Maßvoll ist ein Adjektiv, das uns in der heutigen Zeit abhandengekommen zu sein scheint. Laut Duden bedeutet maßvoll: das rechte Maß einhaltend, das normale Maß nicht überschreitend. Was so altbacken klingt, ist eine Fähigkeit, die sich im Ressourcen-Management immer mehr als heimlicher Erfolgsfaktor herauskristallisiert. Wie aber lassen sich Mitarbeiter und Teams maßvoll managen?
Das Erfolgsrezept versteckt sich hinter einer Vielzahl scheinbar unwichtiger Kleinigkeiten, wie beispielsweise Überstunden, Projekt-Overload, mangelnde Transparenz. Dabei spielen gerade diese Faktoren in der zumeist projektbasierten Arbeit eine wichtige Rolle. Die Überlastung von Mitarbeitern durch zu viele Einzelprojekte wird schon lange in Umfragen beklagt. Bereits vor drei Jahren, 2019, stellte das Basler Forschungsinstitut Prognos fest, dass sich 41 Prozent der Mitarbeiter durch ihre Arbeit überlastet fühlten. Nicht zuletzt im Hinblick auf den akuten Fachkräftemangel dürfte diese Zahl inzwischen wesentlich höher sein.
Einer der Gründe für die Überbeanspruchung ist die Vielzahl der Projekte, in die Mitarbeiter heutzutage eingebunden sind. Würden die Verantwortlichen im Vorfeld etwas gewissenhafter überprüfen, ob die Projektmitglieder zeitlich überhaupt in der Lage sind, ihren Aufgaben gerecht zu werden, wäre schon vielen geholfen. Vermutlich würde sich schon durch realistischere Zeiteinschätzungen in der Planung eine Menge Stress vermeiden lassen. Leider ist aber vielfach das Gegenteil der Fall und es sind zu wenig Puffer eingeplant, so dass jede Planabweichung gewaltig ins Kontor schlägt – monetär, zeitlich und motivatorisch. Eine andere, weitverbreitete Angewohnheit kommt dazu: unabhängig davon, ob Mitarbeiter kommen oder gehen – die Projekte oder Unternehmensportfolios bleiben davon unberührt, was unmittelbare Folgen für Projekte und die Arbeitsbelastung hat.
Weniger ist mehr
Und das Dilemma wird noch größer, weil versucht wird die aus dem Ruder laufenden Projekte durch weitere Projekte in den Griff zu bekommen – ein Teufelskreis, dem die Verantwortlichen bewusst entgegensteuern müssen. Da hilft es, eine neue Kompetenz zu
entwickeln. Das „Nein-Sagen“. Was heißt das? Man soll sich bewusster damit beschäftigen, welche Projekte wichtig sind. Um das beurteilen zu können, brauchen die Unternehmen Strategieklarheit. Wenn diese fehlt, stellt man oft fest, dass es ein Übermaß an Projekten gibt – sprich den verzweifelten Versuch, der Orientierungslosigkeit mit einer umso weitreichenderen Projektkultur zu begegnen. Ergo, nur wer weiß, was er will, kann Projekte erfolgreich aufsetzen, die benötigten Ressourcen realistisch einschätzen und Resignation bei den Mitarbeitern vorbeugen. Deshalb müssen zuallererst die wirklich bedeutenden Themen und Herausforderungen identifiziert werden, bevor eine Fokussierung im Projekt- und Ressourcenmanagement Sinn macht. Ein Tipp aus der Praxis: die fünf wichtigsten Projekte festlegen und diese mit einer realistischen Menge an Personal, Zeit und Budget ausstatten.
Wie Angebot und Nachfrage das Ressourcen-Management beeinflussen
Manchmal helfen Bilder, um die Komplexität einer Situation besser nachvollziehen zu können. Das Ressourcen-Management kann man sich als einen Marktplatz vorstellen, auf dem zum einen bestimmte Fähigkeiten und Kapazitäten angeboten und auf der anderen spezielle Kenntnisse gesucht werden. Es geht also um Bedürfnisse und Möglichkeiten – Angebot und Nachfrage. Und es mündet in der Notwendigkeit beides miteinander zu vereinbaren, sprich es geht um das richtige Kapazitätenmanagement. Ein solches sollte jedoch nicht nur die internen Ressourcen in Form von Mitarbeitern umfassen, sondern auch die externen in Form von Dienstleitern, Interimsmanagern oder Beratern.
