Ohne Aufwandsschätzung kommt kein Projekt aus. Mit dieser ersten Annäherung an die bevorstehenden Aufgaben und deren Umfang steht und fällt häufig ein großer Teil des Projekterfolgs.
Erwartungsmanagement, Zielvorstellungen und die Gefahr potenzieller Reibungspunkte innerhalb des Teams hängen stark davon ab, wie gut die Aufwände im Vorfeld geschätzt wurden und wie stark die Realität dann von diesen Annahmen abweicht. Eine Methode, die hier erhebliche Unterstützung leisten kann, ist der sogenannte Planungspoker.
Was es damit auf sich hat, wie er genau funktioniert und warum professionelle Projektmanager von Erfahrungen aus dem Glücksspielumfeld lernen und profitieren können, erläutert Prof. Dr. Jörg Friedrich, Chefdesigner der Projektmanagementsoftware Allegra.
Die Aufwandsschätzung als Dreh- und Angelpunkt des Projekterfolgs
Sie gilt als eine der schwierigsten und folgenreichsten Schritte in einem Projekt und bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich. Für eine verlässliche Aufwandsschätzung brauchen Projektmanager und ihre Teams eine relativ genaue Vorstellung davon, was sie liefern sollen. Das Zielbild muss also so klar wie möglich sein, um gute Annahmen treffen zu können. Doch es gibt zahlreiche Faktoren, die dieses Zielbild unscharf werden lassen. Das beginnt mit der mangelnden Erfahrung der Projektteilnehmer und endet mit Unklarheiten beim Kunden. Wenn der Auftraggeber nicht sicher weiß, was er konkret braucht, wird eine Aufwandsschätzung eher zum Ratespiel. Entsprechend lohnt es sich, Zeit in die Zieldefinition zu investieren, bis wirklich klar ist, welches Ergebnis erwartet wird. Zusätzlich steigt die Planungsgenauigkeit mit der Erfahrung des Teams: Haben die Projektteilnehmer schon einmal eine ähnliche Aufgabe erfolgreich gemeistert und kennen sich im entsprechenden Themenfeld sehr gut aus, fällt die Schätzung der Aufwände sehr viel leichter, als in einem unerfahrenen Projektteam. Es ist daher entscheidend, zumindest einige themen- und branchenerfahrene Teammitglieder für jedes Projekt zu gewinnen – denn diese Erfahrung lässt sich auch durch die ausgeklügeltsten Methoden nicht ersetzen.
Aufwandsschätzung ist eine Teamaufgabe
Aufwandsschätzungen auf Basis von Erfahrungen sind wertvoll, allerdings sollten die Projektteams sich hierbei auch nicht überschätzen. Nur, weil sie eine ähnliche Aufgabe schon einmal erfolgreich gemeistert haben, heißt das noch nicht, dass es beim nächsten Mal viel schneller geht. Wenn es für diese Annahme keine objektive Begründung gibt – beispielsweise, weil sich hart messbare Faktoren zum positiven vom letzten Projekt unterscheiden – sollte eher nicht von einer Effizienzsteigerung ausgegangen werden. Insbesondere neue Tools und Methoden sind nicht unbedingt ein Indikator für sinkende Aufwände. Eher im Gegenteil: An neue Strukturen und Arbeitsweisen müssen Teams sich erst gewöhnen und verwenden möglicherweise mehr Zeit auf die Umstellung als erwartet. Und auch die individuelle Produktivität spielt eine entscheidende Rolle – vor allem in Technologieprojekten. Dort kann die Performance der einzelnen Teammitglieder durchaus im Bereich der Wissensarbeit Unterschiede von bis zu 500 Prozent aufzeigen. Ist das jeweilige Projektteam nicht so groß, dass diese Unterschiede sich gegenseitig aufheben, sollte eine Analyse der Produktivitätsunterschiede in jedem Fall dazugehören und die Teammitglieder in die Aufwandsschätzung mit einbezogen werden.
Keine Pokerrunde ohne die richtige Ausstattung
Sind die Basics der Aufwandsschätzung berücksichtigt, kann der Planungspoker zu belastbaren Prognosen für Zeit und Kosten in einem Projekt kommen. Die Basis dafür ist eine Liste mit sämtlichen gewünschten Projektergebnissen, beispielsweise in Form von Anforderungen. Je genauer diese beschrieben sind, umso besser verstehen die Schätzenden, worauf sie sich einlassen. Also kommt es hier auf sauberes Arbeiten an. Jeder Planungspoker wird von einem Moderator geleitet, der alle Schätzenden zusammen holt und ihnen je einen identischen Stapel Karten aushändigt. Solche Karten können wahlweise selbst gebastelt oder eingekauft werden. Idealerweise enthalten sie die Zahlen 0, ½, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 20, 40, 100 sowie ein Fragezeichen. Dabei steht jeder Zahlenwert klassischerweise für den Aufwand in Tagen, den ein Verantwortlicher einer Aufgabe zuordnet. Die Zahlen können aber auch als ein anderes, vorher festgelegtes, konstantes Verhältnis zum realen Aufwand definiert werden. Das Fragezeichen ist sozusagen der Joker für den Fall, dass ein Schätzer sich nicht dazu in der Lage fühlt, eine Annahme zu treffen.
So funktioniert Planungspoker
Zu Beginn stellt der Produktmanager die zu liefernden Projektergebnisse vor, die beispielsweise mit der Hilfe einer Projektmanagementsoftware definiert wurden. Hier hat das Team die Möglichkeit, Unklarheiten zu hinterfragen und wichtige Themen vorab noch einmal anzusprechen und zu klären. Haben alle den gleichen Wissensstand, schätzen die Teammitglieder die Aufwände. Dazu legt jeder Beteiligte die Karte mit seiner Schätzung verdeckt vor sich auf den Tisch. Sind alle Karten abgelegt, werden sie gleichzeitig aufgedeckt, sodass das gesamte Projektteam alle Schätzungen einsehen kann. Nun sind die Beteiligten mit den höchsten und dem niedrigsten Schätzwert gefragt: Sie erhalten die Gelegenheit, ihre Annahmen zu erläutern und zu begründen. Diese Einlassungen sind dann die Basis für eine offene Diskussion in der Gruppe. Je nach Team und Dynamik empfiehlt es sich hier, dass der Moderator die Diskussionszeit begrenzt und/oder Regeln der Kommunikation definiert. Diese sollten selbstverständlich vor Beginn des Pokers transparent erläutert werden.
Konsens ist King
Dieser Schätzprozess inklusive anschließender Diskussion wird so lange wiederholt, bis die Gruppe einen Konsens zur Schätzung erzielt hat. Dabei erhält die Schätzung des Teammitglieds, das für die Lieferung des Teilergebnisses verantwortlich ist, ein größeres Gewicht als die der anderen Teilnehmer. Die Zahlenwerte auf den Karten sorgen dafür, dass die Schätzungenauigkeit umso größer ist, je größer die Schätzung ausfällt. Die Beteiligten können so bei höheren Werten keine vermeintliche Genauigkeit vorspiegeln, sondern müssen sich für einen pessimistischen oder optimistischen Wert entscheiden. Dieser Aufbau führt zu ergebnisorientierten Diskussionen und am Ende zu einer von allen getragenen Aufwandsschätzung.