Ein reibungslos verlaufender Alltag hängt heute oft davon ab, dass viele kleine Geräte und wichtige Infrastrukturen im Hintergrund perfekt funktionieren. Das zeigt sich z.B. in großen Systemen wie Flughäfen, wo hierfür viele kleine Rädchen ineinandergreifen müssen.
Wenn man nach einem 15-stündigen Flug ohne Koffer am Gepäckband steht, hat vielleicht gerade irgendwo in den Tiefen des Flughafens ein überlasteter Elektromotor den Geist aufgegeben. Und der treibt genau das Gepäckband an, an dem man steht. Ein unternehmensübergreifendes Anlagenmanagement in Verbindung mit digitalen Zwillingen kann helfen, solche Fehler frühzeitig zu erkennen und zu reduzieren.
Um Anlagen (oder Assets) wie unseren Elektromotor zu erfassen, zu managen und zu überwachen haben sich zunehmend Systeme für das Enterprise Asset Management (EAM) etabliert. Sie ermöglichen es Unternehmen, ihre Assets im Blick zu behalten und Inspektion, Instandhaltung, Anlagendokumentation und Ersatzteilmanagement zu optimieren und zu automatisieren. Ein Beispiel für solch ein System ist IBM Maximo, eine hybride, integrierte Plattform, die durch umfassende KI-, IoT- und Analysefunktionen das EAM zu einem Asset Performance Management (APM) erweitert. Sie stellt Unternehmen vier Funktionsblöcke zur Verfügung: das eigentliche Asset Management, Fernüberwachung, Funktionen für vorausschauende Wartung sowie Kamera- und KI-gestützte visuelle Inspektion. Werden die Fähigkeiten und Daten dieser Systeme genutzt, um einen digitalen Zwilling von Anlagen zu erstellen und aktuell zu halten, eröffnen sie interessante Möglichkeiten für Servicetechniker und die Anlagenwartung.
EAM – das Inventar im Blick
Welche Geräte und Anlagen haben wir im Einsatz, wo stehen sie genau, wie ist der Status und wer kümmert sich darum? Bei der Beantwortung dieser Fragen unterstützt das Enterprise Asset Management (EAM) Unternehmen und ihre Servicetechniker. Es erfasst und verwaltet computergestützt den gesamten Lebenszyklus der physischen Vermögenswerte eines Unternehmens: Von Planung, über Bau, Inbetriebnahme, Betrieb, Wartung bis hin zu Stilllegung oder Ersatz von Anlagen und Einrichtungen. Eine EAM-Plattform kann mit diesen Daten den Betrieb und eventuelle Veränderungen in einem digitalen Zwilling darstellen. Der digitale Zwilling kann dann zum Beispiel das Zusammenspiel einzelner Komponenten innerhalb der Anlage verdeutlichen. Oder auch die Interaktionen verschiedener Assets innerhalb des Gesamtsystems widerspiegeln und dann Vorschläge zu dessen Leistungsverbesserung machen. Information über Stillstände, getauschte Teile oder aktuelle Zählerstände werden hierzu fortlaufend in den digitalen Zwilling eingespielt und synchronisieren ihn mit dem physischen Zwilling. Mit IBM Maximo ist es zudem möglich, über die Anlagensensorik Veränderungen an den Messwerten zu registrieren, die auf eine nicht korrekte Synchronisation zwischen realem und digitalem Zwilling hinweisen. So können auch kleinste Änderungen, zum Beispiel nach Austausch eines einfachen Dichtungsrings, erkannt werden. Selbst diese könnten sich bereits auf die Performance und Verfügbarkeit einer Anlage auswirken.
Fernüberwachung
Im eigentlichen Anlagen-Betrieb spielt die Möglichkeit zur Fernüberwachung aller Systeme dann die Hauptrolle. EAM-Tools ziehen Sensordaten von Maschinen, Umweltkontrollsystemen und aus anderen Quellen in einem zentralen Dashboard zusammen. So können Techniker Betriebsabläufe und -zustände im gesamten Unternehmen überwachen. Diese Daten werden im Falle von IBM Maximo dann zusätzlich mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) aufbereitet und ausgewertet, um die Anlagen auch über lange Zeiträume präzise zu analysieren. Eine intelligente Auswertung und Korrelation der Daten ermöglicht es, Störungsmeldungen gezielter auszulösen und insgesamt zu reduzieren. Neigt ein Elektromotor zum Beispiel nur ab einer bestimmten Umgebungstemperatur bei leichter Überlast zu Überhitzung und Ausfällen, wird auch nur dann ein Alarm ausgelöst. Die Wartungsteams können sich so besser auf die Probleme konzentrieren, die wirklich ihre Aufmerksamkeit erfordern.
