Virtualisierung von Servern: Mehr Flexibilität für alle

Die Virtualisierung von Servern ermöglicht aus Sicht des Betriebs das gleiche Nutzenversprechen wie bei modernen Speicherarchitekturen. Das bedeutet: bessere Auslastung, mehr Flexibilität, Vermeidung von Effekten an Kapazitätsgrenzen, Gewinnung von Skalierungseffekten in Bezug auf Ressourcen und Schwankungen.

Die Technik zur Erreichung dieser Ziele bei Servern ist dagegen völlig anders als beim Speicher. Zunächst muss verstanden werden, dass ein virtuelles System für die Anwendung oder das Betriebssystem nicht anders aussehen darf als eine physische Server-Box. Alle Zugriffe des Betriebssystems oder der Applikation auf Hardware oder Abstraktionsschichten (Layer) unterhalb des Betriebssystems müssen genau so funktionieren wie von der Hardware er­wartet. Virtuelle Systeme benötigen nämlich trotz aller Virtualität auch reale Hard­ware-Ressourcen. Diese Hardware muss und kann nur so verwendet werden, wie diese konzipiert und gebaut wurde. Die Virtualisierung ist also eine Software-Schicht, welche zwischen Hardware und Betriebssystem liegt und welche nach „unten“ – das heißt in Richtung der Hardware – aussieht wie ein Betriebssystem und nach „oben“ wie eine Hardware. Dies ermöglichen zunächst alle Virtualisierungsprodukte der unterschiedlichen Hersteller. Trotzdem gibt es zum Teil große Unterschiede in den Konzepten, wie das genau erreicht wird. Hat man dann auch oberhalb der Hardware erfolgreich abstrahiert, können virtuelle Systeme eingerichtet werden, welche bei ver­ein­fachter Betrachtung in Größe (Rechenleistung, Speicher) zwischen einem Bruch­teil bis zur vollständigen Größe der unterliegenden Hardware dimen­sioniert werden können.

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Wünschenswerte Eigenschaften

Die sehr wünschenswerte Eigenschaft eines virtuellen Systems, welches die Rechenleistung mehrerer darunterliegender physischer Server umfasst, ist bei dem derzeitigen Stand der Technik leider noch nicht machbar. Die Grenzen der Anwendung bewegen sich zwischen physischen Servern und virtuellen Systemen in einem 1:1- bis 1:n-Schema. Natürlich „verbraucht“ auch eine Software wie die Virtualisierungsschicht Rechenleistung (Overhead). Dies muss schon bei kleinen Installationen eingeplant werden und nimmt bei größeren Installationen schnell eine Dimension an, welche als Euro in Investitionskosten genau beobachtet werden muss. Die maximale Anzahl von virtuellen Systemen auf einem physischen Server liegt theoretisch in der Größenordnung, wo der Overhead aller erzeugten virtuellen Systeme die verfügbare Rechenleistung verbraucht. Dies ist nur ein theoretischer Grenzwert, je nach Anforderungen sowie Größe und Leistungsfähigkeit des physischen Servers können aber vier bis zehn oder mehr virtuelle Systeme zum Regelfall werden. Das Ge­schäft­modell für Server lässt sich dann im Weiteren gestalten wie die üblichen Geschäftsmodelle für Speicher. Bis auf die Einschränkung, dass die eingekauften physischen Server nicht kleiner als die geforderte maximale Rechenleistung eines virtuellen Systems plus Overhead sein dürfen, sind alle Freiheitsgrade in der Beschaffung und Weiterverrechnung wie bei Speicher nutzbar.

Virtuelle Infrastruktur oder Serverpark?

