Ohne World Wide Web war das Leben ganz (schön) anders. Jüngeren muss man das heute schon erklären: Statt Shoppen im Internet Bummeln in der Innenstadt, statt detailverliebter Wikipedia der dicke «Brockhaus» im Regal, statt Klicks im Online-Banking Überweisungsträger per Post, statt schnellem Online-Dating bildlose Heiratsannoncen in der Zeitung, statt unzähliger Porno-Clips im Netz einzelne Sexfilme auf Videokassette. Doch es gab eben auch kein falsches Abbiegen im Internet, keinen irre machenden Informationsüberfluss, kein Cybermobbing. Fies und zeitraubend war natürlich dennoch vieles auch im früheren Offline-Alltag.
Vor 30 Jahren (30.4.1993) gab das Cern-Direktorium in Genf das WWW kostenlos für die Öffentlichkeit frei. Das hat das Leben von Milliarden Menschen revolutioniert – in Sachen Kommunikation, Beruf, Informationsbeschaffung, Bildung, Einkaufen, Liebe und Sex. Neue Wirtschaftszweige sind entstanden, auch neue Formen der Kriminalität.
Der historische Schritt des europäischen Kernforschungszentrums Cern (Conseil européen pour la recherche nucléaire), beim weltweiten Web bewusst auf Lizenzzahlungen und Patentierung zu verzichten, trug maßgeblich zur Bedeutung des Internets in seiner heutigen Form bei.
Als das Internet (Arpanet) 1969 auf die Welt kam, war der neuartige Netzverbund jahrzehntelang erstmal nur für wenige Experten geeignet, um sich auszutauschen. Komplizierte Kommandos waren nötig, um zu kommunizieren. Erst mit der WWW-Erfindung und den Browsern mit laienfreundlichen Oberflächen wurde das Internet zum Massenphänomen – nach der E-Mail ein weiterer Dienst, der das Netz zum Leben erweckte.
Der Durchbruch des WWW für Nicht-Computerspezialisten gelang Marc Andreessen ebenfalls 1993. Der Student entwickelte an der University of Illinois den Mosaic-Browser. Heute benutzen viele die Browser Chrome (von Google), Safari (von Apple) oder Firefox.
Mit grafischen Browsern reichte plötzlich ein Mausklick, um das Internet bedienen zu können. Erst mit Browsern konnten Firmen wie Google, Amazon und Facebook zu Mega-Konzernen aufsteigen.
Der Trend verstärkte sich mit dem mobilen Internet. Mit dem iPhone von Apple zeigte sich ab 2007, dass wirklich jede und jeder «im Internet surfen» kann, wie man bildlich sagt. Technisches tritt beim Benutzen von Smartphones gefühlt völlig in den Hintergrund.
Das World Wide Web begründete übrigens der heute erst 67 Jahre alte britische Physiker Tim Berners-Lee. Ende der 80er wollte der Informatiker das Informationschaos beim Cern eindämmen. Im März 1989 schlug er seinem Arbeitgeber ein Projekt auf Basis des Hypertexts vor, um den Datenaustausch zwischen den Forschern weltweit zu vereinfachen. Sein Kollege Robert Cailliau half ihm. Weihnachten 1990 legte Berners-Lee den ersten Web-Server der Welt an («info.cern.ch»). Am 6. August 1991 machte er die erste Website im Internet öffentlich.
Berners-Lees Entwicklung basiert auf drei Ideen: auf HTML, HTTP und URL. Die textbasierte Auszeichnungssprache «Hypertext Markup Language» beschreibt, wie Seiten auf unterschiedlichsten Rechnerplattformen formatiert und verlinkt werden. Das «Hypertext Transfer Protocol» definiert den technischen Kanal, den Computer benützen, um über das Internet zu kommunizieren. Und der «Uniform Resource Locator» (übergeordnet URI, «Universal Resource Identifier») bezeichnet die Web-Adresse, mit der Inhalte im Netz gefunden werden.
Mosaic-Browser-Erfinder Andreessen (heute 51) machte sich zwar vor 30 Jahren mit Netscape daran, seine Software zur führenden Online-Plattform zu machen. Microsoft-Gründer Bill Gates (heute 67) zog mit seinem Explorer aber nach. Im «Browser-Krieg» blieb Netscape auf der Strecke. Doch keine Sorge: Andreessen ist heute laut «Forbes» trotzdem – wie Gates – Milliardär.
dpa