Update vom 21. März 2023; 13:00 Uhr: Seit dem 23. Juni 2022 gilt die Alarmstufe des Notfallplans. Die Bundesnetzagentur beobachtet die Lage genau und steht in engem Kontakt zu den Netzbetreibern. Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet. Eine Gasmangellage im vergangenen Winter konnte verhindert werden.
Gleichwohl bleibt die Vorbereitung auf den Winter 2023/2024 eine zentrale Herausforderung. Deswegen bleibt auch ein sparsamer Gasverbrauch wichtig. Es wird überwiegend eingespeichert. Der Gesamtspeicherstand in Deutschland liegt bei 63,96 %.
- Der Gasverbrauch lag in der zehnten Kalenderwoche 3 % unter dem durchschnittlichen Verbrauch der Jahre 2018 bis 2021. Er ist gegenüber der Vorwoche um 6 % gesunken. Die Temperaturen waren 2,5 °C kälter als in den Vorjahren.
- Der temperaturbereinigte Verbrauch liegt 11,2 % unter dem Referenzwert der Jahre 2018 bis 2021 und damit im kritischen Bereich.
- Die Großhandelspreise sind in den letzten Wochen gesunken. Unternehmen und private Verbraucher müssen sich weiterhin auf schwankende Preise und ein höheres Preisniveau einstellen.
www.bundesnetzagentur.de
Einigung bei Gaspreisdeckel
Am 19. Dezember 2022 einigten sich die EU-Energieminister bei einem Gaspreisdeckel auf eine einheitliche Position. Zusätzlich wurden Positionen bei der gemeinsamen Gasbeschaffung und zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren bei den erneuerbaren Energien verabschiedet.
Der sogenannte Marktkorrekturmechanismus — kurz Gaspreisdeckel — koppelt den europäischen Gaspreis ab einer bestimmten Höhe an die internationalen Preise für Flüssigerdgas (LNG). Der EU-weite Preisdeckel soll ab 15. Februar 2023 vorerst für ein Jahr aktiviert werden können. Dafür müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:
Erstens muss am wichtigen EU-Handelsplatz, dem TTF (Title Transfer Facility) in den Niederlanden, der Preis zur Lieferung im kommenden Monat (“Front-Month”) drei Werktage lang über 180 Euro pro Megawattstunde liegen. Zweitens muss der Gaspreis an denselben Tagen über 35 Euro über dem Weltmarktpreis für Flüssigerdgas (LNG) liegen. Der Weltmarktpreis soll über ein Referenzmodell ermittelt werden.
Der Preisdeckel ist somit dynamisch und nicht auf 180 Euro festgelegt, sondern liegt ebenfalls bei 35 Euro über dem Referenzpreis für LNG. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Europa weiter prioritär mit LNG beliefert wird. Der Mechanismus soll an allen europäischen Gashandels-Knotenpunkten und Handelsplattformen gelten. Er gilt nur für Terminmarktgeschäfte mit einer Laufzeit von einem Monat, drei Monaten und einem Jahr, nicht aber für den Handel über den Spotmarkt oder direkte Gasgeschäfte (OTC: over the counter). Allerdings besteht die Möglichkeit für die EU-Kommission den Mechanismus auf OTC-Geschäfte auszuweiten.
Nach der Aktivierung soll der Preisdeckel für mindestens 20 Werktage gelten und deaktiviert werden, wenn der Gaspreis drei Werktage lang unter 180 Euro pro Megawattstunde liegt oder eine Gasmangellage durch die EU-Kommission festgestellt wird. Der Mechanismus wird auch ausgesetzt, wenn der Gasverbrauch um einen bestimmten Prozentsatz steigt, LNG-Importe “signifikant” fallen oder das Handelsvolumen am Handelsplatz TTF deutlich sinkt.
In den letzten Wochen hat sich der europäische Gasmarkt im Vergleich zu den Extremperioden im August entspannt, so lag der TTF-Front-Month Preis am 12. Januar 2023 für eine Lieferung im Folgemonat bei 67 Euro pro Megawattsunde. Allerdings könnte sich dies je nach Wetterlage, europäischem Bedarf, aber auch internationaler Nachfrage schnell ändern. Trotz der eingebauten Sicherheits- und Aussetzungsmechanismen des Gaspreisdeckels könnten aufgrund der komplexen Dynamik der Energiemärkte noch immer kurzfristige Versorgungsengpässe drohen und die deutsche Wirtschaft weiter belasten.
www.dihk.de
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Steve Hall, Partner und President bei der Information Services Group (ISG) beantwortet Fragen zur europäischen Energiekrise und ihren Auswirkungen auf die IT-Industrie
Wie wird sich die Energiekrise im Winter auf IT-Unternehmen in der EU auswirken?
Die Energiepreise haben einen erheblichen Einfluss auf die Kosten von Rechenzentren und anderen Gebäuden. Infolgedessen wird wahrscheinlich mehr Arbeit ins Homeoffice verlagert werden, um den Energieverbrauch in Unternehmensgebäuden zu senken. Mit Blick auf Rechenzentren beobachten wir bereits einen weiter zunehmenden Trend zum Cloud Computing und dort insbesondere zu den großen Hyperscalern. Sie verfügen in der Regel über besonders kostengünstige Rechenressourcen und weisen eine vergleichsweise gute Klimabilanz auf. Allerdings ist eine solche Umstellung von Rechenaufgaben und -kapazitäten komplex. Deshalb befürchten wir, dass Kunden ihre Technologieausgaben für Aufgaben mit geringerer Priorität zurückfahren werden. Es wird wahrscheinlich ein langer Winter werden. Aber wenn wir davon ausgehen, dass die größten Energieprobleme im Laufe des Frühjahrs 2023 gelöst sind, dürfte es keine massiven Störungen für den IT-Sektor als Ganzes geben.
