Ganz gleich, in welcher Branche sie tätig sind, alle Geschäftsführer winden sich derzeit durch dieses beispiellose Ereignis namens COVID-19. Mehr denn je müssen Führungskräfte heute ihr Geschäft neu konzipieren, oft von Grund auf.
Dies trifft sicherlich auf den Markt für Unternehmenssoftware/-systeme zu, wo die normalen Annahmen über den Zugang zum Kunden und die allgemeinen Go-to-Market-Konzepte auf den Kopf gestellt worden sind.
Eine neue Realität mit bedeutenden, zum Teil tiefgreifenden Veränderungen:
- Kunden und Mitarbeiter arbeiten von zu Hause aus.
- Die Einnahmen in vielen vertikalen Kundensegmenten sind stark beeinträchtigt worden.
- Reisen sind weiterhin eingeschränkt oder in bestimmte Regionen nicht möglich.
- Menschen können sich nicht mehr ohne weiteres, in unbeschränkter Anzahl treffen.
- Die Budgets sind sehr knapp – für Unternehmen und deren Kunden.
„Kurz gesagt, alle allgemeinen Rahmenbedingungen für Unternehmen sind über den Haufen geworfen, und die Aussichten könnten düster sein. So kontraintuitiv es auch erscheinen mag, jetzt ist es an der Zeit, das Geschäft radikal zu überdenken und in die Offensive zu gehen“, erklärt Andreas Müller, Director DACH bei Vectra AI. „Das Führungsteam könnte sich einem allzu drastischen Umdenken jedoch widersetzen. Daher gilt es für Geschäftsführer, in die Offensive zu gehen und spielen, um zu gewinnen.“
Wie sieht also ein radikales Umdenken aus und was sind die Kernelemente, die es anzugehen gilt? Es gibt drei kritische Bereiche: Kultur, Marketing- und Verkaufsstrategie sowie Produktstrategie.
1. Eine „Customer First“-Kultur aufbauen
Kultur ist in den meisten Unternehmen ein Klischee. Es ist etwas, worüber jedes Führungsteam mit Selbstachtung spricht, das aber in der Regel schlecht umgesetzt wird. In dieser Zeit sollten sich Unternehmen dennoch darauf konzentrieren, denn eine vorbildliche Kultur wird sie durch diese Krise tragen. Es gibt Mitarbeiter, die verunsichert sind, und Kunden, die auf der Kippe stehen. Die Messlatte ist plötzlich viel höher, um Kunden gegenüber zu argumentieren, dass sie bei diesem Unternehmen bleiben oder kaufen sollten. Es geht daher nicht mehr nur darum, die besten Produkte zu haben.
Jedes Unternehmen hat seine Liste von Werten, die seine Kultur ausmachen. Eine „Customer First“-Kultur aufzubauen, ist leicht gesagt, aber extrem schwer zu umzusetzen. Eines der kritischsten Elemente hierbei ist es, jede einzelne Funktion darauf auszurichten, den Erfolg des Kunden zu ermöglichen, und dabei extrem darauf zu achten.
Es gibt Unternehmen, in denen die Kultur auf die Technik oder den Vertrieb ausgerichtet ist. Diese Unternehmen waren sicherlich erfolgreich, wurden aber schließlich toxisch. Es ist die Aufgabe des CEO, dafür zu sorgen, dass „Customer First“ in der DNA des Unternehmens verankert ist und dass alle dahinter vereint sind. Das ist sehr schwer zu schaffen, und einige Unternehmen werden sich wahrscheinlich personell verändern müssen, um zu beweisen, dass sie es ernst meinen.
Die Vorteile, wenn „Customer First“ gut umgesetzt wird, sind immens. Das Ergebnis ist ein Unternehmen, das sich auf einen seiner wichtigsten Aktivposten konzentriert: einen referenzierbaren Kundenstamm. Kein Betrag an Marketingausgaben kann eine gleichwertige Kundenwerbung schaffen. Im Moment haben Unternehmen ohnehin nicht viel Geld, um es für Marketing auszugeben. Für Vectra AI ist „Customer First“, neben unserer Software-IP, unser Geheimrezept.
2. Abkehr von traditionelle Marketing- und Vertriebsmodellen
Wie geht es weiter mit dem Vermarkten und Verkaufen? Die gute Nachricht ist, dass es keine Marketing-Events mehr gibt. Auf Messen war man gezwungen, für einen gewissen wahrgenommenen Marken-/Leadgenerierungswert zu erscheinen. Die Liste der Messeveranstaltungen war endlos, wobei die allgemeine Strategie lautete: je größer, desto besser.
