Backup und Recovery können gar nicht schnell genug sein. Mittlerweile gibt es auch die ersten NVMe-Backup-Appliances. Doch, kommen die Vorzüge von NVMe in einer Backup-Appliance überhaupt zum Tragen? Zumal NVMe ja doch noch teurer ist, als Standard-SSDs.
Leserfrage: Ja, Backups können gar nicht schnell genug sein. Recoverys sollten sogar noch rascher von statten gehen. Deswegen ist es gar nicht unvernünftig, Backup-Server bzw. -Appliances mit SSDs zu bestücken. Nun flattert eine Werbung ins Postfach, die eine All-NVMe-Backup-Appliance propagiert. Ist das sinnvoll? Kommen die Vorzüge von NVMe in einer Backup-Appliance überhaupt zum Tragen? Zumal NVMe ja doch noch teurer ist, als Standard-SSDs. Oder gibt es Konfigurationen und Anwendungsfälle, die dafür prädestiniert sind?
Antwort Doc Storage:
Wir nutzen SSD- und NVMe-Speicher bereits in beschränktem Umfang für Datenbankrechner (physisch oder virtuell) und für generell alle möglichen Lasten, bei denen die deutlichen Vorteile besserer Speicherleistung die Einschränkung von Hochverfügbarkeit überwiegen (Clustering, Live-Migration). In diesem Zusammenhang haben wir Festspeicher auch als Backup-Ziele getestet.
Betrachtet man ihren immer weiter fallenden Preis und stellt man dem die zu lösenden Herausforderungen gegenüber, sind die Vorteile von SSDs, aber auch von NVMe enorm. Ein beispielhaftes Umfeld wäre der Betrieb einer Entwicklungs-Umgebung, ein Windows Server mit komplexem Hypervisor auf einem NVMe mit zehn oder mehr virtuellen Maschinen für Active-Directory, Internet-Server, Middleware und Datenbank(en).
In den letzten Monaten hat sich der Preis vor allem für NVMe-Speicher nun so entwickelt, dass diese auch als leistungsstarke Backup-Ziele in Frage kommen. Was vor einem Jahr noch als eine verrückte Idee für überfinanzierte Labore galt, wird nun mehr und mehr eine echte Alternative in Hochleistungs-Umgebungen.
Zur Not können natürlich auch die preiswertesten SATA-SSDs mit hoher Kapazität ein gutes, leistungsfähiges Backup-Ziel darstellen. Allerdings haben diese normalen SSDs mit den Beschränkungen von SATA selbst zu kämpfen, also dem aktuellen 12- bzw. 6-Gbit-Bus. Darüber hinaus werden brauchbare Controller benötigt, die zu zusätzlichen nicht vernachlässigbaren Kosten führen. Daneben ist SATA nicht die erste Wahl für parallele Lasten mit hohem Durchsatz. Man könnte auf SAS umsteigen, um die Limitierungen von SATA zu umgehen, allerdings steigen dann die Kosten entsprechend.
Stellt man Kosten der gebotenen Leistung gegenüber, wird PCIe durch keine andere momentan verfügbare Technik überboten. Natürlich schränken die schieren Speichergrößen der momentan im Handel befindlichen NVMe-Medien deren Einsatz für große Datenmengen noch ein, allerdings trifft dies nicht für den größten Teil der Installationen zu. Suchen wir also nach dem Anwendungsfall, bei dem wir eine unübertroffene Leistung bei einem mittleren Datenvolumen benötigen.