Was ist der Grund für diese Krise?
Für die aktuelle Krise gibt es mehrere Gründe. Die Abschaltung der Nord Stream 1-Pipeline infolge des Krieges in der Ukraine wirkt sich deutlich auf die weltweiten Erdgasströme aus. Darüber hinaus wird die jüngste Ankündigung der OPEC, die Ölproduktion um zwei Millionen Barrel pro Tag zu senken, den Kostendruck weiter verschärfen. Und der Druck, die CO2-Emissionen zu verringern, macht die Situation noch komplexer. In vielen Bereichen gibt es nicht ausreichend grüne Energie, um den Strombedarf von Rechenzentren zu decken. Viele Unternehmen greifen deshalb auf die großen Cloudanbieter zurück, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren, zumal die Nachfrage nach Speicher- und Rechenleistung so hoch wie nie zuvor ist. Denn die durch die Pandemie noch einmal beschleunigte Digitalisierung der Wirtschaft, führt zu einem wachsenden Bedarf an neuen, digital ausgerichteten Geschäftsmodellen und Anwendungen.
Welche Unternehmen sind besonders betroffen?
Unternehmen mit eigenen, ineffizienten Rechenzentren werden am stärksten betroffen sein. Unternehmen, die diese bereits ausgelagert haben oder auf die Cloud umgestiegen sind, hingegen weniger – obwohl auch sie zu einem geringeren Grad mit Kostenerhöhungen kämpfen werden.
Was wird derzeit unternommen, um die negativen Auswirkungen klein zu halten?
Aus IT-Sicht versuchen die Unternehmen derzeit vor allem, Kosten zu verlagern, um mit den steigenden Energiepreisen klarzukommen. Zudem gehen wir davon aus, dass die während der Pandemie eingeführten Richtlinien für hybrides Arbeiten und das Homeoffice ausgeweitet werden, um Büro- und Gebäudekosten zu senken.
Wie wird die Energiekrise am Ende gelöst werden?
Langfristig gesehen müssen alle Rechenzentren mit grüner Energie betrieben werden, und die Rechenleistungen werden in der Public Cloud stattfinden. Doch wird es einige Jahre dauern, bis dies erreicht ist, so dass die Kosten wahrscheinlich erst einmal steigen. Da diese an die Endverbraucher weitergegeben werden, treibt dies wiederum die Kosten für Waren und Dienstleistungen nach oben, der Inflationsdruck nimmt zu und erzeugt damit wahrscheinlich auch einen anhaltenden Lohndruck. In vielen Fällen werden große Unternehmen ihre Kosten in anderen Bereichen senken, um den Anstieg der Energiekosten auszugleichen.
Wird die Nachfrage nach IT-Services wegen der Energiekrise zurückgehen?
Die Nachfrage nach IT-Technologien ist so hoch wie nie zuvor. Unternehmen aller Branchen haben zuletzt ihre Geschäftsmodelle geändert, um über digitale Kanäle besser mit Lieferanten, Partnern, Kunden und anderen Business-Akteuren interagieren zu können. Blockchain, NFTs und Web3 werden weiter an Relevanz gewinnen und damit auch mehr Rechenressourcen und Energie verbrauchen. ISG geht nicht davon aus, dass die Nachfrage nach IT-Dienstleistungen generell zurückgehen wird. In den kommenden Quartalen könnte es hie und da leichte Einbußen geben, aber insgesamt wird sich die Marktdynamik weiter beschleunigen.
Was ist der Gaspreisdeckel?
Während mit der Gaspreisbremse die Gaskosten bis zu einem bestimmten Verbrauch (in dem Fall 80 bzw. 70 Prozent) reduziert werden, legt ein Gaspreisdeckel einen festen Höchstwert fest. Das heißt, es wird eine Obergrenze für den Preis pro Kilowattstunde bestimmt. Die Regierung legt einen fixen Preis fest, den die Energieversorger wie Stadtwerke und Co. maximal von Haushalten verlangen dürfen. Übersteigt der Einkaufspreis von Gas diesen Fixpreis, kommt der Staat für die Differenz auf – und nicht wie bisher die End-Kund:innen.
Welche Industrie verbraucht am meisten Energie (2021)?
Den höchsten Energieverbrauch hatten 2021 die Wirtschaftszweige „Herstellung von chemischen Erzeugnissen“ sowie „Metallerzeugung und -bearbeitung“. Diese Wirtschaftszweige hatten in 2021 auch den höchsten Stromverbrauch.
Wie hoch ist der Energieverbrauch in Deutschland (2022)?
Der Energieverbrauch in Deutschland erreichte im Jahr 2022 nach vorläufigen Berechnungen der AG Energiebilanzen eine Höhe von 11.829 Petajoule (PJ) beziehungsweise 403,6 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten (Mio. t SKE). Der Verbrauch lag damit um 4,7 Prozent unter dem Wert von 2021 und fiel auf den niedrigsten Stand seit 1990. (Quelle: www.ag-energiebilanzen.de)
Welches Land hat am meisten Energieverbrauch (2021)?
China verbrauchte im Jahr 2021 Primärenergie von knapp 158 Exajoule. Im weltweiten Vergleich war China somit der größte Verbraucher, gefolgt von den USA. Mit großem Abstand folgten Indien und Russland. Deutschland war mit gut zwölf Exajoule der siebtgrößte Primärenergieverbraucher weltweit. (Quelle: Statista)