Wird ein Fußballspiel bereits mit einem Stand von 0:5 angepfiffen ist für jeden klar, dass ein erfolgreiches Spiel eine geringe Wahrscheinlichkeit hat.
Gleiches gilt, wenn eine Mannschaft in der Anfangsphase eines Fußballspiels mit 5 Toren zurückliegt. Leider ist diese Transparenz bei Projekten nicht immer und jedem gegeben. Dennoch sind solche Handicaps nicht selten der Fall.
Bevor tiefe Analysen bemüht werden, gibt es bereits Begründungen in einfachen und offensichtlichen Punkten. Diese Gründe finden sich in strategischen Grundlagen und dem operativem Projektstart.
Ähnlich wie beim Fußball gibt es bei Projekten keine allgemein gültige Standardlösung. Beim Fußball würden sonst einfach alle wie der Weltmeister spielen. Warum dies nicht für alle Mannschaften funktioniert, liegt auf der Hand und ist sehr transparent. Einfach dargestellt sind dies unterschiedliche Ressourcen, Stakeholder und Ziele. Bei Projekten ist dies ähnlich, sonst könnte man ein beliebiges erfolgreiches Projekt kopieren und der Erfolg wäre garantiert.
Beachtet man folgende 12 Thesen mit der notwendigen Sorgfalt lassen sich nicht alle, aber viele Probleme reduzieren.
#1 Wenn man sieht, wie Projekte anfangen, weiß man wie sie verlaufen und welche Erfolgschancen sie haben Fängt ein Projekt ohne ausreichende Unterstützung und professionelle Planung an, stellt sich die Frage, warum dies im Verlauf besser werden sollte. Ist die Organisationsstruktur falsch durchdacht und besetzt, eine professionelle Zieldefinition fehlt und die Auswirkungen der Veränderungen sind nicht betrachtet, wie soll sich dann ein erfolgreicher Ablauf ergeben? Fehlt eine realistische Einschätzung zu Umfang und notwendigen Ressourcen und auch eine Methodik ist nicht erkennbar, wie soll ein erfolgreiches Projektergebnis entstehen?
#2 Die Projektkultur und das Ansehen des Projektmanagements innerhalb eines Unternehmens geben eine vorentscheidende Richtung Werden Projekte nur als notwendiges Übel gesehen und professionelles Projektmanagement vernachlässigt, ist die Grundlage für Misserfolge bereits nachhaltig gegeben bevor neue Projekte überhaupt angedacht sind. Diese als ungewollte „Stiefkinder“ zu behandeln, wirkt auf die Entstehung und damit bereits auf das Ergebnis der Projekte und die Rendite von eingesetzten Ressourcen.
#3 Die falsche Projektmethode kann zum Scheitern des Projektes führen Eine generelle Standardmethode für alle Projekte vorweg festzulegen, ist falsch. Es gibt keine „one fits all“ Projektmethodik, die für jedes Projekt passt. Ziele, Projektinhalte, Projektverantwortliche, Projektteilnehmer, Nutzer des Ergebnisses und Projektpartner sind unterschiedlich. Die Veränderung einer dieser Punkte kann die Auswahl der richtigen Methode beeinflussen. Ein Klassiker im Methodendilemma ist der Spagat, wenn ein agiles Vorgehen in der Produktherstellung angewendet wird und das Management ein Reporting angelehnt an eine klassische Vorgehensweise erwartet, um Entscheidungen zu treffen.
#4 Eine falsche Definition der Projektleiterrolle senkt die Effizienz und Effektivität des Projektes signifikant Wenn ein Projektleiter in der Praxis eher eine Assistentenrolle ausführt, weil seine Kompetenz beschnitten wird, kann er kein Projekt leiten, sondern nur weisungsgebunden verwalten. Das schwächt die Position nicht nur intern, sondern auch bei externen Partnern. Weiterhin ergibt sich das Risiko der ungewollten Einflussnahme von hierarchisch höher angesiedelten Stakeholdern auf das Projekt. Ein Projektleiter sollte in der Hauptsache dem Projekt verpflichtet sein. Das ist durch interne Linienabhängigkeit nicht unbedingt gegeben. Die Besetzung der Position sollte sich nicht auf die „billigste“ Variante fokussieren, da an dieser Stelle entscheidende Beiträge zur Effizienz und Effektivität geleistet werden.
#5 Eine mangelnde Übersicht über das Projektportfolio erhöht das Risiko aller Projekte Zu viel oder zu wenig Projekte und damit Ressourcenkonkurrenz oder Ineffizienz belasten Projekte und reduzieren Entwicklungspotenziale für Unternehmen. Fehlende Transparenz über Beiträge einzelner Initiativen zu Gesamtzielen belastet die Performance des Gesamtportfolios und einzelner Projekte. Die Möglichkeiten zur Entscheidung über die sachgerechte Zuteilung von Ressourcen und Aufmerksamkeit werden reduziert.
