In Zeiten globaler Herausforderungen rückt die Frage nach geeigneter Führung verstärkt in den Fokus.
Eine aktuelle Analyse von drei Wissenschaftlerinnen – Ivona Hideg und Winny Shen von der York University in Toronto sowie Tanja Hentschel von der Universität Amsterdam – wirft ein neues Licht auf die Rolle von Frauen in Führungspositionen während Krisenzeiten. In ihrem Beitrag für The Conversation zeigen sie auf, dass traditionelle Vorstellungen davon, was gute Führung ausmacht, nicht länger haltbar sind (via Pressetext).
Krisen stellen alte Führungsbilder infrage
Lange galt der dominante, durchsetzungsstarke Führungsstil als Ideal – meist verkörpert durch Männer. Doch gerade in Zeiten der Unsicherheit erweist sich dieses Modell zunehmend als unzureichend. Die Forscherinnen schreiben: „Eine wachsende Zahl von Forschungsergebnissen und Beispielen aus der Praxis stellen langjährige Annahmen darüber infrage, was eine effektive Führungskraft ausmacht. In Krisenzeiten versagen traditionelle Führungsstile, die durch Dominanz und Rigidität gekennzeichnet sind und meist mit Männern assoziiert werden, oftmals.“
Stattdessen gewinnen empathische, flexible und kommunikative Führungsstile an Bedeutung – Eigenschaften, die häufig Frauen zugeschrieben werden. Diese Art des Führens sei in Krisensituationen besonders wertvoll, weil sie emotionale Stabilität im Team fördert und Orientierung bietet, wenn Perspektiven fehlen.
Emotionale Kompetenz statt impulsiver Reaktionen
Ein zähes Vorurteil hält sich hartnäckig: Frauen seien zu emotional, um Führungsverantwortung zu tragen. Doch die Studienergebnisse zeichnen ein anderes Bild. „Unsere Forschungsergebnisse widerlegen jedoch diese Annahme und deuten darauf hin, dass es Männer sind, die in Zeiten der Unsicherheit eher dazu neigen, sich von ihren Emotionen leiten zu lassen.“
Tatsächlich zeige sich, dass männliche Führungskräfte bei hohem Stress oder Angstzuständen zu impulsivem und teils destruktivem Verhalten tendieren. „Unsere Studie ergab, dass männliche Führungskräfte in normalen Zeiten ihre Mitarbeiter auch bei nicht arbeitsbezogenen Anliegen unterstützen. Wenn männliche Führungskräfte jedoch ein höheres Maß an Angst verspüren, neigen sie eher zu missbräuchlicher Führung. Dazu gehören schroffe Bemerkungen gegenüber Mitarbeitern, unangemessene Forderungen oder Strafen.“
Demgegenüber agieren Frauen in Leitungspositionen deutlich konstanter. Ihr Verhalten sei weniger von Emotionen abhängig, sie zeigten auch in schwierigen Situationen ein familienfreundliches, unterstützendes Führungsverhalten – ohne zu beleidigen oder zu sanktionieren.
Führung braucht Mitgefühl – und Anerkennung
Mit Blick auf politische und wirtschaftliche Unsicherheiten – etwa Handelskonflikte oder außenpolitische Spannungen – wächst der Bedarf an besonnener, mitfühlender Führung. Die Forscherinnen weisen darauf hin, dass Kanada etwa vor der Parlamentswahl am 28. April besonders auf solche Qualitäten angewiesen sein könnte.
Ihr Fazit ist deutlich: „Wenn wir diejenigen, die mit Mitgefühl führen, immer wieder übersehen, laufen wir Gefahr, genau die Art von Führung zu verlieren, die unserem Land helfen könnte, die vor uns liegenden turbulenten Zeiten zu meistern.“
Weibliche Führung verdient mehr Raum
Die Erkenntnisse der Studie legen nahe, dass weiblich konnotierte Führungsstile gerade in Krisen erhebliche Vorteile mit sich bringen. Dennoch werden Frauen in leitenden Funktionen weiterhin zu selten berücksichtigt. Es braucht daher einen bewussten Wandel im Denken – hin zu einer Führungskultur, die emotionale Intelligenz und kommunikative Stärke nicht nur zulässt, sondern aktiv fördert.