In der Welt der großen Tech-Konzerne gibt es ein kaum sichtbares, aber wirkungsvolles Machtinstrument: die Zwei-Klassen-Aktienstruktur. Dabei wird zwischen stimmberechtigten und stimmrechtslosen Aktien unterschieden – mit weitreichenden Folgen.
Wer Aktien ohne Stimmrecht kauft, erhält zwar Dividenden, hat aber kein Mitspracherecht. Damit können wenige Einzelpersonen eine umfassende Kontrolle über börsennotierte Konzerne behalten – ein Modell, das zunehmend in die Kritik gerät.
Konzentration von Macht hinter der Fassade der Börse
Gregory H. Shill, Professor für Gesellschaftsrecht an der University of Iowa, warnt in einem Beitrag für The Conversation ( (via Pressetext) eindringlich vor den gesellschaftlichen Risiken dieser Konstruktion: „Als Professor für Gesellschaftsrecht möchte ich politische Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit dringend bitten, die gesellschaftlichen Risiken eines Systems zu bedenken, das es einer einzelnen Person ermöglicht, die vollständige Kontrolle über ein großes Unternehmen auszuüben.“
Er verweist dabei auf prominente Beispiele: TikTok, Meta (ehemals Facebook) und Alphabet (die Muttergesellschaft von Google und YouTube) stehen unter der Kontrolle weniger Gründer. Shill erläutert:
„Es könnte die Amerikaner überraschen, dass fast jeder Social-Media-Riese von nur ein oder zwei Männern kontrolliert wird.“
Tatsächlich hält Mark Zuckerberg bei Meta durch Sonderstimmrechte die Kontrolle, auch wenn er nur einen kleinen Anteil der Aktien besitzt. Ähnlich ist es bei Larry Page und Sergey Brin, die weiterhin maßgeblich über Alphabet bestimmen. Auch TikTok ist durch die Struktur von ByteDance stark an eine Einzelperson gebunden – Zhang Yiming, Mitgründer des chinesischen Unternehmens.
Die Illusion von Mitbestimmung
Obwohl diese Unternehmen an der Börse gehandelt werden und theoretisch jedem zugänglich sind, stellt die Zwei-Klassen-Struktur ein erhebliches Ungleichgewicht her. Shill zitiert einen ehemaligen Kommissar der US-Börsenaufsicht SEC, der diese Unternehmer als „königliche Unternehmer“ bezeichnete – ein treffendes Bild für die beinahe absolute Macht, die ihnen zuteilwird.
„Die Struktur mit zwei Klassen krönt diese Männer zu königlichen Unternehmern […] und verleiht ihnen eine nahezu absolute Kontrolle über die Unternehmenspolitik und -ressourcen“, beklagt Shill.
Ein System mit gesellschaftlicher Sprengkraft
Während diese Unternehmensstrukturen bisher vor allem als Problem für Investoren und Aktionäre galten, mahnt Shill an, dass ihre Auswirkungen weit über die Unternehmenswelt hinausreichen. Besonders im Fall von TikTok sorgt die geballte Kontrolle für politische Unruhe – in den USA wird ein Verbot der Plattform diskutiert, aus Angst vor möglicher Spionage durch den chinesischen Mutterkonzern.
Das zugrundeliegende Prinzip – Kontrolle durch Sonderstimmrechte – ist dabei nicht neu. Seit dem Börsengang von Google im Jahr 2004 hat sich dieses Modell in den USA etabliert und ist inzwischen auch in Großbritannien rechtlich möglich. Dennoch wurde die Frage nach der Legitimität solcher Konstruktionen bisher kaum gesellschaftlich diskutiert.
Shill fordert ein Umdenken: „Es sei nur fair, wenn die Öffentlichkeit die Frage stelle, ob es klug sei, Unternehmensgründern zu erlauben, die Ressourcen und verfassungsmäßige Rechte großer Unternehmen ausschließlich für sich selbst zu nutzen.“
Fazit
Die Machtverhältnisse in der digitalen Wirtschaft sind komplex – und hochkonzentriert. Was nach freiem Markt aussieht, ist in Wirklichkeit oft ein System, das wenigen Akteuren nahezu uneingeschränkte Kontrolle über globale Plattformen gibt. Die Diskussion darüber, wie viel Macht Einzelpersonen in einer demokratisch verfassten Wirtschaft haben sollten, steht erst am Anfang. Doch sie ist dringend notwendig.