Sebastian Paasch, Gründer und CEO von AMX, einer Beratung für (agile) Zusammenarbeit, Informationsorganisation und Decision Making erklärt, warum bei der Einführung von Effizienz-Tools die Menschen im Fokus stehen müssen. Wer Effizienzherausforderungen gegenübersteht, braucht Tools – aber nicht nur.
Mit wachsendem Kostendruck und anhaltend schwacher Konjunktur steigt in fast allen Unternehmen des Landes auch der Effizienzdruck. Ohne die Möglichkeiten großer Investitionen erkennen viele Entscheider, dass es ihnen gelingen muss, mit den bestehenden Prozessen mehr Performance zu generieren. Dass es dafür Potenzial gibt, ist sehr wahrscheinlich: Laut einer Studie des Software-Unternehmens Lucid vom vergangenen Jahr muss beispielsweise mehr als die Hälfte (55 Prozent) der deutschen Wissensarbeiter „immer“ oder „häufig“ zunächst Informationen suchen, bevor sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen können. Im Schnitt verbringen sie mehr als 6,5 Stunden pro Woche damit.
Für Unternehmenslenker kommt da schnell die Idee auf, digitale Instrumente als Heilsbringer einzuführen. Tools wie Asana, awork, monday, Smartsheet sowie Lösungen der Microsoft-Suite oder des Google-Pakets versprechen, mit geringem Einkaufspreis die Arbeit der Mitarbeitenden des Unternehmens kurzfristig grundlegend zu verbessern. Sie bieten oft eine Kombination aus Anwendungen an, die zusammengenommen alle Bedarfe einer Projektumsetzung erfüllen: Kommunikationsanwendungen, Datenaustausch, visuelle Darstellungsoptionen, Kanban-Boards und vieles mehr.
In vielen Fällen funktioniert die Einführung dieser Instrumente auch ganz nach Plan. Noch zu oft tritt allerdings kurz nach der Einführung des digitalen Hilfsmittels Ernüchterung ein: Obwohl die Tools augenscheinlich viel genutzt werden und sie auf den ersten Blick keine Fehlfunktionen aufweisen, steigen Produktivität und Output nicht. Ein klares Zeichen dafür, dass bei der Einführung zwei grundlegende Faktoren übersehen wurden: die Anwender und die bestehenden Strukturen, die schon vor der Einführung der Tools zu Performance-Abstrichen geführt haben.
Die Tools trifft keine Schuld
Werden Effizienz- und Kollaborationstools richtig eingesetzt, haben sie großes Potenzial. Sie bieten vor allem die Möglichkeit, Informationen übersichtlich und leicht zugänglich an einem Ort zu sammeln. Entscheidend ist dabei, dass alle Projektbeteiligten teamübergreifend Zugriff auf das Tool und damit die Informationen haben. Das sorgt dafür, dass die Transparenz zu Projektfortschritten und Verantwortlichkeiten erhöht wird.
Das ist wichtig, um zu vermeiden, dass sich Informationen und Wissen zu Aufgaben in kleinen Teams sammeln. Wer in einem solchen System auf Wissen zugreifen möchte, muss erst einmal das Team kennen, das die Informationen besitzt, muss dann zur richtigen Zeit den richtigen Ansprechpartner erreichen und schließlich noch seine Anfrage so stellen, dass das Gegenüber auch die richtigen Daten zur Verfügung stellt. Ein Kollaborationstool, auf das alle Zugriff haben, minimiert hingegen die Fehlerquellen, macht Wissensmanagement effizient und verhindert Missverständnisse in der Kommunikation zwischen Mitarbeitenden.
Im Gegensatz zu vergleichsweise starren Ordnerstrukturen oder regelmäßigen Team-Updates lassen sich diese Tools außerdem leicht skalieren, falls sich zum Beispiel zusätzliche Mitarbeitergruppen einem Projekt anschließen. Zusätzlich erlauben fast alle modernen Kollaborationstools einen flexiblen mobilen Zugriff über das Smartphone oder den Laptop, sodass von überall aus dem Unternehmen oder auch aus dem Remote Office darauf zugegriffen werden kann.
Den Faktor Mensch berücksichtigen
All diese positiven Effekte können aber nur dann eintreten, wenn auch tatsächlich alle Mitarbeitenden mit diesen Systemen arbeiten – so wie sie gedacht sind. Das Problem: Nicht selten wird in Unternehmen bei der Einführung von Tools vergessen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Besonders in mittleren und großen Unternehmen gibt es mit Blick auf die Nutzung digitaler Tools ein signifikantes Kompetenzgefälle unter den Mitarbeitenden. Das führt nicht nur dazu, dass die Kollaborationssoftware nicht richtig bedient wird, sondern kann auch Prozesse zum Stocken bringen, die bisher reibungslos liefen, da die Mitarbeitenden ihre Aufgaben mit ungewohnten Arbeitsweisen langsamer verrichten.