Wissen, was kommt: Vorausschauende Wartung
Klassischerweise erfolgt die Wartung von Anlagen und ihren Komponenten in festen Intervallen, die vom Hersteller vorgegeben oder empfohlen werden. Trotzdem kommt es zu Ausfällen, da der angenommene und nicht der tatsächliche Zustand der Anlagen die Wartung auslöst. Mithilfe von Fernüberwachung und vernetzten Sensoren kann jedoch der Ist-Status überwacht, aufgezeichnet und auch in einen digitalen Zwilling eingespeist werden. Hinzu kommen Umgebungs- und weitere Daten wie z.B. Lufttemperatur oder Luftfeuchte. Diese Daten werden dann flächendeckend mit maschinellem Lernen und Analysen dahingehend ausgewertet, wann Anlagen voraussichtlich tatsächlich in einen kritischen Bereich laufen oder ausfallen könnten. Lösungen wie die Komponente Predict innerhalb der IBM Maximo Application Suite, suchen nach diesen kritischen Mustern in Anlagendaten, -nutzung und -umgebung und korrelieren diese mit bekannten Problemen. Diese Risiko- oder Zuverlässigkeits-basierte Wartung ermöglicht ein Eingreifen noch vor dem eigentlichen Ausfall und senkt so Kosten oder verbessert die Anlagenperformance.
Alles im Blick mit Computer Vision und KI-gestützter Sichtkontrolle
Trotz aller Voraussicht dank EAM: Regelmäßige Wartungsarbeiten bleiben notwendig. Bei der klassischen Sichtkontrolle sehen erfahrene Techniker oft sofort, was getan werden muss. Auch hier kann die Technik aber unterstützen – Computer Vision heißt dann das Zauberwort. Kameras nehmen hierzu in Produktionsprozessen oder bei Wartungsarbeiten Bilder von Bauteilen oder Anlagen auf, gleichen diese mithilfe von KI-gestützten Algorithmen mit dem gewünschten Ist-Zustand ab. In der Endmontage von Autos können die Systeme so den korrekten Sitz von Schrauben oder Schweißnähten überprüfen und bei Abweichungen Alarm schlagen. Durch immer weiter verbesserte Handy-Kameras und Brillen für Virtual (VR) oder Augmented Reality (AR) und leistungsfähige Mobilfunknetze kann das mittlerweile sogar unterwegs geschehen und Techniker im Außeneinsatz vor Ort unterstützen.
Worker of the Future – mit weniger Fachkräften mehr erreichen
Erfahrenes Personal für die erwähnten Wartungsarbeiten und Qualitätskontrollen ist in Zeiten fortschreitenden Fachkräftemangels immer schwieriger zu bekommen. Die schlaue Kombination aller Möglichkeiten von EAM-Systemen ermöglicht es jedoch, die benötigte Anzahl und das Qualifikationsniveau der Fachkräfte besser an das vorhandene Angebot anzupassen. EAM-Systeme bieten einen Überblick über die Anlagen, sie können Baupläne und Handbücher abspeichern, sie verfügen über langfristig abgespeicherte „Erfahrungswerte“ aus den Sensordaten und können durch KI daraus ihre Schlüsse ziehen. Mithilfe von Mobilgeräten lässt sich dieses gesammelte Wissen aus der EAM-Plattform allen Technikern vor Ort zur Verfügung stellen und sogar durch zusätzliche Diagnoseschnittstellen zum digitalen Zwilling einer Anlage ergänzen. Die Arbeiter erhalten dann ihre Arbeitsaufträge zusammen mit allen Informationen aus dem EAM-System und der Dokumentation der Anlage auf ihren mobilen Endgeräten. Durch die Bilderkennung und eine fachspezifische KI im Hintergrund ist es möglich, Technikern detaillierte Anweisungen zu den einzelnen Arbeitsschritten zu geben und diese z.B. auf einem Tablet oder in einer Datenbrille zu visualisieren. Der Techniker erhält dann eine „bebilderte“ Reparaturanleitung, die auch unerfahrenere Mitarbeiter durch die einzelnen Arbeitsschritte führt.
Nutzt man alle Optionen, die moderne EAM-Plattformen in Verbindung mit den verschiedenen Analysemöglichkeiten digitaler Zwillinge bieten, können Ausfälle wie durch den anfangs erwähnten kleinen überlasteten Motor des Gepäckbandes verringert werden. Kontinuierliche, automatisierte Überwachung der Gepäckanlage durch Sensoren hätte die Ausfallgefahr der Anlage besser vorausberechnen und eine Wartung veranlassen können. Und dann wäre der Koffer rechtzeitig auf dem Band gelandet.