Doc Storage antwortet auf das Expertengespräch zur FC-Zukunft

Die Zeit von Fibre-Channel ist doch abgelaufen – Teil 2

Kleiner Schlagabtausch: Doc Storage argumentierte, dass NVMe-over-TCP/RoCE dabei ist Fibre-Channel den Rang abzulaufen. Der Widerspruch kam prompt: Nishant Lodha von Marvell sieht im speicherguide.de-Interview selbstverständlich eine Zukunft für FC. Hier die Antwort von Doc Storage.

Antwort Doc Storage:

Da ich im Vorwort zu diesem Interview namentlich genannt werde, erlaube ich mir eine detaillierte Widerrede zu diesem kürzlich auf speicherguide.de veröffentlichten Interview mit Nishant Lodha von Marvell.

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»… Dabei basieren die Fragen auf Missverständnissen wie zum Beispiel Ethernet ist einfacher zu bedienen und zu verwalten, ist kostengünstiger und hat heute schon eine höhere Bandbreite als Fibre-Channel. …«

Leider sind das keine Missverständnisse mehr. Ethernet ist daher einfacher zu bedienen und zu verwalten, da es eine breite Masse an Personal gibt, welches sich mit Ethernet, dessen Aufbau und Verwaltung auseinandersetzt. Im Gegensatz dazu kann man die heute noch aktiven Experten für Fibre-Channel an wenigen Händen abzählen, und leider lassen sich diese ihr Wissen auch ordentlich vergolden. Es geht also nicht um die simple Verwaltung von FC, wenn man es kann, sondern um die extrem komplexe Lernkurve, wenn man es sich aneignen muss. Und die Preise der Kurse für FC-Verwalter steigen immer weiter, wobei sich kaum noch ein Budget-Verantwortlicher dazu durchringen kann, diese gegenzuzeichnen. Und ja, neben den pauschal niedrigeren Kosten für HBAs, Netzwerkkomponenten, JBICs, Verkabelung und das Personal wartet Ethernet eben doch mit einer höheren Bandbreite auf.

»… Für die Einrichtung von NVMe/TCP sind heute Dutzende von Konfigurationsschritten erforderlich, da keine automatisierte Erkennungstechnologie in das TCP-Protokoll oder in den Ethernet-Switches integriert ist. Skripts müssen vor der Bereitstellung erstellt, getestet und geprüft werden. Viel Arbeit, nur um das Netzwerk so zu konfigurieren, dass Geräte miteinander kommunizieren können. …«

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Ernsthaft? Sollen wir dem einmal alle Schritte entgegenhalten, die selbst geschultes und erfahrenes Fachpersonal über FC und all seine beteiligten Komponenten durchführen muss, bis eine entsprechende Verbindung funktioniert?

»… Im Vergleich dazu wird beim FC-Speichernetzwerk die Nameserver-Technologie seit Jahrzehnten eingesetzt und ist in jeden Switch in der Fabric eingebettet. (…) Dies ist viel einfacher als der Versuch, Ethernet-Netzwerke für die Speicheranbindung zu konfigurieren. …«

Jeder, der sich schon einmal mit dem Aufbau von Nameservern im FC-Netzwerk und deren Verwaltung beschäftigen musste weiß, dass es kaum etwas pflegeintensiveres und vor allem in der Konfiguration Aufwändigeres gibt als das. Natürlich, ich sage auch immer wieder, wenn FC einmal läuft, dann läuft es zuverlässig und wartungsarm. Aber bis man es so weit hat, hat so mancher schon seine Kopfbehaarung verloren.