#6 Mangelnde Beratung für Lenkungskreise führt zu signifikanten Fehlentscheidungen Basierend auf zeitlichen Einschränkungen und ausreichender Tiefe in den jeweiligen Themen ist es klar, dass kompetente Unterstützung den Mitgliedern eine gute Entscheidungshilfe bietet. Wenn fehlende Zeit und/oder fehlendes Spezialwissen in Lenkungskreisen nicht seriös ausgeglichen und delegiert werden, kommt es zu verzögerten oder falschen Entscheidungen. Alibiberater mit reduziertem Fachwissen und mangelnder Erfahrung im Projektmanagement, dafür vielleicht gutem Standing, werden Lenkungskreisen und Projekten nicht helfen. Aus einem Berater wird auf Basis von Überschriftenwissen im Projektmanagement keine ausreichende Hilfe eines Lenkungskreises oder eines Managers.
Alle Thesen für sich haben inhaltlich das Potenzial, Projekte in signifikante Schwierigkeiten zu bringen.
Martin Besemann, Conpromas
#7 Eine fehlende Umfeldanalyse gefährdet nicht nur das eigene Projekt Was wirkt auf das Projekt ein und welche Schnittstellen gibt es zu anderen Projekten oder Organisationen? Gerade bei Arbeitsteilung in einem Gesamtkontext kann mangelnde Information zu Schwierigkeiten fachlicher und menschlicher Art führen.
Wer liefert und wer empfängt welches Element zu welcher Zeit, speziell in abhängigen Projekten oder Programmen? Je nach Projekt kann dies sehr komplex werden. Missverständnisse oder fehlende Informationen wirken sich im Verlauf des Projektes aus.
Das Projektumfeld ist eine wichtige Grundlage der Projektplanung, weil es nicht nur wichtige Einflüsse auf das eigene Projekt offenlegt, sondern auch Aufschluss zu übergreifenden Themen bringt. Von großer Bedeutung ist hier auch die Identifizierung aller relevanten Stakeholder, die nicht immer umfänglich transparent sind. Ohne diese Informationen begibt man sich auf einen Blindflug.
#8 Die Lösungsauswahl vor der Anforderungsanalyse bringt nur zufallsbedingte Erfolge Etwas auszuwählen, ohne genau zu wissen, was real gebraucht wird und dies am besten abdeckt, ist objektiv gesehen nicht nur schwer, sondern Glückssache. Keine Zeit in eine grundlegende Analyse zu stecken, mag auf den ersten Blick eine Abkürzung sein. Das Risiko, dass diese vermeintliche Abkürzung in eine falsche Richtung und damit zu einem Umweg oder gar einer Sackgasse führt, ist nicht gering. Beispiel wäre die Auswahl einer neuen Softwarelösung, die auf Basis eines populären Namens oder einer guten Vertriebsarbeit ausgewählt wird, aber für die individuellen Anforderungen suboptimal bis hoch ineffizient oder ganz ungeeignet ist.
#9 Eine neue Softwareapplikation allein ist nicht die Lösung, sondern zunächst ein Problem Bevor der erste Nutzen entsteht, stehen Aufwand für Beschaffung, Einführung und Parallelbetrieb der abzulösenden Variante im Blickfeld der Betrachtung.
Ohne Abbildung der notwendigen Prozesse nützt eine neue Software nichts. CRM-Software allein ist kein Customer Releationship Management, ein neues ERP-System unterstützt keine kaufmännischen Prozesse, die es noch nicht kennt und gleiches gilt für diverse andere Systeme, ob ITSM, E-Commerce oder ähnliche Werkzeuge. Die Erwartungen und die Ungeduld der Stakeholder steigen, bis ein vertretbares Ergebnis zu präsentieren ist. Spätestens mit der Erkenntnis, dass die reine Standardsoftware keine Lösung ist und die notwendigen Ressourcen zur Einführung größer sind als geplant, steigt auch das Problempotenzial.
#10 „Am Standard der Software bleiben“ ist ein Vorsatz, der schwer einzuhalten ist Die Vorteile dieses Vorsatzes liegen auf der Hand. Der Vorsatz ist aber nur dann nicht oberflächlich, wenn im Vorfeld der Auswahlentscheidungen die Anforderungen detailliert bekannt und mit den Möglichkeiten der Standardsoftware abgeglichen sind. Hinzu kommt die Sicherheit, die daraus resultierenden organisatorischen Änderungen anwenderfreundlich durchsetzen zu können. Diese notwendige Entscheidung unterstreicht nochmal die Bedeutung, im Vorwege Bedarf und Angebot verglichen zu haben.
