Wie steigern Projektleiter die Produktivität Ihrer Teams nachhaltig und ohne Stress zu erzeugen? Drei kluge Fragen helfen dabei, richtig zu delegieren. Sie stärken die Selbstorganisation und das kontinuierliche Lernen Ihrer Mitarbeiter.
Manchmal können wir ein Projekt einen ganzen Tag lang professionell managen und alle bewährten Verfahren einsetzen, um ein Ergebnis zu erzielen, das nach nur einigen Minuten hätte da sein können. Das alles hängt ganz entscheidend davon ab, ob wir uns auf die Selbstorganisation unserer Mitarbeiter verlassen können oder nicht.
Hier ein einfaches Beispiel, das ich schon oft erlebt habe: Bei großen Konferenzen sitzen viele Hunderte von Menschen um große Tische und Stühle herum und hören einem Redner zu, und der freie Platz ist rar. In einem interaktiven Teil müssen alle schnell Gruppen bilden und umbilden können. Daher bittet der Redner alle Teilnehmer, die Tische auf die rechte Seite des Raums und die Stühle auf die linke Seite zu stellen.
Die Teilnehmer schauen sich gegenseitig an, bevor sie sich ruhig erheben. Die Stärkeren beginnen, die Tische hochzuheben, während die anderen einen oder zwei Stühle nehmen und sie auf der anderen Seite stapeln. Wenn nötig, bilden sich Schlangen und man hilft sich gegenseitig. In weniger als zwei Minuten ist die ganze Arbeit getan, weil sich alle selbst organisiert haben. Niemand musste ihnen sagen, was sie tun sollen. Sie finden es selbst heraus und handeln. Im Raum finden gleichzeitig Kommunikation und Entscheidungen statt, wo sie nötig ist; alle koordinieren sich gegenseitig.
Stellen Sie sich vor, wie viel Koordination nötig wäre, um diesen Prozess des Umstellens von Stühlen und Tischen professionell zu managen:
- Wie lange bräuchte die Ausarbeitung des Plans und der verschiedenen Anweisungen, die man den Leuten geben muss? Dabei zu beachten wären z. B. die körperlichen Beeinträchtigungen.
- Wie verteilt man all diese Anweisungen schnell? Wie bewältigt man die Konflikte, z. B. wenn jemand zuerst mit seinem Tisch fertig stapeln will.
- Wie würde man den Fortschritt messen?
Wenn wir wollen, könnten wir einen ganzen Tag damit verbringen, zu verwalten und zu koordinieren.
Zugegeben, die meisten beruflichen Projekte sind komplizierter als das Verschieben von Stühlen und Tischen. Und doch können sie die Produktivität durch Ausnutzen von Selbstorganisation erheblich erhöhen.
Wenn Sie sich systematisch diese drei Fragen stellen, wenn Sie Arbeit delegieren, können Sie den Overhead erheblich reduzieren und die Eigenverantwortung Ihrer Teams erhöhen.
1. Frage: Was werde ich beobachten (sehen, hören, lesen), wenn die Arbeit erledigt ist?
Wenn Sie Arbeit delegieren, besteht der wichtigste und oft aufwendigste Teil der Aufgabe darin, das erwartete Ergebnis der Arbeit zu vermitteln. Delegieren Sie Ergebnisse, nicht To-Dos. Dabei ist es auch wichtig zu erklären, warum dieses Ergebnis wichtig ist, aber das Warum allein reicht nicht.
Stellen Sie sich vor, der Moderator hätte im obigen Beispiel zu den Teilnehmern gesagt: „Bitte sorgen Sie dafür, dass der Raum genügend Platz bietet, damit Sie innerhalb von fünfzehn Sekunden Gruppen von neun Personen bilden können.“ Klingt nach einem schönen, klaren Ziel, oder?
Aber was bedeutet dieses Ziel für jede Einzelne? Bevor jemand etwas unternehmen kann, müssen sich all diese Hunderte von Teilnehmern auf dasselbe Endergebnis einigen. Das kann eine Weile dauern. Wenn aber jede Person weiß, wie das Endergebnis aussieht, kann sie selbst herausfinden, was sie dazu beitragen kann. Das macht es auch möglich, stolz auf die eigene Arbeit zu sein, aus Fehlern zu lernen und auch eigene Fähigkeiten zu verbessern.
Wenn Sie das nächste Mal eine ähnliche Aufgabe an dieselbe Person oder Teams delegieren, haben Sie ein Gegenüber, das mit Ihnen mitdenkt und von der eigenen Lernkurve profitiert. Umgekehrt, wenn es das erste Mal ist, dass Sie als Führungsperson ein solches Ergebnis delegieren, und ggf. aus guten Gründen nicht bereit sind, das gesamte Ergebnis jemandem anderen anzuvertrauen, können Sie mithelfen. Dann ist es aber wichtig, dass Sie tatsächlich nur unterstützen und die Hauptverantwortung beim Team oder bei der Person belassen, an die Sie delegiert haben.
