Im Automobilbereich sind Gebrauchtfahrzeuge ebenso Usus wie der Reifenwechsel in der Werkstatt um die Ecke oder der Austausch der Windschutzscheibe durch einen Spezialisten. Eine herstellerunabhängige Wartung (Third-Party-Maintenance) könnte im Speicherbereich dementsprechend eine Alternative zu Neukauf oder Wartungsverlängerung sein. Der Ansatz birgt aber auch Risiken.
TPM-Anbieter Curvature seit Sommer 2016 auch in Deutschland.Im August dieses Jahres veröffentlichte Gartner einen Marktführer für herstellerunabhängige Drittanbieterwartung. Der erstaunliche Befund der Analysten: Im Schnitt lassen sich 60 Prozent der Wartungskosten einsparen.
Geschätzt werden heute rund zehn Millionen Geräte über TPM-Verträge (Third-Party-Maintenance) gewartet. Diese Zahl bezieht sich auf Server, Storage und Netzwerk-Equipment, wobei letzteres wohl den größten Teil ausmacht. Aber auch im Speicherbereich ist die Fremdwartung seit 2015 im kontinuierlichen Aufwind, vor allem im Hardware-Bereich, und wird laut Gartner bei 72 Prozent der großen Unternehmen genutzt.
Rund um TPM werden unterschiedliche Services angeboten, von der Vor-Ort-Wartung über technischen Support bis hin zur proaktiven Fernüberwachung und dem Hardware-Austausch. Dieser erfolgt durch neue oder nicht selten durch gebrauchte Hardware, die aus dem Aufkauf von Equipment aus Insolvenzen, Fusionen, Erneuerungen (Renewals) oder auch gescheiterten Projekten stammen kann.
Kosteneinsparungen Nummer-1-Grund für TPM
Capex-Opex-Beispiel (Quelle: Curvature)Die Gründe, warum sich Unternehmen für TPM entscheiden, sind unterschiedlich. An Nummer 1 stehen sicherlich die Kosteneinsparungen: 50 bis 95 Prozent günstiger soll TPM-Wartung gegenüber der der Originalhersteller (OEMs) sein, so der Analystenreport. Nicht selten kommt TPM ins Spiel, wenn der Hersteller über steigende Wartungsgebühren seine neuesten Modelle an den Kunden bringen will, dieser aber eigentlich ganz zufrieden mit dem Vorhandenen ist.
Dies kann bis in den End-of-Life-Service (EOLS) eines Produktes führen. Eine verlängerte Lebensdauer des Equipments bietet Unternehmen jedoch die Möglichkeit, entweder Investitionen aufzuschieben oder zeitliche Flexibilität zu gewinnen, wenn in ausgedehnten Projekten gewisse Workloads längerfristig in die Cloud verschoben werden sollen.
Darüber hinaus bieten TPM-Anbieter häufig flexiblere Vertragsstrukturen, etwa mit monatlicher Abrechnung und Kündigungsmöglichkeit, während der OEM-Support meist nicht unter einer Einjahresfrist abgeschlossen werden kann.
Argumente gegen TPM
Jedoch ist auch Vorsicht geboten: Klar ist, dass kein Unternehmen seine geschäftskritischen Daten auf alter Hardware betreiben wird. Doch auch bei weniger wichtigen Daten stellt sich die Frage nach der Kosteneffizienz, etwa durch eventuell höhere Energiekosten oder Rechenzentrumskapazität.
Darüber hinaus ist der TPM-Markt relativ fragmentiert. Kleineren Anbietern können Vorhalte- und Lieferlogistik oder ganz einfach Know-how und Manpower fehlen. Viele nutzen zusätzliche Subkontraktoren, um Kompetenzen und geografische Gebiete abzudecken. Der Gartner-Report empfiehlt hier gründliche Recherche.
Ein anderes kritisches Gebiet ist das der Software-Lizenzen und Firmware-Updates. Ein TPM-Anbieter muss nachweisen können, dass er Zugang dazu hat und tut dies gegebenenfalls, indem er selbst als zertifizierter Reseller des OEMs auftritt.
Letztlich empfiehlt der Report ein intensives Audit, das die Möglichkeiten, aber auch die Kompetenz und Zuverlässigkeit der TPM-Anbieter zutage fördert. Eine hybride Wartungsstrategie – eine Kombination aus Wartung durch den Originalhersteller für die Premium-Systeme und Fremdwartung für Legacy-Systeme wird in den meisten Fällen das Resultat sein.
TPM-Markt richtet sich neu aus
Drittanbieterwartung als dritte Alternative zu Neukauf oder oder Wartungsverlängerung.Die größten TPM-Anbieter haben ihren Sitz in den USA, wo Stand heute auch die Marktakzeptanz höher ist als in Europa. Dennoch nehmen diese weltweit agierenden Dienstleister nun auch verstärkt Europa ins Visier. Mit Procurri (135 Mio. US-Dollar), Atlantix (120 Mio.) oder Service Express (100 Mio.) haben sie eine beträchtliche Größe erreicht und unterschiedliche Schwerpunkte – sowohl geografisch als auch technologisch.
Anfang des Jahres sorgte aber die Fusion der beiden Marktführer SMS und Curvature für Aufsehen. Entstanden ist der neue Gigant Curvature mit über 500 Millionen US-Dollar Umsatz, 2.000 Angestellten und laut Hersteller 600 Lager- und 100 Prüfstätten weltweit. In den eigenen Testlabors werden Gebrauchtgeräte getestet, konfiguriert und mit einer lebenslangen Garantie ausgestattet, die Professional Services beinhalten neben der Wartung unter anderem Installationen und Umzug von Rechenzentren und vieles mehr. In Deutschland zählen große Telekommunikationsanbieter, Carrier und Automobilzulieferer zu den Kunden. Speicherseitig werden Dienste unter anderem von Dell EMC, Hitachi, HPE, IBM oder NetApp angeboten.
Neben Neuanschaffung oder Wartungsverlängerung beim Originalhersteller scheint sich die Drittanbieterwartung (TPM) zu einer echten Alternative zu entwickeln, zumindest für Teile der Infrastruktur und insbesondere bei heterogenen Multiplattform-Rechenzentren. Curvature ist beispielsweise seit Sommer vergangenen Jahres in Deutschland vertreten. Lesen Sie auch den Kommentar unseres Doc Storage zu Lebenszyklus: Neuanschaffung oder Wartungsvertrag verlängern?.