Nutzerakzeptanz für neue Produkte: 3 Methoden, die sich nicht eignen

Ein häufig gemachter Fehler bei der Entwicklung digitaler Produkte: Innovationsteams leiten aus der Meinung von Testpersonen ein Kaufinteresse ab statt die tatsächliche Akzeptanz einer Innovation in der Zielgruppe zu untersuchen.

Der Schlüssel: Testpersonen müssen statt subjektiver Meinungen echte Reaktionen auf ein Produkt entlockt werden. Dieser Aspekt wird oft übersehen – weshalb zahlreiche neue Produkte zum Scheitern verurteilt sind.

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Grundsätzlich ist es lobenswert, wenn sich Unternehmen bereits im Vorfeld der Entwicklung damit beschäftigen, ob ihr Produkt in der designierten Zielgruppe auf Gegenliebe stößt. Ein weit verbreiteter Fehler, der dazu führt, dass dennoch 19 von 20 Corporate Innovations scheitern: Innovationsteams leiten aus der Meinung von Befragten und Testpersonen ein echtes Kaufinteresse ab statt echte Reaktionen potenzieller Kunden zu testen.

Der entscheidende Unterschied zwischen Nutzermeinung und Nutzerreaktion lautet “Bias”: Wenn ein potenzieller Käufer erkennen kann, dass ein Produkt noch zu sehr in den Kinderschuhen steckt, kann er nicht mit einem authentischen Kaufinteresse reagieren. Um also realitätsnah zu simulieren, wie ein Produkt beim Nutzer ankommt, muss er den Mehrwert der Innovation bereits in diesem frühen Entwicklungsstadium wahrnehmen können – ohne zu merken, dass er sich in einer Testsituation befindet.

Unternehmen sind sich dessen durchaus bewusst, setzen aber in der Entwicklungsphase von Produkten immer wieder auf Methoden, die explizit NICHT dafür geeignet sind, echte Reaktionen zu testen. 3 von Ihnen möchten wir vorstellen – und anschließend erklären, wie es richtig geht.

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Methode 1: Prototyping

Das Grundmotiv hinter der Entwicklung eines Prototypen besteht darin, eine erste Idee früh anfassbar und erlebbar zu machen. Gleichzeitig soll der wirtschaftliche Aufwand sehr gering gehalten werden, um nicht schon zum frühestmöglichen Zeitpunkt kostbare Ressourcen zu verschwenden. Bei digitalen Innovationen wie Apps werden in einem solchen Fall die wesentlichen Features in der Regel zunächst auf Papier dargestellt.

Und damit sind wir auch schon bei einem der größten Probleme des Prototyping: Ein digitales Produkt in der Papier-Variante sind unter keinen Umständen so realistisch aufbereitet, dass man relevante Reaktionen testen könnte. Oder stellen wir uns ein Rollenspiel vor, mit dem eine Dienstleistung getestet werden soll: Jeder Teilnehmer ist sich von Beginn darüber im Klaren, dass es sich um ein orchestriertes Setting handelt. Eine echte Reaktion trotz “Versuchskaninchen-Bias”? Unmöglich.

Das Scheitern eines günstigen Prototyps ist letztendlich Teil des Prozesses, das Scheitern eines aufwendig entwickelten Prototypen hingegen kann wirtschaftlich richtig wehtun. Entsprechend ist gerade in der Frühphase der Produktentwicklung davon abzuraten, in hohem Umfang Ressourcen zu investieren.

Methode 2: Interviews

Ein beliebtes Instrument im Entwicklungsprozess neuer Produkte sind Interviews. Verständlicherweise, lässt sich in Gesprächen mit ausgewählten Teilnehmern doch sehr detailliert herausfinden, welche Probleme eine bestimmte Zielgruppe hat und wie ein bestimmtes Produkt dazu beitragen könnte, diese zu lösen. So hilfreich dieses Nutzer-Feedback etwa in der Phase der Ideenfindung für ein Produkt sind, so wenig hilft es, das echte Marktpotenzial zu ermitteln.

