Der Beziehungsstatus lautet gerade wohl: «Es ist kompliziert». In Deutschland verfolgte man tagelang einen Streit zwischen der australischen Regierung und Facebook. Man fragt sich: Wird sich die Bundesregierung demnächst auch so mit dem weltgrößten sozialen Netzwerk oder dem Suchmaschinen-Betreiber Google zoffen?
Facebook hatte journalistische Inhalte auf seiner Plattform gesperrt, um gegen ein geplantes Mediengesetz zu protestieren. Der Zeitungsverlegerverband BDZV in Deutschland wertete das Ganze so: «Facebook zeigt sein wahres Gesicht: Auf die Marktmacht folgt jetzt die politische Macht».
Das Gesetz in Australien würde Facebook und Google verpflichten, Verlage an den Werbeeinnahmen zu beteiligen, die sie in Verbindung mit dem Präsentieren journalistischer Verlagsinhalte generieren. Die Eskalation hatte Züge von einem Rosenkrieg, bei dem jeder schon mal seine Folterinstrumente zeigte. Jetzt will man sich offensichtlich doch irgendwie auf einen Kompromiss einigen. Der Senat in Canberra verabschiedete am Mittwoch das Gesetz.
Für Europa ist die Gemengelage wegen der unterschiedlichen Rechtslage nicht eins zu eins vergleichbar und hat doch auch hierzulande die Debatte angeheizt. Europäische Verleger haben sich unter dem Eindruck des Krachs in einer ungewöhnlichen Allianz mit Google-Konkurrent Microsoft zusammengeschlossen. Sie wollen dafür kämpfen, dass sich Europa und Deutschland ein Beispiel an Australien nehmen. Es geht um einen Schiedsgericht-Mechanismus zwischen Verlagen und Plattformen bei strittigen Zahlungen für Verlagsinhalte im Netz. Dieser soll langwierige ungeklärte Prozessen und Hängepartien vermeiden.
Am 24. März wollen sich auch die Mitglieder des Bundestagsausschusses Digitale Agenda einen Überblick zur Lage in Australien und den Streit mit Facebook sowie die Einigungspläne machen, wie der digitalpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tankred Schipanski (CDU), der Deutschen Presse-Agentur sagte. Dazu werde ein Vertreter der australischen Botschaft eingeladen.
«Die australische Debatte ist interessant, vor allem mit Blick auf das Streitschlichtungsmodell», erklärte Schipanski. Es sei zu überlegen, ob ein solches Modell auch für Europa eine Option sein könne. Auch die Vorsitzende im Kulturausschuss des EU-Parlaments, Sabine Verheyen, betonte in einem dpa-Gespräch, dass man die Debatte in Australien – auch mit Blick auf mögliche Schlüsse für Europa – weiter beobachten wolle.
Nicht nur in Australien, sondern auch in Europa und in Deutschland verspüren die großen US-Plattformen schon länger Gegenwind. Die Kritik von Verlagen und aus der Politik hindert allerdings die Menschen nicht daran, Facebook, Google und Co. intensiver zu nutzen als jemals zuvor.
In der EU gibt es Bestrebungen, Plattformen im Netz verstärkt zu regulieren. Desinformation, Hassrede und Wettbewerbsbedenken haben das befeuert. Mit neuen Regeln und der Androhung von Milliardenstrafen soll die Marktmacht von Internet-Giganten begrenzt werden. Das Gesetz für digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) befasst sich mit den wettbewerbsrechtlichen Aspekten. Das Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) geht gesellschaftliche Fragen an.
Das Bundesjustizministerium teilte auf dpa-Anfrage mit, dass der Vorstoß der Verleger zum Schlichtungsmechanismus im Kontext des «Digital Markets Act» diskutiert werden könnte. «Dabei ist klarzustellen, dass es sich in der Sache nicht um eine «Schlichtung» im allgemeinen Sinne handelt, da eine solche vom Grundsatz der Freiwilligkeit gekennzeichnet ist. Vorliegend wird jedoch eine staatliche Vergütungsfestsetzung in einem nicht funktionierenden Markt angestrebt.»
Im Bundestag steht demnächst die Urheberrechts-Reform an, die das Bundeskabinett Anfang Februar beschlossen hatte. In dem Paket wurden auch Leistungsschutzrechte für Verlage festgelegt. Deutschland setzt damit verabschiedete EU-Urheberrechts-Richtlinien um, die Frist läuft im Juni ab. Für Verlage heißt das, dass sie einen Anspruch auf Vergütung haben, wenn Plattformen Verlagsinhalte veröffentlichen.
Das Bundesjustizministerium stellt dazu fest: «Es gibt Presseverlegern das Recht, Nutzungen zu erlauben oder zu verbieten. Es verpflichtet aber für sich genommen niemanden, entsprechende Lizenzen zu erwerben, Inhalte zu nutzen und diese zu vergüten.»
Facebook beharrt in Deutschland – wie in Australien – darauf, nicht zu einem Vertragsabschluss mit den Verlagen gezwungen zu werden. «Der Verweis auf eine «Verpflichtung» zum Abschluss eines Vertrages sollte gestrichen werden», heißt es in einer Stellungnahme des Konzerns zu dem Gesetzesentwurf. Nach der EU-Richtlinie reiche es aus, wenn sich die Plattform um den Abschluss eines Vertrages mit dem Rechteinhaber bemühe. «Ob der Diensteanbieter diesen Vertrag aber abschließt und, wenn ja, zu welchen Konditionen, ist in der Richtlinie gerade nicht vorgegeben.»
Man habe Bedenken, erklärt Facebook, dass der aktuelle Gesetzentwurf in Deutschland die Zusammenarbeit mit Rechteinhabern einschränken und die Kreativität im Internet begrenzen werde. «Der Beitrag, den wir durch unsere Produkte, unsere Partnerschaften und Lizenzen für Inhalte in den Bereichen Unterhaltung, Musik, Nachrichten, Sport, Spiele und anderen Medien erbringen beläuft sich weltweit auf mehr als drei Milliarden US-Dollar pro Jahr.»
Ein früheres Presseleistungsschutzrecht in Deutschland war wegen eines Formfehlers vom Europäischen Gerichtshof gekippt worden. In der Zwischenzeit hat Google aber auch schon mit bestimmten Verlagen individuelle Lösungen vereinbart. Damit hat sich das Unternehmen die Rechte gesichert, Verlagsinhalte nicht nur als kurzes «Snippet» – also als Anreißer – im «Google News Showcase» (Nachrichtenbereich) zu präsentieren, sondern vollständige Artikel oder Videos.
Facebook verfolgt mit «Facebook News» einen ähnlichen Ansatz, ist damit aber nur in den USA und Großbritannien online. Allerdings will das Netzwerk auch in Deutschland mit Verlagen zusammenarbeiten, um Nachrichteninhalte in einem eigenen Bereich zu präsentieren. «In den kommenden Monaten» soll es losgehen.
Mit ihren Umarmungsbemühungen können Google und Facebook längst nicht bei allen Verlagen landen. Insbesondere die durch die Verwertungsgesellschaft Corint Media (ehemals VG Media) vertretenen Verlage halten die Offerte für nicht fair und setzen sich für eine strikte staatliche Regulierung ein. Es bleibt also kompliziert.
dpa