Ein Mensch befindet sich immer in einer Beziehung, so oder so. Er sendet und empfängt ständig. Die kommunikative Ebene lässt sich niemals ausblenden. In diesem Zusammenhang hat die kommunikative Energie eine wichtige Bedeutung: Wer bei der Sache bleibt, sich auch auf seinen Gesprächspartner fokussiert, bekommt und hat auch eine deutlich stärkere Präsenz. Wer mit großer Intensität die Geschehnisse und Personen um sich herum wahrnimmt, hat insgesamt in der Kommunikation die Nase vorn – beruflich und privat gleichermaßen.
Warnung in einem Industrieunternehmen: „Unsere Unfallzahlen steigen im Freizeitbereich. Wir haben aktuell viele Ausfälle, weil Menschen in ihrer Freizeit Unfälle verursachen, die auf Ablenkungen zurückzuführen sind.“ Aus einem Interview mit einem Vertreter der Polizei ergibt sich die Bestätigung: „Unaufmerksamkeit ist eine der häufigsten Unfallursachen.“ Die Statistik in der Schweiz hält fest, dass sogar im Langsamverkehr (Fußgänger und Radfahrer) die Anzahl an Verletzten massiv zugenommen hat. Das meiste davon hängt mit der Nutzung von Mobiltelefonen zusammen.
Das Verdikt ist weder neu noch revolutionär, dafür umso realistischer: Unaufmerksamkeit durch Handynutzung ist zu einem Verletzungsrisiko geworden. Die Konsequenz wäre eigentlich eine einfache: wieder mehr bei der Sache sein, mit der man sich gerade befasst. Auf der Kommunikationsebene läuft da ebenfalls ein Prozess ab, der wiederum vieles erklärt…
Im ständigen Informationsaustausch
In der Theaterarbeit gibt es mitunter die Tschechow-Methode, einer Lehre über die Körperarbeit von Schauspielern in ihrer darstellerischen Arbeit. Michael Tschechow war selbst ein russisch-US-amerikanischer Schauspieler, Regisseur und Autor. Er brachte diese brillante Technik zu Tage, die besagt, dass sich ein Mensch immer in einer Beziehung befindet – und das bezieht sich explizit nicht nur auf Bühnenfiguren. Michael Tschechow schreibt über das Ausstrahlen von Signalen und Botschaften: „Auf der Bühne und im realen Leben herrscht ein ständiger Informationsaustausch. Jeder, der sendet, ist zugleich auch Empfänger und umgekehrt. Dieses Senden und Empfangen drückt Beziehung aus.“
Dieser Prozess bezieht sich aber nicht ausschließlich auf den Austausch von Worten oder nonverbaler Kommunikation. Der Mensch empfängt genauso die Umgebung, die Atmosphäre, Gegenstände und Geschehnisse. Richtiges Empfangen heißt im Rahmen der Tschechow-Methode: Dinge, Personen, Ereignisse mit größter Intensität wahrzunehmen und aufzunehmen. Wenn das stattfindet, ist man in der kommunikativen Energie und dadurch in einer hohen Präsenz.
Wie viele Kanäle werden bedient?
Dieser Exkurs zeigt einmal mehr: Präsenz ist durch nichts zu ersetzen. Wer mit den Kopfhörern im Ohr die Straße überquert, ist in zwei Beziehungen gleichzeitig: Zum einen mit der Straße und zum anderen mit dem Gehörten. Die Folge: das Ohr hört nicht das gleiche, was das Auge sieht. Hier fällt die Präsenz massiv ab bzw. keiner der beiden Kanäle wird richtig und somit effektiv bedient. Das kann angenehm sein, wenn jemand irgendwo wartet und keine Lust hat, sich auf die Umgebung zu konzentrieren. Die Kommunikationsenergie bleibt beim Gehörten. Es kann jedoch auch risikoreich werden, was die Unfallstatistiken beweisen…
Fazit
Bereits der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick mahnte: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Jeder Mensch darf für sich entscheiden, mit wem oder was und wie intensiv er kommuniziert. Gleichzeitig gilt es zu bedenken: Mangelnde Aufmerksamkeit ist nicht nur eine mentale Angelegenheit, sondern sorgt für eine Einschränkung der Kommunikationsenergie. Wie also will ich kommunizieren – mit einem Gegenüber, einer Umgebung, einer Situation? Kommunikation gelingt nur dann, wenn man sich möglichst auf einen einzigen Kanal im gleichen Moment konzentriert – denn dann ist man nicht nur Sender, sondern empfängt auch im gleichen Maße.