Projektleiter verbringen oft zu viel Zeit mit administrativen Aufgaben statt mit Teamführung und strategischer Planung. Wie ChatGPT als KI-gestützter Assistent bei der Projektstrukturierung helfen und Projektverantwortliche von Routineaufgaben entlasten kann, zeigt dieser Beitrag anhand eines Beispiels.
Nach meiner langjährigen Tätigkeit im Projektmanagement für internationale Konzerne sowie 20 Jahren in der Beratung und im Training von Projektverantwortlichen hat sich immer wieder gezeigt: Die administrative Last hindert viele Projektleiter daran, sich auf die wirklich wertschöpfenden Aufgaben zu konzentrieren. Projektverantwortliche wünschen sich oft Unterstützung bei wiederkehrenden, aufwändigen Aufgaben. Die zentrale Aufgabe einer Projektleitung ist es, ein Team zu formen und zu führen, dass die erforderliche Arbeit, um ein definiertes Ziel zu erreichen, kooperativ und effizient erledigt. Eine weitere wichtige Aufgabe ist es, die Anforderungen und Erwartungen des Projektumfeld zu verstehen, ggf. zu moderieren und diese in einem passenden Projektvorgehen umzusetzen.
Für diese Kernaufgaben bleibt oft zu wenig Zeit. Hier bietet der Einsatz generativer KI wie ChatGPT eine Chance, Aufgaben zu übernehmen und Projektleiter zu entlasten. Gleichzeit gibt es allerdings oft auch Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit, Sicherheit und Akzeptanz eines Sprachmodells wie ChatGPT.
In diesem Artikel werde ich die Möglichkeiten und Herausforderungen der generativen KI im Projektmanagement beleuchten und anhand eines Beispiels zeigen, wie ChatGPT den Planungsprozess effizienter gestalten kann.
1) ChatGPT auf die Projektplanung vorbereiten
Bevor ChatGPT uns wirksam unterstützen kann, muss es vorbereitet werden – ähnlich wie das Onboarding eines neuen Mitarbeiters. Das notwendige Wissen umfasst Ausgangssituation, Zielsituation und wichtige Kontextparameter wie Branche, Unternehmensgröße und Marktbedingungen.
Diese Informationen stellen unseren ersten Prompt bereit. Als Besonderheit fordern wir ChatGPT auf, lediglich die Information zu wiederholen und keine weiteren Aussagen dazu zu tätigen, da ansonsten die Eingabe kommentiert und Vorschläge für das weitere Vorgehen ausgegeben werden.
2) Das weitere Projektvorgehen definieren
Nun soll definiert werden, welche weiteren Schritte notwendig sind, um aus der eingegebenen Information einen Plan zu entwickeln. In diesem Beispiel geben wir kein spezifisches Projektvorgehen vor. In einem Unternehmen könnte man allerdings an dieser Stelle auch das unternehmenseigene Projektvorgehen zum Beispiel in Form eines Projektmanagement-Handbuchs zur Verfügung stellen. Viele Unternehmen stützen sich dabei auf bewährte Modelle wie PMBOK oder PRINCE2, um sicherzustellen, dass kein wichtiger Schritt ausgelassen wird.
Mit den grundlegenden Informationen können wir die nächsten Schritte gemeinsam mit der KI ausarbeiten.
3) Projektinitiierung
Die Projektinitiierung formalisiert die Ziele und Erwartungen. Ein klarer Projektauftrag reduziert Unklarheiten und stellt sicher, dass alle Beteiligten dieselbe Vision verfolgen.
Insofern können wir ChatGPT fragen, welche Informationen ein Projektauftrag beinhaltet und uns aufgrund der Projektbeschreibung erste Vorschläge anbieten lassen. Während der Projektinitiierung hilft ChatGPT dabei, eine klare Scope-Definition zu erstellen und potenzielle Stakeholder-Zielkonflikte frühzeitig zu identifizieren.
4) Stakeholder-Analyse
Stakeholder sind Betroffene und Beteiligte des Projekts, die maßgeblich Einfluss auf den Projekterfolg haben. Stakeholder haben maßgeblichen Einfluss auf den Projekterfolg. Ihre Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen, sorgt für eine solide Basis.
