In der DACH-Region schrumpft der Markt für Managed-Services. Dies zeigt das Analysten- und Beratungshaus ISG zeigt mit seinem vierteljährlich Index zur Entwicklung im Bereich IT-Services. Vieles deutet darauf hin, dass die Zahlen eher eine Delle, als einen Wendepunkt markieren.
»Managed IT Services in DACH auf Schrumpfkurs«, teilt das Analysten- und Beratungshaus Information Services Group (ISG) in seiner aktuellen Pressemitteilung mit. Mit ihr stellt ISG die Zahlen des »EMEA ISG Index« für das zweite Quartal 2022 vor. Demnach hat in Deutschland, Österreich, Schweiz und der Schweiz (»DACH-Region«) der Managed-Services-Markt im zweiten Quartal 2022 nicht nur im Vergleich zum Vorquartal, sondern auch im Jahresvergleich zum zweiten Quartal 2021 nachgegeben. Der Gesamtmarkt in EMEA wuchs gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres um 18 Prozent. Gegenüber dem – starken – ersten Quartal dieses Jahres bedeutet es jedoch ein leichtes Minus von 0,5 Prozent. Der leichte Rückgang gegenüber dem ersten Quartal könnte ISG zufolge die Sorgen angesichts der aktuellen Inflation und anderer ökonomischer Zwänge widerspiegeln.
ISG erhebt für seinen Index den jährlichen Vertragswert (Annual Contract Value, »ACV«). Der ist im Vergleich zum vorangegangenen Quartal (Q1/2022) in der Region um 20 Prozent gesunken. Im Vergleich zum Vorjahresquartal (2. Quartal 2021) hat der ACV des Managed-Services-Marktes sogar um 18 Prozent nachgegeben.
Andrea Spiegelhoff, Partnerin bei ISG in Deutschland, erklärt dazu: »Wir erwarten, dass angesichts der potenziell anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheiten cloudbasierte XaaS (IaaS und SaaS) statt wie zuletzt noch prognostiziert 22 Prozent global nur noch um 18 Prozent im gesamten Jahr 2022 wachsen werden. Die globale Wachstumsprognose für Managed-Services hat ISG für dieses Jahr nun von 5,1 Prozent auf 3,5 Prozent herabgestuft.«
Das lässt aufhorchen: Ist die Goldgräberstimmung bei Managed-Services vorbei? War es doch nur ein Hype wie viele zuvor? Platz da bald eine Blase? Den Zahlen von ISG soll hier nicht ihr Wert abgesprochen werden. Aus der Entwicklung eines Quartals gleich auf eine Trendwende im Markt zu schließen, wäre allerdings verfrüht. Dafür gibt es einige Gründe.
Markt verändert sich gründlich
»Der Managed-Services-Markt befindet sich aktuell und weltweit betrachtet in einer der anhaltend stärksten Nachfrageperioden seiner Geschichte«, relativiert ISG selbst die Aussagekraft der kurzzeitigen Entwicklung in der DACH-Region. Grund dafür, dass sich das Wachstum zuletzt verlangsamt hat, sei vor allem eine sich verschiebende Nachfrage. Auf Infrastruktur-Outsourcing, traditionell das Rückgrat des Managed-Services-Marktes, entfielen 2016 noch 60 Prozent des jährlichen Auftragswertes im IT-Outsourcing. Aktuell sind es noch knapp über 40 Prozent – Tendenz rückläufig. ISG begründet das damit, dass die meisten Unternehmen vom Infrastruktur-Outsourcing zur Verlagerung von Workloads in die Cloud übergegangen sind.
Trotz dieses Rückgangs bei Infrastruktur-Services konnte der gesamte Managed-Services-Markt schon im fünften Quartal in Folge einen Rekord-ACV erzielen. Vor allem Anwendungs- und Engineering-Services sowie branchenspezifisches Business-Process-Outsourcing sind gefragt. »All diese Bereiche lagen zuletzt um mindestens 25 Prozent über ihren Fünfjahresdurchschnittswerten. ISG erwartet, dass es diese Bereiche sind, die das ACV-Wachstum von Managed-Services auch in den kommenden Jahren antreiben«, teilen die Analysten mit.
Ein Grund für den momentanen Rückgang in der DACH-Region könnte also sein, dass sich Unternehmen gerade neu orientieren und dafür etwas Zeit brauchen – bzw. sich angesichts einer insgesamt unsicheren Wirtschaftslage etwas Zeit nehmen.
Markt in EMEA weiter auf Wachstumskurs
Weiter relativiert werden die Zahlen in Deutschland durch den Vergleich mit der Entwicklung in der gesamten Region EMEA. Im zweiten Quartal 2022 hat auf dieser Ebene der jährliche Vertragswert mit Managed-Services und cloudbasierten XaaS einen Wert von 7,5 Milliarden Euro erreicht. Er lag damit zum dritten Mal in Folge über dem einstigen Rekordwert von 6,9 Milliarden Euro.