Zum einen ist sich auch hier jeder Teilnehmer der Situation bewusst: Statt mit einem konkret ausgearbeiteten Produkt in Berührung zu kommen und vor eine messbare Kaufentscheidung gestellt zu werden, ist von vornherein klar, dass es sich um ein Test-Szenario handelt. Der Einsatz von Fokusgruppen bringt außerdem strukturelle Probleme mit sich: Eine entsprechende Konstellation führt unausweichlich dazu, dass die Teilnehmer – zum Teil auch unbewusst – einen Konsens anstreben. Authentische Reaktionen bleiben da auf der Strecke.

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Methode 3: Usability-Tests

Kommen wir zur dritten Methode, den Usability Tests. Ein Ansatz, der wunderbar geeignet ist, um während der eigentlichen Entwicklungsphase eines Produktes oder bereits nach dem Release die User Experience zu optimieren, sprich: zu analysieren, wie Verbraucher zurechtzukommen, um anschließend punktuelle Verbesserungen umzusetzen. Beliebte Methoden sind hier das sogenannte “Thinking out loud”-verfahren, bei dem der Nutzer ein Produkt anwendet und laut seine Gedanken teilt oder auch Testessen, bei denen in geselliger Runde Produktideen unter die Lupe genommen werden.

So unterhaltsam Usability-Tests bei Pizza und Bier auch klingen mögen: Übergreifend eignet sich keiner der genannten Ansätze, um wirklich herauszufinden, wie jemand auf ein neues Produkt reagiert – selbst dann nicht, wenn es möglicherweise schon absolute Marktreife besitzt. Zum einen handelt es sich auch hier um bewusste Testsituationen, die statt Reaktionen subjektive Meinungen zutage fördern. Darüber hinaus wird das Ergebnis durch Incentivierungen – etwa die Aussicht auf Pizza und Bier – mutmaßlich positiv beeinflusst.

Kombination aus Reaktion und Quantität als Lösungsansatz

Keine Frage: Der Einsatz von Prototyping, Interviews und Usability Tests kann durchaus sinnvoll sein – etwa um zu verstehen, wie man ein bestehendes Produkt weiterentwickeln kann, um noch besser auf die Bedürfnisse des Verbrauchers eingehen zu können. Wer im Vorfeld der Produktentwicklung aber die tatsächliche Nutzerakzeptanz validieren möchte, sollte sich mit “Smoke-Testing”, “Fake Doors” oder “Landingpage Demand Testing” und Tools für die Anwendung dieser Methoden vertraut machen.

Das Schlüsselprinzip bei allen drei Ansätzen: die Formulierung eines klaren Werteversprechens in Kombination mit einer breiten, aber zielgerichteten Streuung im tatsächlichen Markt. Im Zuge digitaler Produktinnovationen etwa ermöglicht das Zusammenspiel aus Conversion-orientierten Landingpages, gezielten Werbeanzeigen, Tracking und Analytics, Performance-Daten zu sammeln und so die Reaktionen der Nutzer bis ins kleinste Detail zu analysieren. Und zwar ohne von einer offensichtlichen Testsituation beeinflusst zu werden.

Natürlich ist es alles andere als einfach, eine erste Idee glaubwürdig als echte Produktneuheit zu verpacken. Insbesondere deshalb, weil auch geeignete Verfahren, die die gewünschten Reaktionen auslösen, schnell verfälscht werden können, wenn bestimmte Fallstricke nicht beachtet werden. Klar ist aber auch: Die Wahrscheinlichkeit, valide Erkenntnisse aus dem echten Zielmarkt zu erhalten, ist um ein Vielfaches größer, wenn man gleich zu Beginn die richtige Methode wählt.

Daniel

Putsche

Gründer und Geschäftsführer

Candylabs

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