Jetzt bietet sich eine erstaunliche Gelegenheit, alle traditionellen Paradigmen der Pipeline-Generierung abzuschaffen, angefangen bei der Nullsetzung des Budgets für Veranstaltungen. Ja, ein Teil des Verkaufspersonals wird bereits in den Startlöchern stehen. Selbst wenn sich die Welt öffnet, gilt es, Disziplin zu bewahren und sich den Events zu widersetzen. Sie waren vor vier Monaten im Allgemeinen eine Geldverschwendung und werden es auch bleiben, wenn sie wieder stattfinden.
Was ist die Alternative? Nun, natürlich die Digitalisierung. Es gibt den Standardweg, bei den sozialen Medien zu punkten. Das ist wahr. Die bessere Möglichkeit ist jedoch, noch einmal den Pipeline-Trichter zu überdenken. Viele Unternehmen verwenden Pipeline-Funnel-Metriken, die von SiriusDecisions (oder ähnlichem) festgelegt wurden. Diese Metriken gibt es schon seit langer Zeit und sie sind mittlerweile eigentlich veraltet. Sie leiten sich aus dem klassischen Modell der Generierung einer möglichst großen Pipeline ab (3- bis 5-fache Umsatzziele). Dieses Modell geht auch von einem hohen Grad an Ineffizienz bei den Umsatzmetriken aus, wenn die Leads im Trichter voranschreiten.
CEOs sollten ihr Team auffordern, das klassische Modell zu verwerfen und eine Verdoppelung der Effizienzkennzahlen anzustreben. Dies wird einigen zu weit gehen, aber genau das ist der Punkt: Jetzt gilt es, das Team aus seiner Komfortzone heraus zu zwingen und die Denkweise zu ändern, wie Effizienz aussehen könnte.
„Der Schlüssel, um diese scheinbar unmöglichen Effizienzziele zu erreichen, liegt darin, sich auf den Aufbau eines Modells der Kundenneigung zu konzentrieren, das den Blick dafür verstellt, wer die wahrscheinlichen Käufer sind. Ein Neigungsmodell wird zunächst den oberen Teil des Trichters verkleinern, der aber qualitativ hochwertiger wird“, erklärt Andreas Müller. „Dann gilt es, sich intensiv auf die Ausführung des Trichters zu konzentrieren und die Daten und Metriken dann mit Bedacht einzusetzen. Das Nettoergebnis sollte ein niedrigerer Cost per Lead (CPL), ein effizienterer Trichter und niedrigere Gesamtkosten für die Kundenakquise sein.“
3. Fokus auf langfristige Produktstrategie
Stichwort Produktstrategie. In einem Unternehmen, dessen ARR (Annual Recurring Revenue) mehr als 20 Millionen Euro beträgt und das bereits über ein solides Produktangebot verfügt, ist jetzt die Zeit für Innovationen gekommen. Unabhängig von der Branche sind die Chancen hoch, dass es sich um ein technisches Unternehmen handelt mit einem Produktmanagement-Team, dass ständig überlastet ist. Was wäre, wenn die 12-Monate-Roadmap vollständig verworfen würde? Würde das Unternehmen in einen Krater fallen?
Auch hier gilt, vorausgesetzt, es besteht bereits ein marktführendes Produktangebot, dann sind die Chancen sehr hoch, dass die Sache gut gehen wird. Dies ist ein extremes Gedankenexperiment. Der entscheidendere Aspekt ist, einen Großteil der kurz- bis mittelfristigen Roadmap über Bord zu werfen und diese Ressourcen zu nutzen, um die Produktstrategie, die sich auf die nächsten zwei bis drei Jahre konzentriert, radikal zu überdenken. Wenn dies gelingt, kann das Unternehmen sowohl seinen Vorsprung auf dem Markt festigen als auch auf ein längerfristiges Wachstum ausrichten.
„Das Sprichwort, dass die besten Unternehmen aus dem Schmelztiegel der Krise hervorgehen, ist richtig. COVID-19 ist eine unglaubliche Chance, so verrückt sie auch erscheint. Wir alle werden nach dieser Krise anders aussehen, wenn wir aus ihr herauskommen, aber es ist klar, dass es zwei Möglichkeiten gibt: sich von den jüngsten Ereignissen leiten zu lassen oder die Kontrolle zu übernehmen. Jetzt ist es an der Zeit, die Krise zu akzeptieren, mutig zu sein und den Wandel voranzutreiben“, fasst Andreas Müller (im Bild) von Vectra AI abschließend zusammen.