In der Hightech-Branche sind 42 Monate eine sehr lange Zeit. Doch nach der Versteigerung der Frequenzbereiche für die dritte Mobilfunk-Generation UMTS im August 2000 gingen tatsächlich dreieinhalb Jahre ins Land, ohne dass die Lizenzen in der Praxis genutzt wurden.
Dabei waren die wichtigsten Unternehmen der Telekommunikationsbranche im Sommer 2000 ganz heiß darauf, dem mobilen Internet ein brauchbares technisches Fundament zu verpassen. In den USA war der erste Internetboom noch ungebrochen. In Japan demonstrierte der Gigant DoCoMo mit seinem Dienst iMode, welch pfiffige Anwendungen auf dem Handy möglich sind – von mobilen Nachrichtenportalen bis zu digitalen Tickets für den Nahverkehr.
In Deutschland besaßen damals bereits 48 Millionen Menschen ein Handy. Doch damit wurde vor allem telefoniert und gelegentlich eine SMS-Botschaft verschickt. 1999 versuchten vor allem die Telekom und der Vodafone-Vorläufer Mannesmann, mit dem Wireless Application Protocol (WAP) ähnlich wie bei iMode eine abgespeckte Mobilvariante des Internets für die kleinen Displays der Mobiltelefone verfügbar zu machen. Doch mit einer Geschwindigkeit von 9,6 Kilobit in der Sekunde Sekunde (kBit/s) und allgegenwärtigen Bezahlschranken übersetzen viele Anwenderinnen und Anwender das Kürzel WAP mit «Wait and Pay» (Warten und Bezahlen) – und darauf hatten die meisten Menschen keine Lust.
3G, das «Universal Mobile Telecommunications System», kurz UMTS, versprach dagegen die damals sensationelle Geschwindigkeit von 384 kBit/s, sechsmal schneller als eine ISDN-Festnetzleitung. Doch obwohl die Frequenzgewinner ab 2001 die Frequenzen nutzen durften, tat sich viele Monate nichts.
Kein Geld, keine Geräte
Für die jahrelange Verzögerung gab es zwei Hauptgründe: Geld und Geräte. Unmittelbar nach der Frequenzauktion in Deutschland platzte die Dot-Com-Blase, also die zum Teil völlig überzogenen Erwartungen an die neue Internetwirtschaft. Damit vertrockneten auch Finanzströme für die hochverschuldeten deutschen Telkos, die nach der teuren Auktion eigentlich den Aufbau der Netze finanzieren sollten. «Die teuerste Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen aller Zeiten hat der Telekommunikationsbranche das Geld entzogen, das für einen noch zügigeren Netzausbau im Land nötig gewesen wäre», sagt Markus Haas, Chef von O2 Telefónica.
Anfang der Nullerjahre fehlten aber auch Geräte, die UMTS unterstützen konnten. Als Vodafone in Deutschland als erster Anbieter am 12. Februar 2004 den UMTS-Dienst kommerziell startete, setzten die Düsseldorfer deshalb nicht auf ein 3G-Telefon, sondern auf eine Datenkarte für den Laptop. Diese Steckkarte kostete mit einem Vertrag 395 Euro und ohne Vertrag 999 Euro. Die Tarife berechneten die UMTS-Nutzung wahlweise nach der Zeit oder dem Übertragungsvolumen. So bekamen die Kunden für knapp 70 Euro ein Online-Kontingent von 30 Stunden – im Monat. Beim Überschreiten der Inklusivzeit wurden dann je 10 Minuten 1,04 Euro berechnet. Bei der Konkurrenz war es auch nicht billiger. Die Deutsche Telekom, die am 4. Mai 2004 ihr UMTS-Netz startete, verlangte zur Einführung für 500 Megabyte Verkehrsvolumen 110 Euro im Monat.
«Wenn man das mit heutigen Einsteiger-Angeboten und Geräten vergleicht, war Mobilfunk damals also noch recht teuer», räumt 20 Jahre später Tanja Richter, die jetzige Technik-Chefin von Vodafone Deutschland, ein. Doch vielen Techniknomaden war es damals das Geld wert. «Das war der Startschuss für das mobile Internet, wie wir es heute kennen und was aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist», sagt Richter.
Erstes iPhone noch ohne UMTS
In der Rückschau ist es bemerkenswert, dass ausgerechnet das sonst revolutionäre erste iPhone von Apple aus dem Jahr 2007 noch nicht UMTS unterstützte, sondern nur im vergleichsweise lahmen Edge-Netz funkte. Geräte aus Europa wie das Nokia 7600 gaben damals das Tempo bei der Datenübertragung vor.
UMTS ist seit gut zwei Jahren Geschichte. Telefónica mit seiner Marke O2 schaltete im Dezember 2021 die letzten 300 seiner 3G-Standorte ab. Vodafone und Telekom hatten dem veralteten Standard schon im Sommer 2021 den Stecker gezogen. Die freigewordenen Frequenzen setzen die Unternehmen seitdem als zusätzliches Frequenzband für den schnelleren und effizienteren 4G-Standard (LTE) sowie für die jüngste Mobilfunkgeneration 5G ein.
In seiner letzten Ausbaustufe unterstützte UMTS Geschwindigkeiten bis zu 42,2 Megabit pro Sekunde. Mit 5G erreicht man Gigabit-Geschwindigkeiten. Die Unterschiede sind enorm: In einer 5G-Funkzelle benötigt man für das Herunterladen eines Filmes nur wenige Sekunden. Bei UMTS hätte dies mehrere Stunden gedauert. Zudem sind die Reaktionszeiten bei 5G deutlich schneller als bei UMTS, was Echtzeit-Anwendungen wie Telemedizin oder die Steuerung technischer Geräte aus der Ferne ermöglicht und auch Gamer erfreut.
Auch beim Stopfen der Funklöcher aus der UMTS-Ära sind die Anbieter in Deutschland auf einem guten Weg. Auf einer EU-Rangliste liegt die Bundesrepublik beim 5G-Ausbau deutlich über dem EU-Durchschnitt. Allerdings liegen kleine Länder wie Zypern und Malta, aber auch Flächenstaaten wie die Niederlande und Italien vor Deutschland.
dpa