#11 Ein Ausblenden der Erwartungen von Stakeholdern verlangsamt das Projekt Sind die entscheidenden Stakeholder nicht ausreichend in das Projekt eingebunden, gibt es Widerstände. Die Definition, wer entscheidend ist und wer nicht, ist wesentlich für den Projektverlauf und Erfolg. Schon die fehlende Wertschätzung durch mangelnde Beteiligung bringt zusätzlich zu den weiterhin bestehenden Anforderungen des vernachlässigten Personenkreises schlechte Stimmung und Abwehrhaltung. Dies beginnt vor dem Projekt, zieht sich über den Projektverlauf und gefährdet den Projektnutzen. Ein Beispiel ist konsequentes Boykottieren des Projektoutputs wie das Umgehen von neuen Prozessen. Die vermeintliche Zeitersparnis multipliziert sich durch notwendige Nachbesserungen.
#12 Es gibt keine zweite Chance auf den ersten Eindruck bei der Einführung von neuen Lösungen Ist die erste Sicht auf eine neue Lösung negativ, bedeutet dies für das Projekt deutlich erhöhten Aufwand, um diesen Nachteil aufzuholen und trotzdem das gewünschte Ergebnis zu erzielen.
Meist gibt es schon eine bestehende Lösungsvariante, die aus verschiedenen Gründen abgelöst wird. Auch mit einer solchen gewachsenen Lösung findet ein Vergleich der Stakeholder statt. Damit steht das Projekt vor der Herausforderung, den richtigen Zeitpunkt für eine erste Ergebnispräsentation zu finden. Dabei kann es sehr nachteilig sein, ein erstes – noch zu schlechtes – Produkt durch einen gut gemeinten iterativen Vorsatz zu früh zu präsentieren. Das komplette Gegenteil, zu lange zu warten und erst nach zu langer Zeit an die Oberfläche zu kommen, ist auch problematisch. In dieser Zeit verändern sich Anforderungen und das angestrebte Ergebnis ist überholt und viele Ressourcen verschwendet. Dies sollte in der Projektstrategie am Anfang beachtet werden.
Ergebnisoffene Analyse und Restrukturierung
Läuft ein Projekt nicht wie gewünscht, ist dies nicht vorteilhaft, aber die Erkenntnis ist ein erster Schritt. Veränderungen im Projektablauf kosten Ressourcen, vor allem zunächst einmal Zeit. Es ist nur eine sehr kurzfristige Sicht, eine notwendige Veränderung mit diesem Argument abzuwehren.
Weiter in die falsche Richtung oder Umwege zu laufen, um ein Projekt wie bisher am Laufen zu halten, ist keine nachhaltige Lösung. Ausgegebene Budgets gehören der Vergangenheit an. Zukünftig Ressourcen zu investieren, macht nur Sinn, wenn daraus eine Rendite entsteht. Daher ist eine offene Analyse sinnvoll, ob gutes (neues) Geld schlechtem (bereits ausgegebenen) Geld hinterherzuwerfen ist, statt eine konsequente Entscheidung wie Sanierung oder Abbruch zu treffen.
Fazit
Ein gut gestartetes Projekt ist keine Garantie für einen erfolgreichen Verlauf und ein gutes Ergebnis. Es gilt, die anfängliche Professionalität durchgängig zu liefern. Das Zutrauen, dass sich ein solches Vorgehen fortsetzt, ist aber eher gegeben als in ein Projekt, welches schon schlecht gestartet ist. Wobei letzteres schon das Problem hat, gleich mit einem negativen Image versehen zu sein und zunächst dagegen anzukämpfen hat.
Es ist nicht ungewöhnlich, aber teilweise intransparent und unterschätzt, dass ein Projekt unter einem Methodenproblem oder problematischen strategischen Grundlagen statt technischen Problemen leidet. Letztere ergeben sich teilweise daraus.
Die Zeit, die nicht zu Beginn in die methodische Definition des Projektmanagements investiert wird, vervielfacht sich im Projektverlauf.
Alle Thesen für sich haben inhaltlich das Potenzial, Projekte in signifikante Schwierigkeiten zu bringen. Es gibt für sie keine allgemeingültigen Lösungen. Natürlich umfassen sie auch nicht jedes individuelle Risiko vor oder während des Starts. Die Thesen geben den Anreiz, diese mit den eigenen Projekten zu vergleichen und eine individuell passende Lösung zu finden. Keine Zeit für Veränderungen zu haben, ist oft eine Fehleinschätzung. Weiter die falsche Richtung zu beschreiten und dafür unnötige Ressourcen zu verschwenden, ist keine Lösung. Es bietet sich an, hier auch neutrale Betrachter hinzuzuziehen. Das bringt den Vorteil, dass eine unvoreingenommene Analyse gefördert wird.