optimale Fragesteller, sondern der, der das Umfeld nicht kennt.
Martin Besemann, Conpromas
Die persönlichen Kenntnisse und Skills des Fragestellers sind eine erfolgskritische Basis. Neben einer breiten praktisch geprägten Sicht ist eine methodische Grundlage notwendig. Um zu beurteilen, welche Projektmethodik passt oder nicht passt, muss das übergreifende Wissen vorhanden sein.
Zur Fragestellung gehört ebenfalls auch die Überzeugungskraft, eine Verbesserung im Fokus zu haben und nicht eine Zuweisung von Schuld für eventuell vorhandene Missstände.
Weiterhin stellt das Potenzial zum Aufzeigen von Verbesserungsvarianten gegenüber dem reinen Darstellen von Defiziten eine wertvolle Ergänzung dar und kann den Prozess der Optimierung unterstützen.
Projektmanager tun gut daran, verschiedene Unternehmen und Projektumfelder kennenzulernen, bevor sie „sesshaft“ werden. Ähnlich Handwerkern, die auf Wanderschaft gehen. Dies bringt sowohl der eigenen Persönlichkeit wie auch dem Unternehmen einen Vorteil. Als externer Berater und Projektmanager sieht man viele verschiedene Unternehmen und noch mehr Projektumfelder. Dies baut einen umfangreichen Wissensschatz auf.
Hier wächst auch die Erkenntnis, dass viele und auch sehr unterschiedliche Projekte von einer geübten Fragestellung profitieren können. Dies geschieht am besten von unabhängiger Seite mit der notwendigen Distanz.