Mircosoft: Deutschlandzentrale in München. Amazon: Deutschlandzentrale in München. Google: mit Abstand größter deutscher Standort und Ausbau in München. Apple: massiver Ausbau in München. Die Präsenz der vier größten Tech-Konzerne der Welt in Deutschland spricht eine relativ deutliche Sprache.
Die bayerische Landeshauptstadt ist ein Hotspot für die IT-Branche. Berlins Start-up-Szene mag hipper und aktiver sein, und der größte deutsche Softwarekonzern, SAP, im baden-württembergischen Walldorf sitzen, doch München zieht die Branche an.
2018 war die IT-Branche in München für 8 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Jobs verantwortlich, wie aus einer Studie der Stadt und der Industrie- und Handelskammer (IHK) hervorgeht. Das ist weit mehr als in anderen deutschen Metropolregionen. Berlin, Hamburg, das Rhein-Main-Gebiet kommen allesamt nur auf Werte zwischen 5,1 und 5,5 Prozent.
Aber warum sammelt sich die IT-Branche in München? Das gängige Klischee, dass München – und auch andere Teile Bayerns – die hoch qualifizierten IT-Kräfte anziehen, weil es unter dem weißblauen Himmel einfach so schön ist, mag dabei seinen Anteil haben, doch letztlich greift es zu kurz. Vielmehr ist die Ballung Ergebnis einer langen Entwicklung: «Der IT-Standort München hat eine lange Tradition, nicht zuletzt durch Siemens», sagt Florian Nöll, Leiter Digital Ecosystems bei PwC. «Später kamen dann die Schlagworte von Laptop und Lederhose und dem Isar Valley.» Das ist vor allem deswegen wichtig, weil IT-Unternehmen weitere IT-Unternehmen anziehen, wie Nöll erklärt. «Eine gewisse kritische Masse ist erfolgsentscheidend», sagt er. «Wenn viele gute Unternehmen an einem Platz sind, dann befruchten sie sich gegenseitig.»
«Das Silicon Valley und San Francisco sind nicht die Orte mit dem besten Wetter, nicht mit der besten Oper und auch nicht die der besonders günstigen Immobilienpreise. Und doch versammeln sich hier die IT-Spezialisten und Tech-Firmen», sagt Nöll. Hohe Preise oder gegenseitige Konkurrenz um die besten Köpfe bremsen die Entwicklung dagegen eher nicht aus. Zumal die hohen Münchner Preise im Vergleich zu denen in anderen internationalen Metropolen gar nicht mehr so hoch wirken und die Fachkräfte in der IT- und Tech-Branche oft international mobil sind.
Letztlich ist es ein sich selbst verstärkender Prozess: Die IT-Talente zieht es dorthin, wo die Unternehmen sind, und die Unternehmen dorthin, wo die IT-Spezialisten sind. «Wir finden hier Talente, die wir anderswo nicht finden würden», sagte Apple-Chef Tim Cook jüngst der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» über München.
Eine gewichtige Rolle spielen dabei Universitäten und Forschungseinrichtungen. «Was um München herum sehr gut gelungen ist – und das ist auch ein Verdienst der TU München – ist, Exzellenz für Hochtechnologiegründungen zu schaffen», sagt Nöll. Die mögen nicht immer IT-Firmen sein, doch in vielen spielt die IT eine große Rolle.
Und am Ende hilft auch die weltweite Bekanntheit Münchens – und sei es nur durch das Oktoberfest. «Das kann den Unterschied zu Köln oder Hamburg machen», sagt Nöll. Es ist kein Wunder, dass das internationale Start-up-Festival Bits & Pretzels, das in der Vergangenheit auch schon Redner wie Barack Obama oder Milliardär Richard Branson anlocken konnte, ausgerechnet zur Oktoberfestzeit stattfindet. Jüngst hat der Veranstalter zusammen mit einer Münchner Softwarefirma angekündigt, einen Software- und Eventdienstleister für virtuelle Veranstaltungen aufbauen zu wollen, die Entwicklung geht also auch in Corona-Zeiten weiter.
Für die bayerische Wirtschaft ist die IT-Branche auch über die Jobs hinaus wichtig. Denn die Digitalisierung der Wirtschaft ist ein entscheidender Wachstumstreiber. «Die digitale Wertschöpfung ist in Bayern zwischen 2016 und 2018 von knapp 42 Milliarden Euro auf 65 Milliarden Euro gestiegen», sagt der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt. Und das Wachstum wird weitergehen, denn auch in Produkten wie Autos steigt der IT-Anteil. Bis 2023 werde der Umsatzanteil, den die Unternehmen in Bayern mit digitalen Produkten und Dienstleistungen machen, auf gut 30 Prozent steigen. 2018 lag er noch bei 20,1 Prozent.
Und anders als bei manchen Branchen ist die Corona-Pandemie hier kein großer Bremser, sondern verleiht der Digitalisierung laut Brossardt sogar weiteren Schub. Am Ende könnte Bayerns Stärke im IT-Bereich auch dabei helfen, dass der Freistaat gut aus der Corona-Krise kommt.
dpa