EuGH: Chatkontrolle ist menschenrechtswidrig

Whatsapp Encryption
Bildquelle: Lenscap Photography / Shutterstock.com

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verbietet die generelle Schwächung sicherer E2E-Encryption, also der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Das stellt einen großen Rückschlag für die Pläne für Chatkontrollen-Befürworter dar.

Die Schaffung einer Hintertür für Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messaging-Dienste wie Telegram und Signal würde die Meinungsfreiheit aushöhlen und unschuldige Nutzer für Hacker, Identitätsdiebe und wahllose staatliche Überwachung öffnen, so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

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In einem Urteil vom 13. Februar entschied das Gericht zugunsten des Telegram-Nutzers Anton Podchasov, der 2018 gegen die russische Regierung vorging, nachdem diese von Telegram die Entschlüsselung von Nachrichten verlangt hatte, die über die verschlüsselte „Geheimchat“-Funktion gesendet wurden.

Das Gericht urteilte, dass Kriminelle zwar die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2EE) nutzen können, um sich der Strafverfolgung zu entziehen, dass aber die Bereitstellung von Verschlüsselungs-Backdoors unschuldige, normale Nutzerinnen und Nutzer gefährden und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung aushöhlen würde – und damit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen würde.

Man argumentierte, dass Verschlüsselungs-Hintertüren „jeden wahllos betreffen“ würden, auch diejenigen, die keine Bedrohung für Regierungen darstellen, und dass sie eine „routinemäßige, allgemeine und wahllose Überwachung der persönlichen elektronischen Kommunikation“ ermöglichen würden. Chatkontrollen-Kritiker wie der EU-Abgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) sehen in dem Urteil einen bedeutenden Sieg. Denn auch die EU schlug entsprechende Überwachungsmaßnahmen vor.

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Mit diesem grandiosen Grundsatzurteil ist die von der EU-Kommission zur Chatkontrolle geforderte ‚client-side scanning‘-Überwachung auf allen Smartphones eindeutig illegal. Sie würde den Schutz aller zerstören, statt gezielt gegen Tatverdächtige zu ermitteln. Die EU-Regierungen müssen die Zerstörung sicherer Verschlüsselung jetzt endlich aus den Chatkontrolle 2.0-Plänen streichen – genauso wie die flächendeckende Überwachung Unverdächtiger!

Sichere Verschlüsselung rettet Leben. Ohne Verschlüsselung können wir nie sicher sein, ob unsere Nachrichten oder Fotos an Personen weitergeleitet werden, die wir nicht kennen und denen wir nicht vertrauen können. Das sogenannte ‚client-side scanning‘ würde entweder unsere Kommunikation grundlegend unsicher machen, oder die europäischen Bürgerinnen und Bürger könnten Whatsapp oder Signal überhaupt nicht mehr nutzen, weil die Anbieter die Einstellung ihrer Dienste in Europa bereits in Aussicht gestellt haben. Es ist unfassbar, dass der letzte Positionsentwurf des EU-Rats weiter die Zerstörung sicherer Verschlüsselung vorsieht.“

Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei)


EU-Kommission und Chatkontrolle – der Hintergrund

Am 11. Mai 2022 schlug die Europäische Kommission eine Maßnahme vor, die es für alle Anbieter von E-Mails und Messenger-Diensten notwendig machen würde, eine Überwachung der Nachrichteninhalte durchzuführen. Dies würde auch für Dienste gelten, die bisher durch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als sicher galten. Vor diesem Vorschlag zeigte eine öffentliche Umfrage, dass die Mehrheit der Teilnehmer – sowohl Einzelpersonen als auch Interessenvertreter – gegen eine Pflicht zur Implementierung dieser Nachrichtenüberwachung war, wobei mehr als 80% der Befragten sich gegen deren Anwendung auf verschlüsselte Kommunikation aussprachen.

Zurzeit gibt es eine Regel, die es Dienstanbietern erlaubt, auf freiwilliger Basis Nachrichten zu überprüfen, bekannt als „Chat Control 1.0“. Bis dato nutzen nur einige unverschlüsselte Kommunikationsdienste aus den USA, wie z.B. GMail, Facebook/Instagram Messenger, Skype, Snapchat, iCloud-E-Mail und X-Box, diese Möglichkeit zur Nachrichtenüberwachung. Nach dem Vorschlag der verpflichtenden Einführung von „Chat Control 2.0“ rechnet die Kommission mit einem Anstieg der Berichterstattung über gescannte Nachrichten um 354%.

Lars

Becker

Redakteur

IT Verlag GmbH

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