»… Wenn es um die Kosten geht, wissen viele Leute nicht, dass FC-HBAs mit optischen Transceivern ausgeliefert werden, und Ethernet-NICs nicht. …«

Ja und? Ethernet wird trotzdem, und vom Interviewpartner unwidersprochen, mit 100 und sogar 200 Gbit Bandbreite ausgeliefert. Dabei geht es nicht wie von ihm betont lediglich um die Kopplung mit den Speichersystemen selbst, sondern auch und vor allem um die Kopplung zwischen den Aktivkomponenten. Was habe ich von 64 Gbit FC (welches ehrlicherweise von einem nur sehr geringen Anteil der Anbieter überhaupt angeboten wird), wenn ich beispielsweise zehn Server mit jeweils zwei HBAs über einen Switch oder Director mit mehreren Speichersystemen koppeln möchte? Dann benötige ich ehrlicherweise fast die dreifache Anzahl an Kopplungen, um dieselbe Bandbreite bereitzustellen. Da ist es letztendlich auch egal, ob die HBAs nun optisch sind oder nicht. Unverschämt teuer bleiben sie allemal, vor allem, wenn man sich Geräte mit 32 und gar 64 Gbit Bandbreite anschaut. Wenn es die für den jeweiligen Bedarf überhaupt gibt.

»… Das ist nur ein Teil der Gesamtlösung. Verkabelungs- und Switching-Infrastrukturkosten müssen auch einbezogen werden, und dann hat eine Ethernet-Konfiguration nur geringfügig niedrigere Kosten als FC. …«

Hier wird wieder zur Seite geschoben, dass in breit ausgebauten Ethernet-Infrastrukturen gar keine getrennte Verkabelung und auch keine separaten Netzwerksysteme wie Switches oder Direktoren vonnöten sind. Und in wie vielen Rechenzentren haben wir (nach dem Rausziehen der vielen Parallelkabel für die Mainframe-Kupplung) inzwischen damit angefangen, kilometerweise optische Kabel zu entfernen, weil die wegen den Umstieges auf Ethernet nicht mehr gebraucht werden?

»… FC basiert auf einer »Offload«-Architektur, was bedeutet, dass das Netzwerkprotokoll auf dedizierten ASICs im HBA ausgeführt wird. Im Vergleich zu TCP werden dadurch die benötigten CPU-Rechenleistungen auf ein Minimum reduziert. Für bestimmte unternehmensweite Anwendungen wird dadurch die Anzahl der benötigten CPU-Cores reduziert. …«

Die meisten, wenn nicht alle ernsthaft betriebenen Server verfügen heute über redundant ausgelegte RDMA-Ethernet-Adapter, die sehr wohl die Rechenleistung von der CPU fernhalten. Ebenfalls ein Argument aus den Urzeiten der DV, als es noch darum ging, den Kunden iSCSI auszureden. Die Welt hat sich geändert. Drastisch. Auch hier.

»… Zusammenfassend kann man sagen, dass die Wahl des Protokolls für die Server-/Speicher-Anbindung immer von den Kundenanforderungen abhängt. Benötigt der Kunde zusätzlich zur herkömmlichen Blockspeicher-Technologie auch Datei- oder Objektbezogene Speicherung, ist Ethernet die einzige Wahl (FC unterstützt nur Blockspeicher). Wenn die Hauptanforderung niedrige Kosten ist, wobei Zuverlässigkeit, Leistung und Skalierbarkeit weiter unten auf der Prioritätenliste stehen, dann ist NVMe/TCP eine gute Wahl. Verwendet der Kunde jedoch Blockspeicher und sucht nach sicherer, zuverlässiger, hoher und vorhersehbarer Zugriffsleistung, die dazu noch relativ einfach zu konfigurieren und zu verwalten ist, dann ist FC mit Abstand die beste Wahl. …«

Endlich wird ausgesprochen, was im gesamten Interview bisher gemieden wurde: Fibre-Channel ist unflexibel, da nur für einen einzigen Zweck entwickelt. Die Kunden draußen haben aber nicht mehr nur Blockspeicher, mir ist zumindest keiner bekannt, der nur noch solchen betreibt. Und sobald auch andere Systeme mit angebunden werden sollen, ist Fibre-Channel eben raus aus der Kalkulation und nur noch ein unnützer Klotz am Bein, mit Kostentreibern bei Technik, Umsetzung und Personal. Nochmal – kein Kunde verwendet nur noch Blockspeicher.