Hat man ein bestimmtes Preis-Leistungs-Verhältnis von physischen Servern bei einem Hersteller identifiziert, können diese als wirtschaftlich optimale CPU-Ressource für die virtualisierte Infrastruktur beschafft werden. Bei vielen Herstellern finden wir diese optimalen Preis-Leistungs-Verhältnisse derzeit bei Serverkonfigurationen mit 4 CPUen. Wer viele kleinere und kleinste Einheiten benötigt, findet vielleicht sogar im Bereich der Blade-Systeme das optimale Verhältnis. Ein wichtiges Merkmal bei der Beschaffung der benötigten Systeme ist, dass der Hersteller in jedem Ausbaustand technisch möglichst identische Systemkonfigurationen liefert, welches eine Einbindung in die virtuelle In­fra­struk­tur vereinfacht. Auch im täglichen Betrieb zeigt die virtuelle In­fra­struk­tur Vorteile gegenüber einem Serverpark aus physischen Einheiten. Vorweg, die Administration eines Servers (Benutzermanagement, Performance-Monitoring und Anwendungssteuerung) wird durch die Virtualisierung nicht einfacher. Ganz im Gegenteil. Die Virtualisierungsschicht selber ist eine neue Instanz, um die sich das Systemmanagement kümmern muss.

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Aufwandsreduktion

Der Hebel zur Einsparung von Aufwand (und damit zur Senkung der Kosten) liegt in der Auf­wands­re­duk­tion bestimmter typischer und auch teurer Auf­wands­po­si­tion­en. Die Bereitstellung von Systemen ist somit fast komplett ohne Aufwand – per Knopfdruck – möglich. Entsprechende Self-Service-Inter­faces können auch noch den „Knopfdruck“ direkt zum Kunden „outsourcen“. Das Umkonfigurieren des Systems – mehr oder weniger CPU, Speicher, Netzwerkschnittstellen – all das lässt sich nun mit der Maus „bewegen“. Auch der Austausch defekter Hardware kann somit dramatisch vereinfacht werden. Solange der Gesamtverbund die erforderliche Rechenleistung bereitstellen kann, darf der Austauschzeitpunkt gerne in einem be­son­ders „günstigen“ Zeitfenster liegen. Ausgetauscht wird nur noch eine „anonyme“ Box, welche Memory und Rechenleistung in einer vorkonfektionierten Variante beinhaltet. Nicht mehr benötigte Systeme mit Applikationen, Userkonfigurationen und Betriebssystem können innerhalb von Minuten als Snapshot auf Plattenspeicher geparkt werden. Die freigewordene Rechenleistung steht sofort wieder für neue virtuelle Systeme zur Verfügung. Bei Bedarf lässt sich ein solches „geparktes“ System innerhalb der virtuellen Infrastruktur in Minutenschnelle wieder aktivieren. Eine Eigenschaft, welche insbesondere bei Test und Abnahmeumgebungen zu dramatischen Ein­spa­rungen führen kann.

Optimales Ressourcenprofil

Weiterhin entstehen auch Möglichkeiten durch Kostenvermeidung. Darunter fal­len alle Lager- und Auslastungsthemen. Hatte man früher die be­rüchtig­ten „Hamstereffekte“, Mangel an Stellen, wo dringend Rechenleistung oder Memory benötigt wurde, und Überkapazitäten an anderen Stellen, können sich diese nun gegenseitig ausgleichen. Ermöglicht wird dies durch die Abstraktion der Hardware. Rechenleistung oder Memory-Kapazität steht fast immer unabhängig von Ortsparametern oder Systemgrenzen zur Verfügung. Tatsächlich müssen einzelne Systeme auch in der virtuellen Infrastruktur oft umkonfiguriert werden, um ein geändertes Ressourcenprofil optimal bedienen zu können. Dies geschieht jedoch per Mausklick – ohne negative Effekte für den Anwender und ohne physisches Umbauen. Dem natürlichen Wachstum und dem ständigen Bedarf an mehr Rechenleistung und Systemressourcen lässt sich in geplanten und koordinierten Ausbauschritten begegnen – genauso wie neue Platten in den SAN-Speicher eingebunden werden können, um die Gesamtkapazität des Systems zu erhöhen. Auch Hebel durch verbesserte Qualitäten können teilweise sogar ohne Mehrkosten erreicht werden. Das Spiegeln von Systemen kann sogar zeitlich eingeschränkt werden. Somit kann Redundanz auch nach dem Bedarf gesteuert werden. Auch das Wiederanlaufen des Systems nach einem Hardware-Defekt kann in einer virtuellen Umgebung dramatisch schneller erfolgen als in herkömmlichen Disaster-Recovery-Verfahren auf physischen Systemen.

