Für einen Urlaub hatte Microsoft-Gründer Bill Gates im Herbst 1993 eigentlich keine Zeit. Die Entwicklung des umwälzend neuen Betriebssystems Windows 95 lief auf Hochtouren und forderte seine ganze Aufmerksamkeit. Allerdings hatte Gates damals einen triftigen privaten Grund – er war frisch verlobt. Das Paar wollte dies auf einer Safari-Tour in Ostafrika mit Freunden feiern.
Doch dieser Trip sollte Gates und seiner Partnerin Melinda die Augen für ganz andere Herausforderungen öffnen.
«Unsere Zeit in Ostafrika war unsere erste wirkliche Begegnung mit extremer Armut», erinnerte sich Melinda Gates 25 Jahre später in einem Blogeintrag. «Es war sowohl augenöffnend als auch herzzerreißend.» Bevor das Paar wieder in die USA zurückflog, machten die beiden einen langen Spaziergang an einem Strand in Sansibar. «Wir führten das Gespräch, das am Ende unser Leben verändern sollte.» Sie waren sich vorher schon einig gewesen, den Großteil des mit Microsoft erworbenen Vermögens zu verschenken. «Wir waren uns aber nicht sicher, wie wir das machen sollen. Jetzt hatten wir ein Gefühl für das Ziel – und die Dringlichkeit.»
Kurz nach der Ostafrika-Reise gründete der Software-Unternehmer die William H. Gates Foundation, die zunächst von seinem Vater geführt wurde und sechs Jahre später in der Bill & Melinda Gates Foundation aufging. Seit einer Reise nach Indien 1994 propagierte er Polio-Schutzimpfungen, um die Kinderlähmung auszurotten.
Die Gates-Stiftung beschäftigt sich mit drei Schwerpunkten. Im Bereich Gesundheit fördert sie die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen und deren Verbreitung. Um den Hunger in der Welt zu bekämpfen, kümmert sich die Stiftung auch den Bereich Landwirtschaft. Sie will produktive Pflanzen erforschen lassen und Landwirte unterstützen, vor allem in Afrika. Außerdem engagiert sich die Stiftung in Bildungsprogrammen für Jugendliche in den USA.
Gates wurde am 28. Oktober 1955 als Sohn einer Lehrerin und eines wohlhabenden Rechtsanwaltes geboren. In der Grundschule beeindruckte er seine Lehrer vor allem in Mathematik und Naturwissenschaften. In der achten Klasse verschaffte er sich Zugang zu einem Fernschreiber des Typs ASR-33, mit dem die Schüler bei General Electric Computerzeit nutzen konnten. Dort schrieb er die ersten BASIC-Programme.
Aus der jugendlichen Schwärmerei für Technik heraus entwickelte Bill Gates eine Leidenschaft und Hartnäckigkeit, die seinen Lebensweg prägen sollten. Außer ihm hat vermutlich nur Apple-Mitbegründer Steve Jobs so früh daran geglaubt und so entschlossen daran gearbeitet, dass Computer einmal von jedermann genutzt werden können. Das konnten sich Anfang der 70-er Jahre nur wenige Menschen vorstellen.
1975 brach Gates sein Harvard-Studium ab, um mit seinem Freund Paul Allen das Unternehmen Microsoft aufzubauen. In diesen Anfangstagen der IT-Industrie entwickelte er das Konzept «A computer on every desk and in every home» (Ein Computer auf jedem Schreibtisch und jedem Haushalt). Bei der Umsetzung seiner Vision hatte er auch Glück: Eher per Zufall erhielt er 1980 den Auftrag, ein Betriebssystem für den ersten Personal Computer von IBM zu liefern. Diese Software besaß er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, sondern musste sie schnell bei einem Bekannten zukaufen. Gates bewies mit dem Deal nicht nur technische Weitsicht, sondern dass er auch clever verhandeln konnte. Er rang seinen Vertragspartnern bei IBM das Recht ab, dass Microsoft das System auch an andere PC-Hersteller verkaufen durfte.
Mit dem Betriebssystem DOS legte Gates nicht nur den Grundstein für den überragenden Erfolg von Microsoft und seines persönlichen Vermögens, sondern begründete die Software-Industrie. Mit dem Büroprogrammpaket Office und dem Betriebssystem Windows trieb Microsoft das Personal Computing weiter voran. Das Unternehmen stieg zu einem übergroßen Software-Imperium auf, Gates wurde dank seiner Microsoft-Aktien später der reichste Mensch der Welt.
