Kommentar

Einsatz neuer Technologien für die öffentliche Sicherheit entscheidend

Daten, Sicherheit

Der Bereich öffentliche Sicherheit wird seit vielen Jahren mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert – von gestiegener Kriminalitätsrate, über höheres Notrufaufkommen bis hin zur Personalknappheit.

Dies beeinträchtigt gleichermaßen die Effizienz von Polizei, Feuerwehren, Rettungsdiensten und weiteren Institutionen mit Sicherheitsaufgaben. Hinzu kommt, dass viele Behörden und Organisationen mit veralteten Technologien zu kämpfen haben. Somit wird auch die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch erschwert. Laut eines Berichts des Unternehmens Thomson Reuters, dem auch die Nachrichtenagentur Reuters angehört, benannte fast ein Drittel der Befragten in Leitungspositionen die Integration neuer Technologien als eine der größten Aufgaben.

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Zwar gibt es dafür keine Patentlösungen, doch liefern Technologien mit unterstützender Künstlicher Intelligenz (KI) und andere moderne Anwendungen vielversprechende Antworten, um einige der Belastungen zu minimieren und die Reaktionsfähigkeit der Einsatzkräfte zu verbessern. Dennoch sind viele Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) aufgrund ihrer Auslastung und begrenzten Budgets nicht in der Lage, in jedem Fall mit den technologischen Neuerungen Schritt zu halten. 

Jedoch deutlich hinter dem technologischen Fortschritt zurückzubleiben, könnte den BOS schlechte Dienste erweisen, zumal die an sie gestellten Anforderungen – nicht zuletzt getrieben durch Politik und Öffentlichkeit – beständig wachsen. BOS sollten weiterhin nach Möglichkeiten suchen, neue Technologien zu implementieren, und zwar zuvorderst jene, die die größte Wirkung zeigen können.

Belastung des Personals bewältigen 

Richtig eingesetzt, ermöglichen Technologien für öffentliche Sicherheit und Notfallmanagement die Bewältigung einiger der größten Probleme. Fast die Hälfte der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben gab laut Thomas Reuters an, dass ihr größtes Problem die Personalausstattung sei. Viele Praxisbeispiele aus Einsatzleitstellen belegen, dass fortschrittliche Softwarelösungen helfen können, schnellere und fundiertere Entscheidungen zu treffen und Informationen effektiver mit anderen Institutionen und mobilen Einsatzkräften auszutauschen. Insbesondere bei einem hohen Aufkommen von Notrufen, lassen sich so die Belastungen der Mitarbeitenden verringern und die Ergebnisse der Vorfallbearbeitung verbessern.

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Next Generation 112 ist eine solche Technologie der Notfallbearbeitung , die derzeit in den USA, Kanada und Europa eingeführt wird. Diese moderne Architektur verfügt über viele Komponenten, die die öffentliche Sicherheit verbessern – unter anderem durch eine integrierte Unterstützung zum Austausch von Sprach-, Foto-, Video- und Textnachrichten zwischen den Anrufenden, den Notrufzentralen und Einsatzkräften vor Ort. So wird eine auf den jeweiligen Vorfall optimal abgestimmte, effizientere und sicherere Reaktion ermöglicht. Die Technologie hilft auch bei der Weiterleitung von Anrufen, bei der Bearbeitung von nicht akut notfallbezogenen Meldungen, bei der Integration von Apps und anderen Tools sowie bei der Zusammenarbeit mit anderen Einsatzleitstellen. Das vernetzte Design von NG112 trägt auch dazu bei, die Widerstandsfähigkeit und Sicherheit der Kommunikationssysteme bei den BOS zu verbessern. Dabei gewährleisten automatische Ausfallsicherungs- und Back-up-Funktionen, dass eine Notrufzentrale nicht durch Anrufe überlastet wird oder aus anderen Gründen nicht verfügbar ist.

