Verstößt der Schufa-Score gegen die DSGVO?

Schufa
Bildquelle: Jarretera / Shutterstock.com

Das Geschäftsmodell der Auskunftei Schufa steht am Donnerstag, 7. Dezember 2023, vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) auf der Kippe. Der EuGH muss darüber entscheiden, ob die Erstellung des sogenannten Score-Wertes für die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und damit gegen Europarecht verstößt.

Im März 2023 hatte der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen deutlich gemacht, dass der Score nicht mit dem Datenschutzrecht vereinbar ist (Az.: C-634/21). Die Schlussanträge sind für das Gericht nicht bindend, oft folgen sie ihnen aber. 

Anzeige

EuGH-Generalanwalt kritisiert Datenschutz bei der Schufa

Wer einen Kredit benötigt, eine neue Wohnung anmieten oder gar ein Haus bauen oder kaufen möchte, der wird schnell mit der Schufa konfrontiert. Banken, Telekommunikationsdienste oder Energieversorger überprüfen meist bei privaten Auskunfteien wie der Schufa die Kreditwürdigkeit einer Person. Die Schufa gibt dann den Unternehmen ihre Einschätzung weiter – den sogenannten Score-Wert. Mit Hilfe des Scores soll sich zeigen, wie gut der Verbraucher seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt. Diese Berechnung steht am Europäischen Gerichtshof jetzt auf dem Prüfstand.

Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst die Verfahren kurz zusammen:

  • Im Rechtsstreit (Az.: C-634/21) verlangt der Kläger von der Schufa, seinen Eintrag zu löschen und ihm Zugang zu den Daten zu gewähren. Ihm war ein Kredit verwehrt worden. Die Schufa stellte sich jedoch quer, gab ihm nur seinen Score-Wert und allgemeine Informationen zur Berechnung bekannt. Der hessische Datenschutzbeauftragte sah im Vorgehen der Schufa keine Rechtswidrigkeit. Seiner Meinung nach ist das Scoring nach den Anforderungen an § 31 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Daraufhin klagte der Verbraucher. Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden legte den Fall dem EuGH vor, um grundsätzlich das Verhältnis zur europäischen Datenschutzgrundverordnung klären zu lassen.
  • Das VG interessiert sich besonders für die Frage, ob es sich bei dem Schufa-Scoring um eine automatisierte Verarbeitung im Sinne von Art. 22 Abs. 1 DSGVO handelt. Entscheidungen mit rechtlicher Wirkung dürfen nach dieser Norm, nicht nur durch die automatisierte Verarbeitung von Daten getroffen werden. Doch genau so verhält sich das Scoring nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts Priit Pikamäe. Die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Kreditwürdigkeit stellt eine solche verbotene automatische Entscheidung dar. Dabei spielt es keine Rolle, wenn beispielsweise Banken abschließend entscheiden, ob die Person kreditwürdig sei. 

Schufa steht von Seiten des EuGH und Verbrauchern unter Druck

Die Auskunftei Schufa steht seit Monaten unter Druck. Am Bundesgerichtshof (BGH) und Europäischen Gerichtshof (EuGH) sind unterschiedliche Verfahren anhängig. Verbraucher beginnen, sich gegen die Macht der Schufa zu wehren. Und das zeigt Wirkung bei der Auskunftei Schufa. Im Frühjahr 2023 entschied sich die Schufa freiwillig, die Speicherdauer für Einträge zu abgeschlossenen Privatinsolvenzen von drei Jahren auf sechs Monate zu verkürzen. Im Vorfeld hatte am EuGH der Generalanwalt Priit Pikamäe in seinen Schlussanträgen am 16. März 2023 bereits angedeutet, dass die lange Speicherdauer von drei Jahren dem europäischen Datenschutz widerspricht. Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte zeitgleich am 28. März 2023 ein entsprechendes Schufa-Verfahren aus, um die endgültige Entscheidung des EuGH in der Sache abzuwarten. Die Schufa reagierte somit auf die juristischen Entwicklungen und erleichtert den Start für ehemalige insolvente Verbraucher zurück ins Geschäftsleben.