Dazu kommt, dass gerade die Anfangsphase mit einem neuen System das Risiko mit sich bringt, dass Parallelstrukturen entstehen, in denen vereinzelte Mitarbeiter weiterhin mit alternativer Software oder analogen Mitteln Informationen anlegen und teilen. Sie meinen es wahrscheinlich gut: Es kommt ihnen in dem Moment schneller vor oder sie setzen auf alten Dateien auf, die noch nicht im neuen System angelegt sind. Informationen, die über das System nicht verfügbar sind, sorgen allerdings für unvollständige Übersichten und verursachen Unklarheiten.
Nicht zu unterschätzen ist auch, dass digitale Systeme, die dazu beitragen, Arbeitsfortschritte zu dokumentieren, Misstrauen wecken können. Sind Mitarbeitende skeptisch, wofür die neuen Systeme gedacht sind und entsteht durch vorschnelles Einführen der Eindruck, dass ihre Wertschätzung erhöhter Effizienz geopfert wird, kann das zu Ablehnung der Software führen – und schnell Ineffizienzen mit sich bringen, die der Organisation schaden.
Selbst, wenn alle Mitarbeitenden an Bord und gut informiert sind, kann es aber dazu kommen, dass Kollaborationstools nicht den erhofften Performance-Schub bringen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass in diesem Fall versäumt worden ist, vor der Einführung neuer Strukturen, die übergeordneten Ziele, Verantwortlichkeiten, Timings und Key Performance Indikatoren ergebnisoffen zu evaluieren. Ein externer Blick kann hierfür sehr wertvoll sein, um Dinge zu hinterfragen, die im Unternehmen seit langer Zeit als gegeben angesehen werden. Da die Kollaborations- und Effizienztools nur so gut sind, wie die Daten und Informationen, mit denen sie ausgestattet werden, ist es essentiell, dass nicht mit den falschen Rahmenbedingungen gearbeitet wird.
Vor der Kollaboration kommt Kommunikation
Der Schlüssel dafür, diese Stolperfallen zu umgehen, liegt in der Kommunikation mit den Mitarbeitenden. Bevor ein neues Tool dieser Größenordnung – und es funktioniert effektiv am besten, wenn es breit angelegt etabliert wird – eingeführt wird, müssen wichtige Fragen geklärt werden wie:
- Wie arbeiten meine Mitarbeitenden aktuell?
- Wie viel Betreuung und Anleitung brauchen Sie für eine neue Software?
- Welche Sorgen haben Sie?
- Inwiefern sind unsere formulierten Ziele und Meilensteine wirklich zielführend? Haben wir sie überhaupt schon für alle verständlich definiert und ausformuliert?
Die Antworten auf diese Fragen liefern dann die Ansätze dafür, um die Mitarbeitenden umfassend zu schulen und zu den anstehenden Prozessen zu informieren. Es ist entscheidend, dass sie nicht nur verstehen, wie die neuen Anwendungen funktionieren, sondern auch, warum sie überhaupt eingeführt werden. Nur, wenn sie verstehen, dass es darum geht, Alltagshürden auszuräumen, die ihnen ganz persönlich im Weg stehen, werden sie sich voll auf ein neues System einlassen – von Kollaborationstools profitiert nicht nur die Organisation, sondern auch der einzelne Mitarbeiter.
Selbst das beste Tool kommt nicht ohne Change-Begleitung aus
Selbst ein perfektes Kollaborationstool bleibt genau das: ein Instrument. Es kann keine Lücken füllen, die in der grundsätzlichen Herangehensweise an Projekte bestehen und kommt mit Herausforderungen, die es zu bedenken gilt. Das schmälert das Potenzial dieser Instrumente dabei keineswegs. Wer es sich zunutze machen möchte, muss sich bewusst sein, dass es einen Einschnitt im Arbeitsleben und den Routinen seiner Mitarbeitenden bedeutet. Dementsprechend muss dieser Change-Prozess geführt und begleitet werden. Er wird nicht von einem Tag auf den anderen vonstatten gehen. Wenn das aber gelingt und die Realität der Anwender bedacht wird, bieten Kollaborationstools in Zeiten von hohem Effizienzdruck allen Unternehmen eine große Chance.