Kommentare zu politischen YouTube-Videos sind normalerweise keine Echokammern, so eine Studie der University of Michigan. Sowohl Liberale als auch Konservative besuchen demnach YouTube-Channels entgegengesetzter Ausrichtung – und das keineswegs nur, um zu trollen.
Die Kommentar-Sortierung der Plattform mache solche überparteilichen Kommentare auch nicht unsichtbar. Am toxischsten seien indes die Reaktionen auf solche ideologischen Eindringlinge.
Gespräch trotz Gräben
Gerade in den USA wird oft angenommen, dass sich Nutzer in sozialen Medien letztlich nur in politischen Echokammern bewegen. Die aktuelle Analyse von 134 Mio. YouTube-Kommentaren von 9,3 Mio. Usern widerspricht dem: Wer insgesamt zehn oder mehr Kommentare hinterlässt, poste demnach meist sowohl auf links- wie rechts-gerichteten Kanälen. „Besonders Konservative suchen aktiver die Kommunikation mit Liberalen, was dem gängigen Narrativ, sie seien weniger offen, widerspricht“, sagt Studienleiter Siqi Wu. Bei eher links-orientierten Videos stammen daher insgesamt mehr als 26 Prozent der Kommentare von Konservativen.
Umgekehrt stammen immerhin noch 13 Prozent der Kommentare zu eher rechten Videos von Liberalen. Einzig unter Videos mancher unabhängiger rechter politischer Kommentatoren fehlen der Studie zufolge Stimmen von der anderen Seite fast völlig. Ansonsten kommt es zumindest auf YouTube sehr wohl noch zu einem Dialog, den auch die Plattform nicht allzu sehr behindert. Denn die Sortier-Algorithmen listen unter den Top-20-Kommentaren bei links-orientierten Videos immerhin 20 Prozent konservative Stimmen, bei rechten Videos zehn Prozent liberale Stimmen. Das ist zwar weniger als der jeweilige Gesamtanteil, sei aber keineswegs ein Unsichtbarmachen.
Toxische Verteidiger
Die Forscher betonen auch, dass User, die Videos der jeweils entgegengesetzten politischen Ausrichtung kommentieren, dabei keineswegs nur trollen. Beispielsweise seien Konservative auf eher linken Kanälen zunächst nicht signifikant toxischer als Liberale. Allerdings führen ideologische Eindringlinge oft zu heftigen Reaktionen. Gerade User, die quasi ihr Territorium – egal, ob liberal oder konservativ – verteidigen, bedienen sich laut der Studie am häufigsten unhöflicher, respektloser und unangemessener Kommentare.
Immerhin zeige das Beispiel YouTube, dass es sehr wohl noch Online-Plattformen gibt, wo Liberale und Konservative miteinander kommunizieren. Die Wissenschaftler empfehlen daher, den Dialog zu fördern. Beispielsweise könnte YouTube Kommentare der jeweiligen Gegenseite, die von Usern gut bewertet werden, in der Anzeige weiter vorreihen.
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