Anzeige

An der Erstellung des Scores will die Schufa offensichtlich festhalten, obwohl der EuGH-Generalanwalt in seinen Schlussanträgen deutlich gemacht hat, dass die Erstellung des Scores gegen Europarecht verstößt. Laut Tagesschau.de verschickte die Auskunftei im September 2023 ein Schreiben an diverse Unternehmen. In dem bat sie darum, schriftlich zu bestätigen, dass die Firmen den Schufa-Score nicht nutzen, um Vertragsentscheidungen vorwegzunehmen, eine negative Bewertung kein Ausschlusskriterium für ein Vertragsverhältnis sei und Verträge wegen eines negativen Schufa-Scores nicht automatisch abgelehnt werden.“ Mit anderen Worten: Die Schufa will die Bedeutung ihres eigenen Scores herunterspielen“, schreibt Computer-Bild am 6. September 2023. Das hält Computer-Bild für bemerkenswert, denn bislang habe in der Öffentlichkeit gemeinhin die Auffassung gegolten, dass der Schufa-Score ein Schlüsselkriterium für Vertragsentscheidungen sei. Die Schufa selbst bewerbe ihr Produkt so. Computer-Bild fragt rhetorisch: „Worauf sonst sollten Firmen wie Telekommunikationsanbieter ihre Entscheidung stützen, einem potenziellen Kunden oder einer potenziellen Kundin einen Handy-Vertrag zu verwehren?“

Und wie wichtig der Score tatsächlich für Unternehmen ist, zeigen aktuelle Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung. In einer Umfrage von NDR und SZ bestätigten mehrere große Energieversorger in Deutschland die Bedeutung des Schufa-Scores zur Beurteilung von Neukunden. Kunden mit guter Schufa-Bewertung erhalten attraktive Sonderverträge mit günstigeren Konditionen, während andere nur teurere Grundversorgung angeboten bekommen. Die Schufa bewerbe diese Praxis als wichtig für das Risikomanagement. Experten wie Matthias Spielkamp von Algorithmwatch und Johannes Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband äußern Bedenken hinsichtlich der Fairness und Transparenz des Schufa-Einsatzes bei Energieversorgern. Sie betonen die Bedeutung von Transparenz und Verständlichkeit für Verbraucher. Darüber hinaus wird der Schufa-Score auch von Verkehrsbetrieben und Versandhandels-Unternehmen zur Bonitätsbeurteilung genutzt. Banken und Sparkassen scheinen den Schufa-Score hingegen nicht als alleiniges Kriterium zu verwenden, sondern beziehen weitere Informationen in ihre Entscheidungen ein, so die Ergebnisse der Umfrage von NDR und SZ.

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.

DSGVO stärkt Verbraucherrechte gegen Auskunftei Schufa

Bis zur Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Jahr 2018 konnten nach geltender Rechtsprechung Auskunfteien nach Erteilung der Restschuldbefreiung die beendete Privatinsolvenz für insgesamt drei Jahren speichern und in ihrer Bonitätsbewertung (Score) berücksichtigen. Mit Einführung der DSGVO kam neue Bewegung in die Diskussion. Denn nach Artikel 17 Abs. 1 DSGVO kann eine Löschung unter anderem dann verlangt werden, wenn die Verarbeitung nicht rechtmäßig und nach dem Verarbeitungszweck nicht mehr notwendig ist oder wegen einer besonderen persönlichen Situation. Gerade die persönliche Situation nach einer Insolvenz ist für Verbraucher heikel. Ein negativer Schufa-Eintrag, der sich auf die abgeschlossene Insolvenz bezieht, behindert in jedem Fall den vom Gesetzgeber gewollten Neustart des ehemaligen Schuldners.

www.dr-stoll-kollegen.de/

Anzeige

Artikel zu diesem Thema

Weitere Artikel

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.