Für Backups mit hohen Schreibraten ist NVMe die Alternative
Viele Leser werden nun antworten, dass ich nicht mehr alle beisammen habe, so viel Geld für Backup-Speicher auszugeben. Nun, ich hoffe, mir geht es noch gut. Alle Kritiker müssen die Anforderungen des spezifischen Anwendungsfalls und die Wirtschaftlichkeit der Lösung berücksichtigen. Für ein Unternehmen zum Beispiel, das sagen wir alle zehn Minuten eine Reihe von virtuellen Maschinen sichern muss und im Gegenzug zwölf bis 24 Wiederherstellungspunkte auf NVMe-Medien aufbewahren muss, kann dies eine sehr kostengünstige Lösung sein. Sollte die Schreibrate in den virtuellen Maschinen gering sein, ist die zu sichernde Datenmenge ab dem zweiten, dann inkrementellen Backup, minimal. Somit spielt die Leistungsfähigkeit des Backup-Zieles keine große Rolle. Hat man allerdings größere VMs mit hohen Schreibraten im System, und sollen wohlmöglich noch mehrere Jobs gleichzeitig laufen, kann dies bei herkömmlichen Konfigurationen schnell zum Problem werden. Diese Nutzer führen höchstwahrscheinlich schon diese Sicherungen auf hochverfügbaren, gemeinsam genutzten »Tier-1«-Speicher aus. Und dessen Kosten überschreitet diejenigen von NVMe-Speicher bei weitem.
Wenn man beispielsweise Scale-Out-Systeme mit einer entsprechenden Backup-Software inklusive Replikation. Legt man nun eine oder zwei NVMe-Speicher auf jedem Knoten ab, ermöglicht dies im bestehenden Setup 6 bis 8 TByte Kapazität mit nicht zu überbietender Leistung. In den meisten dieser Konfigurationen erhält man alle anderen Hardware-Ressourcen relativ kostengünstig, wenn man die Hypervisoren »recycelt«. Prozessorkerne, Hauptspeicher und Bandbreite sind also ohne weitere Investitionen in neue Hardware mehr als ausreichend vorhanden. Auch die Anschaffung von High-Density-Kits wird die Kosten eines solchen Projektes nicht sprengen. Es ist also alles andere als ungewöhnlich, dieses Setup zu testen. Die Preise hierfür werden auf jeden Fall nicht steigen, die Leistung dafür aber mit Sicherheit nicht sinken. Suchen Sie einfach bei einem Anbieter nach den günstigsten Preisen für NVMe-Speicher, beispielsweise der Intel 750-Serie mit 1,2 TByte Kapazität.
Für NVMe sprechen IOPS und Durchsatz
Momentan wird man noch nicht viele kaufen. Man baut einfach eines oder zwei Laufwerke in einen oder mehrere Backup-Server ein, um ein leistungsstarkes System bereitzustellen. NVMe-Speicher bieten überlegene IOPS und Durchsatz bei sehr niedrigen Antwortzeiten. Einmal abgenutzt (und das muss man erst einmal schaffen), sind sie schon jetzt preiswert genug, um sie gegen neue auszutauschen. Sie bieten höchste Leistungen bei gleichzeitiger Nutzung, in mehreren Sitzungen und hoher Last. Die massiven I/O-Queues lassen machen sie zum Medium der Wahl in den meisten Servern. Das gleichzeitige und wiederkehrende Sichern vieler verschiedener Hypervisoren (geclustert oder nicht) über den Tag hinweg ist also ein Anwendungsfall, für den sie absolut geeignet sind.
Auch für größere Datenmengen und Enterprise-Umfeld gibt es entsprechende Lösungen. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei allen um dieselbe Technologie, mit gewissen Feinabstimmungen entweder für Server oder Arbeitsstationen. Aber selbst hier werden die meisten Anwender die wirkliche Leistungsfähigkeit noch nicht erkennen. Benötigt das Setup Redundanz über die lokalen NVMe-Speicher, gibt es auch hier einige Optionen. Sie können über Storage Spaces redundant gemacht werden, oder eben über klassische RAID-Gruppen.