Der europäische Kodex für die elektronische Kommunikation (EECC-Richtlinie 2018/1972) regelt die elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste und hat auch Anforderungen an die EU-Mitgliedstaaten festgelegt, die sich auf NG112 beziehen. Die Verordnung zur Ergänzung von Artikel 109 des EECC verlangt von den Mitgliedsstaaten zudem, dass nationale Pläne zur Einführung von IP-basierten Notrufdiensten (Next Generation 112) bis Dezember 2023 vorzulegen waren. Zwar bedeutet diese Anforderung nicht, dass die NG112-Architektur bis Ende 2023 implementiert sein muss, sondern dass ein Fahrplan  für die Aufrüstung der Notrufzentralen erforderlich ist. Es existiert keine spezifische gesetzliche Vorgabe für die Einführung einer NG112-Architektur. Die Verarbeitung von Notrufen mittels Videogesprächen, Echtzeittextnachrichten und Mobilfunktelefonie erfordert jedoch eine zugrunde liegende IP-basierte Architektur. Darüber hinaus muss diese Architektur in der Lage sein, während der Übergangsphase hin zu All-IP auch weiterhin Notrufe zu unterstützen, die über Festnetztelefonie abgewickelt werden. Die NG112-Architektur kann diese Anforderungen erfüllen und ist daher die technische De-facto-Lösung, um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten. Das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) erstellte bereits 2019 eine Definition der Kernelemente der NG112-Architektur für den netzunabhängigen Zugang zu Notrufdiensten, die eine multimediale Kommunikation (Text, Video, zusammen mit Standort- oder Zusatzdaten) ermöglicht und die mit dem derzeitigen festnetzbasierten Systemen nicht möglich ist. Im gleichen Jahr startete die European Emergency Number Association (EENA) ein NG112-Projekt, um die NG112-Architektur in verschiedenen Ländern zu testen und einzuführen. Wichtiges Ergebnis ist: Damit die NG112-Architektur effektiv sein kann, muss sie standardisiert und interoperabel sein. Es liegt zudem auf der Hand, dass die NG112-Architektur erhebliche Vorteile mit sich bringen wird, insbesondere im Hinblick auf die Betriebskosten und die Möglichkeit, einen effizienteren und widerstandsfähigeren Notrufdienst bereitzustellen. Die Modernisierung der Notfallkommunikation erfordert jedoch ein perfektes Gleichgewicht zwischen Technologie und menschlichem Einfühlungsvermögen.

Obwohl in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt wurden, ging im deutschsprachigen Raum der Übergang zu NG112-Systemen langsamer als gewünscht vonstatten. Dort, wo NG112-Komponenten eingesetzt werden, hat sich eine Fülle von Vorteilen ergeben, die die jahrzehntelangen Bemühungen um die Modernisierung dieser wichtigen Ressource für die öffentliche Sicherheit bestätigen.

Vorteile Künstlicher Intelligenz

Neben der Umstellung auf NG112 sollte auch der Einsatz von KI-Technologien ins Auge gefasst werden – ob für die Live-Übersetzung von Notrufen aus verschiedenen Sprachen oder zum Herausfiltern von Hintergrundgeräuschen. Mittels eines KI-Übersetzungstools lassen sich die Reaktionszeiten um Minuten verkürzen. KI eliminiert störende Hintergrundgeräusche oder verstärkte gewisse Stimmen bei Anrufen zum Beispiel bei häuslicher Gewalt, so dass eine mögliche Eskalation der Situation durch die Anwesenheit einer weitere, gewaltbereiten Person realistischer abgeschätzt werden kann.

Auf unterstützender Künstlicher Intelligenz basierende Anwendungen können Anrufe und Vorfallinformationen nachverfolgen, Situationsmuster oder Zusammenhänge mit anderen Vorfällen aufdecken und die Mitarbeitenden der Notrufzentrale darauf aufmerksam machen sowie Handlungsvorschläge unterbreiten. Gehen beispielsweise an verschiedenen Arbeitsplätzen in engen Zeitabständen Meldungen über Atemprobleme aus einem Gebiet ein, unterbreitet die im Hintergrund laufende KI-Analyse umgehend einen Alarmierungsvorschlag, der von den Mitarbeitenden geprüft wird. Oder es gehen scheinbar nicht zusammenhängende Meldungen von Handtaschendiebstählen ein, bei denen zudem ein roter Pkw erwähnt wird, identifiziert die KI in Millisekunden eine mögliche Korrelation. Der Einsatz von KI ist nachweislich in der Lage, die Vorfallbearbeitung, Reaktionszeiten und Entscheidungsfindung zu verbessern.

Trotz der Vorteile der KI-Technologie zögern viele Organisationen, sie zu nutzen, weil falsche Vorstellungen und Vorbehalte bestehen. KI wird unterstellt, Arbeitsplätze zu ersetzen, oder KI führe angeblich zu Fehlentscheidungen. Das beruht auf Annahmen und einem verbreitetem Abwehrverhalten des Menschen gegenüber unbekannten Neuerungen. Dem ist entgegenzuhalten: In der öffentlichen Sicherheit sollte KI nur als assistierende Systemkomponente und nicht als Ersatz für menschliche Erfahrung und Entscheidungsfindung eingesetzt werden. Unterstützende KI führt nicht zum Verlust von Arbeitsplätzen und trifft keine automatisierten Entscheidungen, sondern hilft den Ersthelfern, möglichst fundierte, vorfallgerechte Entscheidungen zu treffen. 

Da die Technologieentwicklung nicht stehen bleibt und wir nach effektiveren Möglichkeiten zur Bekämpfung von Kriminalität und zum Erhalt der öffentlichen Sicherheit suchen, kann es für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben von entscheidender Bedeutung sein, sich über neue Technologien und Hilfsmittel zu informieren. Wir alle wollen eine sichere Zukunft! Lassen Sie uns die Technologie nutzen, die uns auf dem Weg dorthin unterstützen kann.

Dieter Prummer, Country Manager für Deutschland & Österreich Public Safety bei Hexagon’s Safety, Infrastructure & Geospatial Division

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