Kennen Sie den Kobra-Effekt? Im Indien des 19. Jahrhunderts sollte die grassierende Schlangenplage durch eine Prämie der Kolonialpräfektur auf gefangene und getötete Tiere bekämpft werden. Mit dem Ergebnis, dass die Bevölkerung mit zusätzlich gezüchteten, und dann tot abgelieferten Reptilien abkassierte. Statt weniger gab es mehr Schlangen, die Kosten explodierten, das Programm wurde wieder gestoppt und die Plage war schlimmer als zuvor. Gut gemeint ist halt noch lange nicht gut gemacht.
Ähnlich „aus dem Ruder gelaufen“ sind auch die Förderprogramme für nachhaltiges Bauen aus den Zeiten der großen Koalition, die jetzt von der Ampel auf knallrot geschaltet wurden, um anschließend als mattgrünes Flickwerk für Sonderfälle auszulaufen. Zur Begründung wurde formuliert, dass soziale Aspekte nur unzureichend berücksichtigt seien, auch fragwürdige Projekte – wie das exemplarische Penthouse in Berlin-Tiergarten – gefördert würden, die Kosten ins Uferlose liefen und notwendige Änderungen am laufenden Verfahren nicht rechtssicher umsetzbar seien. Heißt im Klartext: Wegen einigen unstrittigen Mängeln wurde das gesamte, an sich sinnvolle Projekt für obsolet erklärt und geschreddert. Der Volksmund kennt dafür das Bild von dem Kind im Bad und ist ähnlich sinnvoll wie eine Vollbremsung auf der Überholspur. Kein Wunder, dass Hausbauer und Baubranche unisono Sturm laufen.
Dabei ginge es auch anders. Bayern hat es während der Pandemie mit den Richtlinien zur Corona-Förderung vorgemacht. Innerhalb von 5 (in Worten fünf!) Tagen stand ein automatisierter digitaler Prozess samt hinterlegtem Regelwerk. Dank technologischen Highlights wie API-Layern, Low-Code- und KI-Unterstützung ist das System intelligent und adaptierbar. Anpassungen und Änderungen sind jederzeit möglich und werden so hinterlegt, dass für jeden Antrag die exakt zu diesem Zeitpunkt gültigen Förderregeln wie Scoring, Prioritätsvergabe oder Servicelevel für alle ebenso transparent und anwendbar sind. Ein solches System erlaubt zudem die Verknüpfung mit anderen Systemen. So ist es beispielsweise kein Hexenwerk mehr, in einem Antrag zur Sanierung eines Hauses sowohl Förderungen aus ökologischen wie auch aus sozialen Programmen zu berücksichtigen, samt den entsprechenden Budgettöpfen. Und das immer auf Basis der jeweils aktuellen Regelwerke und Fördermittel.
Um im Bild zu bleiben: Wenn das Wasser im Bad gerade zu heiß ist, reicht es, etwas kaltes Wasser nachzufüllen (oder umgekehrt), statt es gleich samt dem bedauernswerten Nachwuchs auszuschütten. Dieses Prinzip ist übrigens weit über Förderprogramme hinaus anwendbar und praktisch universell einsetzbar – vom Bankenwesen über Versicherungen und Handel bis hin zur schnellen Anpassung an übergeordnete Gesetzesänderungen, wie sie etwa mit der neuen EU-Taxonomieverordnung anstehen. Starre und deshalb „dumme“ Systeme sind damit – wie wir gerade anhand des KfW-Förderstopps erleben – zunehmend überfordert.