Standardisierung

Ein gewisser Grad an Standardisierung ist natürlich als Voraussetzung für die Ein­füh­rung von virtuellen Infrastrukturen notwendig. An vielen Stellen fällt der Mangel an Standardisierung erst auf, wenn Migrationsprojekte auf virtuelle Infrastrukturen angestoßen werden. Daher gehen solche Projekte auch immer mit recht umfangreicher Standardisierung Hand in Hand.  Da aber nach der Umstellung auf die virtuelle Infrastruktur die gleichen Flexibilitäten für die individuellen Bedürfnisse von „Kunden“ und Anwendungen bereitgestellt werden müssen, ist der verlorene Anteil an scheinbarer Individualität lediglich derjenige einer Individualisierung, welcher keine Vorteile für den Kunden brachte und bisher ausschließlich die Marge des Dienstleisters belastete. Die virtuelle Infrastruktur ist darüber hinaus ein geradezu ideales Umfeld und Medium für weitere Standardisierungen. Entlang eines Weges, an dem der Dienstleister durch Kommunikation und aktive Preisgestaltung dem Kunden aufzeigen kann, welche Möglichkeiten der zukünftigen Standardisierung die immer noch erheblichen Aufwände des Dienstleisters substanziell reduzieren helfen könnten, kann ein optimales Gleichgewicht an kundenseitiger Individualität und Reduktion von variantenbedingtem Aufwand seitens des Dienstleisters gefunden werden. So können zum Beispiel bei der Verwendung von Read Only-Betriebssystemen zukünftig zentrale OS-Updates durchgeführt werden.

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Fazit

Die virtualisierte Infrastruktur bietet auch Perspektiven, zusammen mit Green IT die Kosten für den Betrieb substanziell zu senken. Durch die Notwendigkeit, zu jedem Zeitpunkt die verfügbare Rechenleistung mit den wechselnden Anforderungen zur Deckung zu bringen, entsteht ganz von selbst die Mög­lich­keit, nicht genutzte Ressourcen zu identifizieren. Hier können dann die An­wen­dung­en bei geringer Auslastung auf wenigen HW-Kom­po­nen­ten „zu­sam­men­ge­fahren“ werden. Ohne den Verlust an Verfügbarkeit der Anwendungen oder Services lässt sich so zu den Zeiten „schwacher“ Auslastung der Strom für die nicht benötigten HW-Ressourcen sparen. Ohne die Anwendung ganz abzuschalten, kann die nicht genutzte Hard­ware „schlafen“ geschickt werden. In einer Welt von stetig steigenden Preisen für Energiekosten eine nicht zu vernachlässigende Möglichkeit für langfristige Kosteneinsparungen. Trotz der allgemeinen Vorteile der Virtualisierung von CPU und Memory-Ressourcen kann es sich hierbei jedoch nur um einen Baustein für einen optimierten IT-Betrieb handeln. Prozesse, die Einbindung und Verwaltung anderer benötigter Ressourcen und vor allen Dingen die Entwicklung von Anwendungen, welche einen kostenoptimierten Betrieb zulassen, sind weitere Maßnahmen, welchen sich heutige IT-Organisationen stellen müssen, um wettbewerbsfähige Lösungen für ihre Kunden anbieten zu können.

BERNHARD GRÖHL

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe Dezember 2008 des it management.

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