NVMe: Der Anwendungsfall muss stimmen
Was wird das nun kosten? Nimmt man an, es werden 2 TByte Speicher im Backup-Ziel für die geschäftskritischen, stets aktiven virtuellen Maschinen benötigt. Für einige hundert Euro gibt es diesen Speicher als NVMe von verschiedenen Herstellern. Heute ist dies zwar noch nicht die Technik, um eine Enterprise-Lösung mit mehreren Hundert TByte aufzubauen. Findet man allerdings aus den richtigen Gründen am richtigen Ort den richtigen Anwendungsfall, ist NVMe eine gute Lösung. Natürlich ist dies nicht die preiswerteste Lösung, aber es ist die absolut beste, wenn es um den höchstmöglichen Durchsatz geht, oder noch besser, vor allem dann, wenn dieser Zielspeicher mehreren gleichzeitigen Backups aus mehreren Quellen zur Verfügung stehen soll. Hier ist NVMe schneller als alles, was heute sonst verfügbar ist. Die eigentliche Herausforderung besteht dann darin, dass CPU, Bus, Speicher und andere mithalten und die Kombination aus Betriebssystem Backup-Software in der Lage ist das zu liefern, was der NVMe-Speicher verarbeiten kann. Im Vergleich zu den OEM-Preisen für Enterprise-SAS-SSDs sind die Preise dann immer noch angemessen.
Dramatischer ist noch der Vergleich mit Standard-SSDs. Der Anwender kann mit relativ geringen Kosten testen, ob diese Lösung für ihn funktioniert, darüber hinaus Erfahrungen sammeln (beispielsweise die Engpässe im Aufbau finden) und ein hervorragendes Ergebnis für die meisten Lasten liefern. Mit einer geeigneten Software lassen sich Backups fein abstimmen, sogar eine Drosselung auf Basis der Antwortzeiten des Quellspeichers ist möglich. Damit werden auch die primären Lasten nicht beeinflusst.
Aber, keiner sollte jetzt zu seinem Vorgesetzten gehen und ihm sagen, dass da jemand im Internet geschrieben hat, NVMe-Backup-Speicher zu implementieren. Es bedarf eines genauen Anwendungsfalles. Und man muss bereit sein zu testen. Lange, und sehr genau.
Selbst mit den bisher veröffentlichten NVMe-Fabric-Spezifikationen haben wir heute noch nicht viele NVMe-JBODs, die als Standardkomponenten angeboten werden. Allerdings sind diese seit längerem in Masse angekündigt. Es stehen interessante Zeiten bevor und es lohnt sich die die Entwicklungen rund um NVMe vor allem nach dem tiefen Corona-Tal genau im Auge behalten. Bis dahin sollte man handelsübliche SSDs nutzen, um Backups von VMs schneller zu machen. Wenn dann Geschwindigkeit und kurzfristige Auffrischung dieser Backups ein Thema werden, fügt man dem Zielt einfach eine oder mehrere NVMe-Speicher hinzu. Langzeit-Backups können weiterhin auf anderen Zielen landen, rotierenden Platten beispielsweise.
3D-NAND-Speichern verändern die Sicht auf Disk-Arrays
Darüber hinaus wird die Verfügbarkeit von größeren 3D-NAND-Speichern die Sicht auf plattenbasierte Speicherlösungen mit hoher Kapazität drastisch verändern. Diese Festspeicher in kleinen Formfaktoren bieten enorme Möglichkeiten, hohe Kapazität und Leistung in kleinen Bausteinen bereitzustellen, wodurch sich die Energie- und Klimabilanz noch einmal erheblich verbessern sollte. Einen halben oder gar einen vollen Schrank mit 3- bis 6-TByte- oder noch größeren Platten zu benötigen, um sowohl Kapazität als auch IOPS bereitzustellen, erscheint angesichts der Gesamtbetriebskosten über fünf Jahre im Vergleich zu zwei Festplattenschächten mit 7,5 oder 15 TByte SSDs nicht mehr ganz so attraktiv. In Zukunft, mit immer größeren SSDs und kontinuierlich sinkenden Preisen, werden immer größere SSDs den Großteil unseres Speichers liefern, und NVMe für die wirklich anspruchsvollen Lasten reserviert sein.
Gruß
Doc Storage
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