Die Blockchain- bzw. Distributed-Ledger-Technologie (DLT) hat das Potenzial, die Welt zu verändern. Dabei ist die DLT keine brandneue Idee, sondern eine clevere Kombination aus Technologien vergangener Jahrzehnte. Die Verkettung von kryptographischen Hashes zum Versiegeln von Daten stammt bereits aus den 1970er-Jahren und führte schließlich zur Bitcoin-Blockchain.
Gerade in der Finanzdienstleistungsbranche kann die Blockchain-Technologie das Geschäft im kommenden Jahrzehnt massiv beeinflussen und dabei disruptives Potenzial entfalten. Dennoch sind Privatbanken und Wealth Manager gut beraten, Blockchain kritisch zu hinterfragen. Die folgende Pro- und Contra-Liste der Spezialisten des internationalen Fintech-Unternehmens Avaloq diskutiert, was für und was gegen den Einsatz der Technologie spricht.
Geldpolitik mit begrenztem Angebot und ohne Inflation
Pro: Auch wenn Bitcoin ursprünglich erfunden wurde, um staatliche Kontrolle und lange Wege über verschiedene Dienstleister zu vermeiden, so wird es doch heute für seine Geldpolitik mit einem begrenzten Angebot und ohne Inflation geschätzt. Bitcoin und all die anderen Kryptowährungen, die auf der Blockchain-Technologie basieren, könnten die Art und Weise, wie Menschen in Zukunft Werte aufbewahren und austauschen, nachhaltig verändern. Bereits in der Zypernkrise wurde Bitcoin als Safe benutzt, und auch China setzt die Kryptowährung ein, um möglichen Problemen beim Umtausch von Yuan in Fremdwährungen vorzubeugen. Zudem hat eine innovative Blockchain wie Ethereum die Programmierbarkeit dieses neuen digitalen Geldes stark erhöht. Ethereum eröffnet die Möglichkeit selbstausführender Smart Contracts, macht Mittelsmänner überflüssig und verspricht so gleichzeitig eine stärkere Dezentralisierung.
Contra: Man muss betonen, dass Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum als Public Blockchains nicht reguliert sind, dass jedoch eine breitere Anwendung ebendies erfordern würde: eine Regulierungsbehörde, die zum Schutz der Marktteilnehmer und Verbraucher handelt. Die Folge wäre jedoch ein zwangsläufig verlangsamtes Innovationstempo. Fest steht: Bislang sind öffentliche Finanzbücher wie Bitcoin und Ethereum weder skalierbar noch privat genug, um als Rückgrat unseres Finanzsystems dienen zu können.
Was macht DLT für Finanzdienstleister so attraktiv?
Pro: DLT hat das Potenzial, den Nachrichtenfluss, der von jeher ein wesentlicher Bestandteil des Bankenwesens ist, zu ersetzen oder zu beseitigen. Bislang führt jeder Akteur im Finanzsystem sein eigenes Kontenbuch, das unter hohem Abstimmungsaufwand mit anderen Kontenbüchern abgeglichen werden muss. DLT stellt eine gemeinsame Datenbank als Finanzbuch zur Verfügung. Die an einer Transaktion Beteiligten teilen sich de facto die gleichen Daten – die mühsame Synchronisation entfällt. DLT kann darüber hinaus den Handel zwischen nicht vertrauenswürdigen und möglicherweise unbekannten Gegenparteien vereinfachen, indem es die Gewissheit verschafft, dass die Gegenpartei über die Vermögenswerte verfügt, die sie zu besitzen behauptet, und indem es unumkehrbare und nicht widerlegbare Transaktionen mit sofortiger Abrechnung ermöglicht.
Contra: Bitcoin scheint die Leistungsfähigkeit dieses Konzepts, das sich mit neuerer DLT prinzipiell auf jede Anlageform hin verallgemeinern lässt, zu beweisen. Andererseits kann Blockchain-Technologie auch dazu führen, dass das Geschäfts- und Vertrauensmodell von Drittparteien in verschiedensten Bereichen der Finanzdienstleistungsbranche beeinträchtigt wird. Verzichtet man auf die Mittelsmänner, verschwindet auch eine bewährte Vertrauensinstanz.
