Anfang 2023 verabschiedete die EU die NIS2-Richtlinie, die besonders auf die wachsende Bedrohungslage für kritische Infrastrukturen abzielt.
Zu diesen zählen Sektoren wie Energie, Transport, Gesundheitswesen und Wasserwirtschaft, die für die Gesellschaft unverzichtbar sind. Die Richtlinie erweitert den ursprünglichen Rahmen und legt zusätzliche Cybersicherheitsverpflichtungen für „wesentliche“ und „wichtige“ Einrichtungen fest, mit einem besonderen Fokus auf die Sicherung kritischer Dienste, deren Ausfall gravierende Auswirkungen haben könnte.
Die neuen Verpflichtungen umfassen unter anderem das Risiko- und Lieferkettenmanagement, die Meldung von Cybervorfällen und den Informationsaustausch. Dabei müssen Unternehmen, insbesondere diejenigen, die in den kritischen Infrastrukturen tätig sind, ihre Cybersicherheitsstrategien tiefgreifend überdenken und an die verschärften Anforderungen anpassen.
Die Uhr tickt: Umsetzung bis Oktober 2024
Bis zum 17. Oktober 2024 müssen die EU-Mitgliedstaaten die NIS2-Standards umsetzen, um die Cybersicherheitsmaßnahmen EU-weit zu vereinheitlichen. Die Richtlinie verlangt von Unternehmen, angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit von Netzwerken, Informationssystemen sowie Lieferketten zu gewährleisten und ihre Sicherheitslage regelmäßig zu bewerten und zu verbessern.
Für kritische Infrastrukturen bedeutet dies, dass die Cybersicherheitsmaßnahmen weitaus umfassender und tiefgreifender sein müssen als in anderen Sektoren. Die Bedrohungslage entwickelt sich ständig weiter, und ein Ausfall kann nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Schäden verursachen. Dies macht es umso wichtiger, dass Organisationen rechtzeitig handeln.
Empfohlene Schutzmaßnahmen
Die NIS2-Richtlinie fordert eine Reihe von konkreten Maßnahmen, um Cyberangriffe zu verhindern und abzuwehren. Unternehmen sollten sicherstellen, dass sie nicht nur technische Lösungen implementieren, sondern auch ihre Governance und Managementstrukturen anpassen. Zu den zentralen Maßnahmen zählen:
- Technische Absicherung und Netzwerksegmentierung:
Verschlüsselung, Zugangskontrollmanagement und Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA) sind wichtige Maßnahmen, um Netzwerke und Daten zu schützen. Darüber hinaus ist die Segmentierung des Netzwerks eine wesentliche Strategie, um sicherzustellen, dass Angriffe auf einen Teil des Systems nicht auf andere kritische Bereiche übergreifen können. - Schulungen und Bewusstseinsschaffung:
Cybersicherheit ist nicht nur eine technische Frage, sondern auch eine der Unternehmenskultur. Regelmäßige Schulungen und Sensibilisierungsprogramme für Mitarbeiter sind entscheidend, um menschliches Fehlverhalten zu minimieren. Alle Mitarbeitenden sollten in den wichtigsten Cyberrisiken und Sicherheitsmaßnahmen geschult sein. - Stärkere IT-Governance:
Organisationen müssen umfassende Risikomanagement- und Governance-Modelle entwickeln, um ihre Cybersicherheitsstrategie auf Führungsebene zu verankern. Das Management muss aktiv in die Entwicklung, Umsetzung und Überwachung der Cybersicherheitsmaßnahmen eingebunden sein. Die NIS2 betont explizit die direkte Verantwortung der Geschäftsführung, was die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Sicherheitsansatzes unterstreicht. - Kontinuierliche Überwachung und Incident-Response-Pläne:
Die fortlaufende Überwachung der IT-Systeme, einschließlich der Nutzung von Technologien zur Bedrohungserkennung (z. B. Intrusion Detection Systems), ist essenziell, um verdächtige Aktivitäten frühzeitig zu identifizieren. Ebenso wichtig sind klare, regelmäßige, aktualisierte Reaktionspläne für den Ernstfall, um Cybervorfälle effektiv zu managen.
Die Rolle von Identity & Access Management (IAM)
Neben diesen allgemeinen Maßnahmen spielt das Identity & Acess Management eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der NIS2-Anforderungen. IAM-Lösungen ermöglichen eine präzise Kontrolle darüber, wer Zugang zu sensiblen Informationen hat, und helfen dabei, den Zugriff in Echtzeit zu steuern und zu überwachen.
IAM deckt folgende Kernbereiche ab:
- Lieferkettensicherheit: Präzise Kontrolle des Zugriffs Dritter auf kritische Infrastrukturen.
- Cybersicherheitshygiene: Starke Passwortrichtlinien und die Einführung von Single Sign-On (SSO) für effizientere Verwaltung und höhere Sicherheit.
- Personalsicherheit und Asset Management: Automatisierte Bereitstellung und präzise Rollenverteilung für Mitarbeiter und Drittparteien.
IAM bietet nicht nur eine Lösung für den Schutz der digitalen Identitäten, sondern unterstützt auch die Einhaltung der strengen Protokolle der NIS2-Richtlinie. Insbesondere für Unternehmen im Bereich der kritischen Infrastrukturen ist IAM eine unverzichtbare Komponente, um den hohen Sicherheitsstandards gerecht zu werden.
Verantwortung des Managements: Compliance beginnt in der Chefetage
Die NIS2-Richtlinie führt eine fundamentale Neuerung ein: Führungskräfte werden direkt für die Einhaltung der Cybersicherheitsvorschriften verantwortlich gemacht. Diese Haftung erfordert eine engere Einbindung der Geschäftsleitung in die Cybersicherheitsstrategie, denn Missachtung kann nicht nur hohe Bußgelder (bis zu 10 Millionen Euro oder 2 % des Jahresumsatzes) nach sich ziehen, sondern auch persönliche Konsequenzen für die Geschäftsführung haben.
Deshalb ist es unerlässlich, dass die Unternehmensführung Cybersicherheit als zentrale Unternehmenspriorität anerkennt und proaktiv Maßnahmen ergreift. Dazu gehört die Einbindung von IT-Leitern, Sicherheitsbeauftragten und externen Experten, um sicherzustellen, dass alle Aspekte der NIS2-Compliance abgedeckt werden.
Vorbereitung auf NIS2 erfordert umfassende Cybersicherheitsstrategien
Die Einführung der NIS2-Richtlinie markiert einen Wendepunkt in der europäischen Cybersicherheit, insbesondere für Organisationen, die in kritischen Infrastrukturen tätig sind. Der Erfolg bei der Umsetzung der Anforderungen hängt von einem ganzheitlichen Sicherheitsansatz ab, der sowohl technische Lösungen als auch organisatorische Veränderungen umfasst.
IAM ist dabei nur ein Baustein. Unternehmen müssen zusätzlich auf Schulungen, Governance und technische Maßnahmen wie Netzwerksegmentierung und Bedrohungserkennung setzen. Nur so können sie sich effektiv vor den zunehmenden Bedrohungen schützen und ihre Widerstandsfähigkeit gegen zukünftige Angriffe stärken.