Leidenschaftlich plädierten der Internetökonom Karl-Heinz Land und der Gründer von dm-drogerie markt, Professor Götz W. Werner, beim „Future Talk“ im Kölner C_ROOM 1 für das bedingungslose Grundeinkommen. Schließlich geht es bei der Digitalisierung nicht nur um Technologien, sondern vor allem um Menschen.
Die Kölner Galerie Priska Pasquer steht für transformative Kunst. Sie lotet in ihren Ausstellungen die Spannweite aus zwischen dem Realen und Virtuellen, dem Analogen und Digitalen. Mit ihren Programmen fragt sie: Was macht der Wandel mit den Menschen? Derzeit sind in Schwarz-weiß gehaltene Aquarelle und Zeichnungen von Radenko Milak zu sehen, der angesichts der digitalen Bilderflut mit dem visuellen Gedächtnis unserer Zeit spielt. Weil solche Kunst eine inspirierende Umgebung für Gespräche über die digitale Transformation entstehen lässt, unterzieht sich die Galerie regelmäßig einer Metamorphose und verwandelt sich in den C_ROOM 1. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Galerie mit der Strategie- und Transformationsberatung neuland. Ihre Absicht ist es, eine Diskussions- und Arbeitsatmosphäre zu schaffen, die Kreativität und neues Denken fördert.
BIld: “Der Mensch ist ein Entwicklungswesen:” Internetökonom Karl-Heinz Land, Moderatorin Claudia Dichter und dm-Gründer Professor Götz W. Werner (v. l.) diskutieren über das Grundeinkommen (Foto: Marvin Vollbach).
Am Mittwoch, 5. Juli, öffnete der C_ROOM 1 für den „Future Talk“ über das bedingungslose Grundeinkommen seine Türen. Mehr als 100 Gäste folgen der Einladung, um mit dem Internetökonomen Karl-Heinz Land, Gründer von neuland und Sprecher der Initiative Deutschland Digital (IDD), sowie Professor Götz W. Werner, Gründer und Aufsichtsrat von dm-drogerie markt, zu debattieren. Für Werner wie für Land steht außer Frage, dass das Grundeinkommen alternativlos ist.
In Würde leben
„Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Menschenrecht“, erklärt Werner und verweist auf Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Ein Grundeinkommen ermöglicht den Menschen, in Würde zu leben. Er sollte keine Tätigkeiten ausführen müssen, die er nicht ausführen möchte. Nein sagen zu können, das ist Freiheit im Rousseau´schen Sinne.“
„Lohn belohnt die Arbeit? Das ist ein fataler Grundirrtum. Richtig ist: Einkommen ermöglicht erst die Arbeit. Das ist eine kopernikanische Wende in unserem Denken.”
Götz W. Werner
Gleiches Ziel, anderer Argumentationsstrang: Für Karl-Heinz Land stellt das bedingungslose Grundeinkommen eine zwangsläufige Folge der digitalen Transformation dar. Digitalisieren, vernetzen, automatisieren – das sei der entscheidende Dreiklang, der in allen Bereichen des Lebens und der Wirtschaft wirke. 50 Prozent der Jobs stünden im Risiko. Entsprechende Studien, wie die der Oxford University von 2013, hält er für realistisch: „Wie anders als mit einem bedingungslosen Grundeinkommen sollen wir eine Gesellschaft gestalten, in der für die Hälfte der Menschen keine Arbeit mehr da sein wird? Diese Welt wird kommen, und zwar schnell. Unser Problem ist nicht die Technologie, sondern die Zeit.“
Während zum Beispiel Finnland das Grundeinkommen längst teste, werde er „regelrecht wahnsinnig“ angesichts der Zurückhaltung der deutschen Politik, sagt Land. Dass die neue Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein das Grundeinkommen nun auf Landesebene ausprobieren will, sei ein erster Lichtblick. Götz W. Werner hingegen bleibt gelassen: „Wir sollten die Politiker nicht überfordern. Sie sind wie Segler. Wenn sie merken, dass der Wind sich dreht, korrigieren sie auch ihren Kurs. Deswegen sind wir heute ja auch hier.“
„Das Grundeinkommen ist wie Monopoly-Spielen. Wenn wir über Los gehen, bekommen wir einfach so 200 Euro. Ohne dieses Grundeinkommen würde das Spiel nicht in Schwung kommen.“
Karl-Heinz Land
Weder Land noch Werner, deren Gespräch die Kunstkritikerin und Kulturjournalistin Claudia Dichter moderiert, hegen Zweifel daran, dass die Menschen ein Grundeinkommen gut nutzen würden. „Der Mensch ist ein Entwicklungswesen. Sie können gar nicht verhindern, dass sich die Menschen weiterentwickeln. Die Frage ist, ob wir bereit sind, unseren Mitmenschen mit so viel Wertschätzung zu begegnen, dass sie in ihrem Tun einen Sinn sehen – egal, was sie aus ihrer Freiheit machen“, erklärt Götz Werner. Auch Land glaubt an die intrinsische Motivation der Menschen: „Wir werden erleben, dass sich im sozialen und gesellschaftlichen Gefüge vieles verbessert. Erst ein Grundeinkommen wird beispielsweise in der Bildung neue Formen des Unterrichts ermöglichen. Dann steht nicht mehr ein Lehrer vor 35 Schülern, sondern zwei Lehrkräfte kümmern sich vielleicht um sechs Schüler – und empfinden das nicht einmal als Arbeit.“
Steuern auf Konsum, Maschinenarbeit und Transaktionen
In weiteren Punkten sind sich Land und Werner ebenso einig: Beide halten das Grundeinkommen für problemlos finanzierbar: Wenn sich die Arbeit des Menschen nicht mehr besteuern lasse, müssten Konsum, Maschinenleistung und Transaktionen besteuert werden. Und beide sehen im Grundeinkommen ein Mittel zu Sicherung des sozialen Friedens. Land warnt davor, dass sich andernfalls die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet und die Gesellschaft sich auf Zustände wie im alten Rom zubewegt. „Brot und Spiele zur Ruhigstellung der Massen wären ein Alptraum“, sagt Land. Und Werner hat gleich sein neues Buch zum Thema Grundeinkommen unter ein entsprechend aussagekräftiges Motto gestellt: „Sonst knallt´s.“
Den ersten „Future Talk“ imC_ROOM 1, abgerundet durch eine Vielzahl an Fragen aus dem Publikum, werten Priska Pasquer und Karl-Heinz Land als Erfolg. „Das Konzept kommt sehr gut an. Bei der Digitalisierung geht es nicht um Technologien, sondern um Menschen“, zieht Priska Pasquer eine erste Bilanz: „Die Kunst unterstützt uns dabei, mit kühnen Gedanken die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und die Zukunft kreativ neu zu denken.“
Die neue Serie von Karl-Heinz Land könnte Sie ebenfalls interessieren: Teil 1: Dematerialisierung – Die Neuverteilung der Welt |