Smart Contracts
Pro: Ein Smart Contract ist im Grunde nichts anderes als programmierbares Geld, das in einer gemeinsamen, unveränderlichen Datenbank gespeichert wird. Ein solcher Smart Contract erweitert die Vorteile von DLT auf den gesamten Lebenszyklus eines Produkts. DLT ermöglicht also eine vollständige Digitalisierung von Vermögenswerten und stellt innerhalb eines Smart Contracts sicher, dass alle Teilnehmer synchronisiert sind, ohne dass weitere Abstimmungsprozesse erforderlich wären.
Bild: Avaloq
Fiat-Währung
Contra: Natürlich sind noch lange nicht alle Assets digital. Fiat-Währungen beispielsweise sind noch nicht digitalisiert – was derzeit viel Reibung zwischen der physischen und der digitalen Welt erzeugt. Angesichts jüngster Entwicklungen in den Zentralbanken ist es vielleicht nur eine Frage der Zeit, bis erste E-Währungen etabliert werden. Dies wird Banken vermutlich in die Rolle des Umwandlers bringen, der digitale Zahlungsmittel in physisches Bargeld tauscht, wodurch das Gegenparteirisiko eliminiert werden würde. Eben weil der Umtausch von Fiat- in Kryptogeld derzeit aber noch so schwierig ist, wird es Banken schwerfallen, eine große Klientenbasis für diese Services zu gewinnen.
Leistungsfähigkeit und Skalierbarkeit von Public Blockchain
Contra: Die Leistungsfähigkeit von Bitcoin wird häufig als Problem angeführt. Bitcoin wurde geschaffen, um digitales Vertrauen mithilfe eines für jedermann offenen Netzwerks herzustellen, das nicht vertrauensbasiert ist. Daher wurde das Protokoll so konzipiert, dass es maximale Sicherheit gewährleistet, allerdings mit einem sehr ineffizienten Proof-of-Work-Algorithmus. Dies schränkt die Skalierbarkeit deutlich ein. Ein weiteres Problem bei Kryptowährungen in öffentlichen Netzen ist die hohe Volatilität. Dies mag spekulativ interessant sein, es führt aber infolge der enormen Wertentwicklung der Kryptowährungen dazu, dass viele Unternehmen ihre Transaktionsgebühren, etwa für Ethereum, schon erhöhen mussten.
Pro: In einem zugangsbeschränkten DLT-Netzwerk, auch Permissioned Network oder Private Blockchain genannt, ist die Frage des Vertrauens prinzipiell anders gelöst: durch die Einschränkung, wem überhaupt Zugang gewährt wird. Hier können einfachere Konsensmodelle zum Einsatz kommen. Und die geringere Teilnehmerzahl löst sowohl das Problem des explodierenden Stromverbrauchs als auch das Problem der mangelhaften Leistung – Permissioned Networks brauchen keine immense Skalierbarkeit.
Aufbau umfassender Ökosysteme
Contra: Konnektivität mit Netzwerken außerhalb der DLT ist schon aus Sicherheitsgründen heraus problematisch, denn der DLT liegt ein Vertrauenssystem zugrunde, das auf Kryptografie basiert. Alles um das DLT- bzw. Blockchain-Netzwerk herum ist per Definition nicht vertrauenswürdig. Um die Sicherheit des DLT-Netzwerks zu gewährleisten, empfiehlt es sich also, es nicht an andere potenziell unsichere Systeme zu koppeln. In dieser Hinsicht müssen die Ökosysteme erst noch eine Reihe von nativen digitalen Diensten entwickeln, die die Reibung mit der Nicht-DLT-Welt beseitigen. Aufgrund dieser Reibungsverluste und der Zeit, die für den Aufbau großer Netzwerke nötig ist, sind die produktiven DLT-Projekte derzeit eher begrenzt.
Das Whitepaper „Blockchain: Plausibility within Banking and Wealth Management“ sollte hier zum Download stehen.
avaloq.com/de/