»… Der Umsatz für den gesamten FC-SAN-Markt (FC-Switches + FC-Adapter) stieg im 1Q22 das vierte Quartal in Folge und stieg im Jahresvergleich um elf Prozent auf 613 Millionen US-Dollar bei sechs Prozent mehr FC Ports von 1,82 Millionen. …«

Hier verkaufen uns die »Analysten« also ganz offen Preissteigerungen als Mehrumsatz. Während die Anzahl der FC-Ports nur um sechs Prozent zugenommen hat, stiegt der daraus erzielte Umsatz um fast das doppelte. Reife Leistung!

»… Aus meiner Sicht wird weiterhin sehr viel in die FC-Infrastruktur investiert, und wenn mir meine Erfahrung eines sagt – dann ist es, dass die Kunden nicht einfach eine Sache komplett aufgeben und mit etwas ganz Neuem wieder anfangen. Fibre Channel erweist sich bezüglich Veränderungen in der Speichernetzwerk Technologie als »sehr träge«. …«

Natürlich geben Kunden eine solche Technik nicht einfach auf, wenn sie einmal sechs- oder siebenstellige Summen in Infrastruktur und Fortbildung investiert haben. Allerdings wird man wie bereits angeführt nur noch Bestandskunden bedienen und keine neuen mehr gewinnen. Die Statistik würde ich gern einmal sehe, wie viele von den sechs Prozent mehr FC-Ports denn an Neukunden ausgeliefert wurden.

»… Das Fibre-Channel-Gremium ist gerade in den letzten Zügen, um den 128GFC-Standard zu verabschieden. Bis Ende des Jahres erwarte ich, dass sie mit der Arbeit am 256GFC-Standard beginnen und dies bis 2025 erledigt haben. …«

Dann ist ja noch Hoffnung. Allerdings reichen die für in drei Jahren angekündigten 256 Gbit bei weitem nicht an die bereits fertigen 400 Gbit und die geplanten 800 Gbit und 1,6 Tbit heran. Und viele Hersteller müssen sich erst einmal an ihre 64 Gbit-Technologie machen, bevor sie noch weitere Schritte in Richtung noch mehr Bandbreite wagen.

»… 32GFC gibt es seit drei Jahren und auf der Server-Seite sehen wir erst jetzt, dass 32GFC die frühere 16GFC-Technologie in Bezug auf Anzahl verkaufter Ports übertrifft. Diese langsame Migration auf die höhere Geschwindigkeit liegt vor allem an der Verfügbarkeit von Enterprise-Storage-Arrays mit 32GFC. …«

Nein, die langsame Migration liegt vor allem daran, dass die Rechenzentren sich heute keine sechs- oder siebenstelligen Investitionen in neue Speichertechniken mehr leisten können wie vor 25 oder noch vor 20 Jahren. Und da viele Hersteller 64 Gbit zwar lange angekündigt, aber nur sehr schmal und wenn dann zu horrenden Preisen im Angebot haben, wird das auch noch auf lange Sicht so bleiben.

»… Dieser Erfolg ist beispiellos und mit den Innovationen rund um FC-NVMe, Congestion-Mitigation und VM-Tracking erwarte ich, dass Fibre-Channel weiterhin die erste Wahl für geschäftskritische Anwendungen sein wird. …«

Ja, mag sein, aber wir wollen doch zwei Dinge nicht vergessen: a) wer heute keine FC-Infrastruktur hat, wird sich keine anschaffen, allein schon weder der Investitionen in separate Hardware und die Schulung des Personals, und b) sollte jemand eine FC-Infrastruktur betreiben, dann auch nur noch so lange, bis diese abgeschrieben ist und durch allgemein nutzbare Technologien ersetzt werden kann. Oder eben, bis der letzte Beschäftigte mit FC-Kenntnissen in Rente gegangen ist.

So, und jetzt dürfen wieder alle FC-Jünger über mich herfallen. Aber nicht vergessen – ich liebe FC, ich habe FC immer gern genutzt und gebaut, allerdings hat alles seine Zeit. Und die Zeit für FC ist nun mal gekommen, selbst wenn die Hersteller proprietärer Technik immer noch ein anderes Lied singen.

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Gruß
Doc Storage

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