Wer also ein realistisches und maßvolles Management seiner eigenen Teams sowie Externer umsetzen möchte, muss exakt an dieser Stelle beginnen. Denn erst wenn die Ausgangsvoraussetzungen für ein Projekt feststehen, kann mit der Planung begonnen werden. Bei diesem Schritt empfiehlt es sich, zum einen mit den Projektmitgliedern eine konkrete Vereinbarung zu treffen, was deren Rolle und Aufgabe betrifft und das im zweiten Schritt auch mit den involvierten Abteilungen zu machen, denn das Projektmitglied wird in der Regel lediglich an das Projekt „ausgeliehen“. Eines ist wichtig: Jeder muss wissen, woran er ist und sich darauf auch verlassen können. Das gilt für den Projektleiter, das Projektmitglied, aber auch dessen direkten Linienvorgesetzten. Wem es gelingt sein Ressourcenmanagement so zu gestalten, der dürfte schnell Verbündete haben. Warum? Weil sich alle wertgeschätzt fühlen und davon ausgehen, dass sie nicht mit Arbeit überhäuft werden und falls doch, dass man ihre Bedenken ernst nimmt. Ein Tipp aus der Praxis ist der sog. Ressourcenvertrag. Alle genannten Parteien halten gemeinsam fest, in welchem Umfang, für wie lange oder an welchen Tagen das Projektmitglied ausschließlich am Projekt arbeitet.
Strukturen und klare Regeln helfen
Um sehr schnell eine Übersicht der Kapazitäten zu erhalten, macht es Sinn pro (Top-) Projekt aufzuschreiben, welcher Mitarbeiter, wie intensiv pro Monat eingebunden ist. Diese Aufgabe kann der jeweilige Projektleiter übernehmen und an eine zentrale Stelle weitergeben. Dabei reicht schon eine oberflächliche Darstellung wie „- -„ für sehr wenig bis „+ +“ für sehr stark. Sobald die Monatsdaten der Mitarbeiter summiert werden, können erste Rückschlüsse gezogen werden.
Aber was ist, wenn nicht genügend Kapazitäten zur Verfügung stehen? Was tun, wenn ein Projekt umgesetzt werden muss, es aber zu wenig interne wie externe Mitarbeiter gibt? Dann muss der kleinstmögliche gemeinsame Nenner gesucht werden, sprich welche Ziele sind in jedem Fall zu erreichen und wie viele Personen werden dafür mindestens benötigt. Aber Achtung: Die Ressourcen dürfen nicht bis auf ein Maximum verplant werden, sondern es sollte unbedingt Reserve einkalkuliert werden. Und wichtig ist auch, dass man sich eingesteht, dass Projekte Zeit benötigen. Sie müssen sich entwickeln können, um ihre Strahlkraft und den positiven Impact auf das Unternehmen zu entfalten. Doch gerade der Faktor Zeit wird in einer Welt, in der immer alles sofort sein muss, niemand Geduld hat und Ergebnisse auf Knopfdruck zur Verfügung stehen sollen, immer relevanter.
Um Projekte also trotz Personal- und Zeitmangel erfolgreich zu planen, umzusetzen und abzuschließen, helfen klare Regeln. Eine solche könnte sein, dass immer nur an einem bestimmten Tag an einem Projekt gearbeitet wird – dann aber von allen Projektmitgliedern gleichzeitig. Oder aber, dass regelmäßig Stand-Up-Meetings durchgeführt werden, damit alle Bescheid wissen und der Teamspirit nicht verloren geht. Zugegeben, in Zeiten eines hybriden Arbeitsalltags ist das nicht ganz trivial. Aber wie heißt es doch so schön: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und wer mit seinen Mitarbeitern und Teammitgliedern respektvoll umgeht und sie nicht maßlos überfordert, wird sich wundern wie engagiert sich diese für die gemeinsam definierten Ziele einsetzen.