In seiner aktiven Zeit an der Spitze von Microsoft schreckte Gates nicht davor zurück, die Marktmacht seines Unternehmens mit spitzen Ellbogen auszudehnen. So zettelte er 1995 den «Browser-Krieg» gegen Netscape an, nachdem Microsoft Anfang der neunziger Jahre die Bedeutung des Internets zunächst verschlafen hatte. Mit dem eng zusammengeschnürten Paket aus Windows und Internet Explorer wurde Netscape vom Markt gedrängt. Die damalige US-Justizministerin Janet Reno klagte: «Microsoft nutzt sein Monopol auf ungesetzliche Weise, um seine Alleinherrschaft zu verteidigen und zu erweitern.»
In dieser Zeit tauchte bei Microsoft-Kritikern auch erstmals der Slogan «Gib Gates keine Chance» auf – angelehnt an eine Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus den 80er-Jahren («Gib Aids keine Chance»). Die Parole dient inzwischen Impfgegnern und Verschwörungserzählern, den Großspender zu verunglimpfen.
Gates beschloss nach der Jahrtausendwende, sich schrittweise bei Microsoft zurückzuziehen. Im Januar 2000 trat er als Konzernchef (CEO) zurück, um sich auf die Rolle des «Chief Software Architect» zu fokussieren. Doch häufig ging es in den Meetings nicht um Software-Projekte, sondern um Kartellrecht: Microsoft entging damals nur knapp einer drohenden Zerschlagung.
Im Juli 2008 verabschiedete sich Gates endgültig aus dem Tagesgeschäft von Microsoft, um sich seiner Stiftung für wohltätige Zwecke zu widmen. 2014 gab er dann auch die Position als Chairman (Aufsichtsratsvorsitzender) auf. In dieser Rolle hatte er jahrelang seinem Nachfolger Steve Ballmer zur Seite gestanden.
Mit dem Rückzug auf Raten bei Microsoft arbeitete sich Gates immer tiefer in die Fachthemen seiner Stiftung ein und wurde schnell zu einem respektierten Experten für Impfkampagnen. Und er gab im großen Stil Geld für wohltätige Zwecke aus. Erklärtes Ziel der Stiftung ist es, 20 Jahre nach dem Tod von Bill und Melinda Gates alle Finanzmittel aufgebraucht zu haben. 2018 verfügte die Stiftung über ein Vermögen von fast 47 Milliarden Dollar.
Das Engagement fand auch bald Anerkennung: Im Jahr 2005 schlug ihn die britische Königin Elizabeth II. zum Ritter, das «Time Magazine» ernannte ihn zusammen mit seiner Frau Melinda und dem irischen Sänger Bono von U2 zur «Person des Jahres». 2008 verlor er nach 13 Jahren an der Spitze der Forbes-Liste als reichster Mensch der Welt die Führungsposition. Obwohl Gates mittlerweile etliche Milliarden Dollar in seine Stiftung gesteckt hat, steht er derzeit immer noch an Platz 3 der Forbes-Liste – auch weil die Microsoft-Aktie über die Jahre hinweg rasant an Wert gewonnen hat.
Bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens agiert Gates als knallharter Unternehmer, was ihm auch immer wieder Kritik einträgt. So investierte die Stiftung auch in umstrittene Konzerne wie Exxon und BP. Gerüchte, die Stiftung verdiene am Vertrieb von Impfstoffen, stimmen aber nicht. Falsch ist auch die Behauptung, Bill Gates habe gesagt, Impfen sei «die beste Art der Bevölkerungsreduktion».
Die Verleumdungen hindern Gates nicht daran, sich für die schnelle Entwicklung eines sicheren und wirksamen Impfstoffes gegen Covid-19 einzusetzen. Er lässt sich auch nicht groß davon beeindrucken, dass radikale Impfgegner das Gerücht streuen, die Corona-Pandemie sei nur der Deckmantel für einen Plan zur Implantation rückverfolgbarer Mikrochips und er wolle persönlich davon profitieren.
In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» schrieb Gates unlängst: «Gibt es eine Impfung gegen das Virus, können die Regierungen die Maßnahmen zur räumlichen Distanzierung aufheben. Wir werden keine Masken mehr zu tragen brauchen. Die Weltwirtschaft wird wieder volle Fahrt aufnehmen.» Zwingend finde diese Entwicklung aber nicht statt. «Um dorthin zu gelangen, braucht die Welt zuerst drei Dinge: die Kapazitäten, Milliarden Impfstoffdosen zu produzieren, die finanziellen Mittel, um sie zu bezahlen, und Systeme, die diese verbreiten können.» Einen Teil der Rechnung wird Gates aus eigener Tasche bezahlen.
dpa