Weltweit wurden mit Managed-Services und cloud-basierten XaaS ISG zufolge im zweiten Quartal 2022 nahezu 23 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Das sind im Jahresvergleich ein Plus von neun Prozent, allerdings nur sieben Prozent mehr als im Vorquartal. Auf Managed-Services entfielen neun Milliarden. Das ist in Plus von zwei Prozent. Im Vergleich zu den durchschnittlich 16 Prozent der vorhergehenden Quartale ist das natürlich enttäuschend.
Relativiert wird es aber durch den auch bei Rechenzentrumsservices festgestellten Einbruch nach dem pandemiebedingten, außergewöhnlichen Höhenflug. Nicht zuletzt entwickelt sich auch aus globaler Sicht Business Process Outsourcing (BPO) gut. Steve Hall, President ISG EMEA, hält es für gut möglich, dass diese Zahlen die zu erwartende Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte andeuten. Also ein langsameres Wachstum, aber kein Rückgang der Neuverträge.
Was überhaupt gemessen wird
Apropos Neuverträge: Im zweiten Quartal 2022 hat ISG für seinen Index 600 Managed-Service-Verträge registriert. Damit ist es in den Aufzeichnungen der Analysten eines der Quartale mit der höchsten Anzahl an Neuverträgen. Bei einem deutlich langsameren Wachstum des Marltes kann das eigentlich nur bedeuten, dass das durchschnittliche Auftragsvolumen zurückgeht.
Das könnte auch erklären, warum trotz allseits bekundetem hohem Interesse an Managed-Services hierzulande der ISG-Index einen Rückgang ausweist. Denn für seinen Index erfasst ISG nur Verträge mit einem jährlichen Vertragswert von mindestens fünf Millionen US-Dollar (4,9 Millionen Euro). In der stark mittelständisch geprägten DACH-Region dürften damit viele Verträge unter dem Radar der Marktforscher bleiben – insbesondere, wenn die Entwicklung weg von der Komplettvergabe hin zur Vergabe einzelner Geschäftsprozesse geht.
Im Mai 2022 vorgelegte Umfrageergebnisse von Techconsult erhärten diesen Verdacht. Demnach wollen 64 Prozent der Befragten (3.100 IT-Experten) ihre Ausgaben für Managed Services in den nächsten zwölf Monaten erhöhen. Das sind sogar zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. 33 Prozent planen, ihre Budgets für Managed Services unverändert zu lassen. Lediglich drei Prozent der Befragte wollen sie reduzieren.
Dr. Rudolf Aunkofer, Direktor am Institut für Information & Supply Chain Management (iSCM), kommt in seiner Analyse des Marktes zu dem Ergebnis, dass Ausgaben für Services und Cloud-Dienst zwar seit Anfang des Jahres rückläufig sind, dieser Rückgang aber deutlich schwächer ausfällt als der bei klassischer Hardware-Beschaffung oder On-Premises-Software. »Über die letzten 18 Monate ist zudem zu erkennen, dass sich die Schere zwischen beiden Typen von Geschäftsmodellen deutlich geöffnet hat und in Zukunft noch weiter öffnen wird«, meint Aunkofer.
Don´t panic!
Im Licht dieser zusätzlichen Informationen erscheint der von ISG festgestellt Rückgang also weitaus weniger dramatisch. Es scheint vielmehr so, dass die allgemeine Investitionszurückhaltung auch den Markt für Managed-Services trifft, der aber im Vergleich noch gut wegkommt.
Die für die DACH-Region besonders schlecht ausfallenden Zahlen könnten der Meßmethode geschuldet sein. Weltweit ist ein Trend zu mehr Neuverträgen in dem von ISG gemessenen Bereich (über 5 Millionen Dollar) festzustellen und wachst der Markt weiter – zwar langsamer, aber er wächst. Ein Beispiel: Im ersten Quartal 2022 sprang der ACV in der DACH-Region im Vergleich zum Vorquartal um 33 Prozent auf 823 Millionen Dollar. Ein Markt, der drei Monate zuvor noch um 33 Prozent wuchs, ist durchaus lebendig.
Wenn sich in der DACH-Region die Dynamik – auch aufgrund der Hinwendung zu kleinteiligerem BPO – in den Bereich unter der Schwelle von 4,9 Millionen Euro verlagert hat, erfasst ISG ihn zu einem kleineren Teil. Die Aussage wird dann ungenauer.
Da jedoch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in Managed Services grundsätzlich hoch ist, wird sich das Modell behaupten – auch wenn es den einen oder anderen Rückschlag wegstecken muss.
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