ChatGPT kann helfen, eine Stakeholder-Matrix zu erstellen, die alle relevanten Interessengruppen identifiziert und ihre jeweiligen Interessen, Einflussmöglichkeiten und Erwartungen analysiert. So wird sichergestellt, dass kein wichtiger Stakeholder übersehen wird.
5) Risiken identifizieren, einschätzen und geeignete Minderungsmaßnahmen identifizieren
Die Erfolgschancen eines Projekts hängen maßgeblich von der Kenntnis und der realistischen Einschätzung der Projektrisiken sowie von der Definition geeigneter Vorsorgemaßnahmen ab. Daher wollen wir nun in diesem Schritt die Risiken identifizieren, bewerten und erste Ansätze für passende Gegenmaßnahmen identifizieren.
6) Projektstrukturplan
Typischerweise werden im Rahmen des Projektauftrags die inhaltlichen Aufgaben eines Projekts nur sehr grob umrissen. Der Projektstrukturplan (PSP) zerlegt das Projekt in handhabbare Teilaufgaben, klärt Verantwortlichkeiten und macht Abhängigkeiten sichtbar. ChatGPT hilft, den PSP zu entwickeln und notwendige Arbeitspakete zu identifizieren.
ChatGPT kann uns dabei unterstützen, den PSP auf Grundlage der Projektziele und bisherigen Informationen zu entwickeln. Die KI ist in der Lage, Aufgaben hierarchisch zu strukturieren und die notwendigen Arbeitspakete basierend auf Best Practices zu identifizieren.
Der Projektstrukturplan und die sogenannten Arbeitspakete sind die Ausgangsbasis für die weitere Planung des Projekts, also u.a. für die Termin- und Ressourcenplanung sowie die Kostenplanung.
Fazit und Ausblick
Die gezeigten Beispiele sollen einen ersten Eindruck vermitteln, welches Potenzial generative KI im Projektmanagement bietet. Projektmanagement basiert stark auf Kommunikation – eine Stärke von ChatGPT. Es hilft, Textkontexte zu analysieren, logische Schlüsse zu ziehen und Strategien zu entwickeln. Aufwändige Aufgaben wie Anforderungsanalysen oder die Erstellung von Meeting-Protokollen lassen sich effizienter gestalten. Auch bei der Entwicklung kreativer Lösungen ist ChatGPT hilfreich.
Zusammenfassend bietet der Einsatz von ChatGPT im Projektmanagement folgende wesentliche Vorteile:
- Automatisierung zeitintensiver Aufgaben wie Dokumentation und Protokollierung.
- Unterstützung bei der Ideengenerierung und Strukturierung komplexer Aufgaben.
- Analyse von textbezogenen Anforderungen und Erstellung von strukturierten Projektinhalten.
- Wiederverwendbarkeit der entwickelten Prompts für zukünftige Projekte, oft ohne größere Anpassungen.
Mathematische Berechnungen sind bisher nicht die Stärke von Sprachmodellen, auch wenn sich aktuell ein sehr schneller Fortschritt im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit zeigt. Für die Berechnung von Projektaufwänden, Terminen und Ressourcenbedarfen sind daher aktuell andere Machine-Learning-Verfahren, die auf Basis historischer Daten Prognosen erstellen können, erfolgversprechender. Allerdings ist der limitierende Faktor vielfach, dass Unternehmen heute oft nicht über qualitativ hochwertigen Daten aus vergangenen Projekten verfügen, die als Erfahrungswerte früherer Projekte genutzt werden können, um für aktuelle Projekte Vorhersagen zu treffen. Das heißt, eine vordringliche Aufgabe der Unternehmen sollte es sein, eine Datenmanagement-Strategie zu entwickeln und damit zu beginnen, eine solche Datenbasis aufzubauen.
Als Fazit bleibt, dass die generative KI schon heute einen erheblichen Beitrag zu einer effizienteren und erfolgreicheren Durchführung von Projekten ermöglicht. Mit der rasanten Entwicklung der KI werden sich diese Möglichkeiten sehr schnell erweitern. Daher liegt es mir sehr am Herzen, allen Projektverantwortlichen ans Herz zu legen, sich möglichst früh mit dieser Technologie auseinanderzusetzen, um nicht abgehängt zu werden. Denn diese Gefahr besteht bei der rasanten Entwicklung in diesem Themenfeld.
Quellenangabe für alle Bilder des Beitrags: Elmar Sänger