2. Frage: Was sollen meine Kollegen auf lange Sicht lernen?
Was Feedback bekommt, wird verbessert.
Vergewissern Sie sich, dass das Ergebnis, das Sie von Ihren Mitarbeitern verlangen, das ist, was diese auf lange Sicht beherrschen sollen.
Nehmen wir an, Sie leiten die Verkaufsabteilung eines Buchhandelsunternehmens. Wenn Sie Ihr Team bitten, potenzielle neue Kunden zu recherchieren, dann werden sie durch konstruktives Feedback besser recherchieren lernen. Wenn Sie sie bitten, zehn Termine mit Geschäftsführern kleiner bis mittelgroßer Buchhandlungen zu vereinbaren, werden sie Wissen in einem viel größeren, ganzheitlicheren Arbeitsbereich aufbauen müssen: Recherche, Präsentation, Ansprache, Überzeugen.
Letztendlich könnten Sie auch beauftragen, alles bis zum endgültigen Verkauf durchzuführen. Es gibt dann aber das Risiko, sie mit der Verantwortung zu überfordern, sodass sie am Ende nicht lernen und der Verkauf nicht zustande kommt. Das richtige Gleichgewicht aus Herausforderung und Fähigkeit zu finden, ist herausfordernd und auch genau der Grund, warum Sie der erfahrenere Manager sind.
Sehen Sie Ihre Aufgabe darin, die Fähigkeiten Ihres Teams kontinuierlich auszubauen, damit es mehr und mehr ganzheitliche Ergebnisse liefern kann.
3. Frage: Welches Ergebnis ist „gerade groß genug“ um beurteilt zu werden?
Es ist wichtig, Ergebnisse zu delegieren, die innerhalb weniger Tage oder Wochen abgeschlossen werden und beurteilt werden können.
Wenn das Feedback zu spät kommt, lernen wir in der Regel nicht. Die Informationen bleiben einfach nicht haften, wir können sie nicht mit unseren Handlungen verbinden, die zum Ergebnis geführt haben.
Stellen Sie sich vor, Sie lernen Piano zu spielen und müssen fünfzehn Minuten warten, bis Sie den Klang der Tasten hören, die Sie angeschlagen haben. Wie gut würden Sie lernen? Fünfzehn Sekunden später ist schwer genug. Fünfzehn Minuten? Unmöglich.
Der renommierte Autor und Nobelpreisträger Daniel Kahneman drückte es in seinem Buch “Thinking, Fast and Slow” so aus: „Ob Fachleute die Chance haben, intuitives Fachwissen zu entwickeln, hängt im Wesentlichen von der Qualität und der Geschwindigkeit des Feedbacks sowie von ausreichenden Gelegenheiten zum Üben ab.“
Kahneman schildert den Unterschied am Beispiel von Anästhesisten und Radiologen. Die Ersten sehen bei der kontinuierlichen Überwachung der Körperwerte von Patienten im Rahmen einer OP innerhalb von Minuten nach der Verabreichung eines Medikaments, wenn sich dessen Herzschlag zu sehr verlangsamt oder sein Blutdruck springt. Auf diese Weise können sie recht schnell lernen eine gute Intuition dafür für ihren Fachbereich entwickeln. Im Gegensatz dazu wissen Radiologen möglicherweise erst nach Monaten oder sogar Jahren, wenn sie beim Betrachten der Röntgenbilder ein wichtiges Detail oder gar eine Krankheit übersehen haben. Ein schnelles Lernen war ihnen erschwert.
In vielen Arten von Arbeit ist es recht einfach zu steuern, wie groß das Ergebnis der Arbeit ist, welches man delegiert. Im Vertriebsbeispiel von oben könnte man zum Beispiel statt “10 vereinbarte Termine mit…” nur “2 vereinbarte Termine mit …” als Aufgabe formulieren.
In größeren Projekten ist diese Verkleinerung der Ergebnisse aber nicht so einfach. Hier ist es wichtig zu lernen, wie man die Arbeit so schneiden kann, dass dabei immer noch wertvolle beurteilbare Ergebnisse herauskommen. Diese Fähigkeit nennt man im Englischen “Slicing Work”.
Fazit
Delegieren Sie am besten beobachtbare Ergebnisse, die für Ihre Teams so ganzheitlich wie möglich sind und die innerhalb von Wochen oder besser noch Tagen erbracht und beurteilt werden können.
Es mag gerade am Anfang nicht einfach erscheinen. Die gute Nachricht ist, dass Sie, sobald Sie sich diese drei Fragen regelmäßig stellen, sehr schnell besser darin werden.
Und die daraus resultierenden Fähigkeiten werden sich für Sie persönlich und Ihre Teams hundertfach auszahlen.
The Art of Slicing Work: How to Navigate Unpredictable Projects
Wenn Sie ein Problem ignorieren, wird es nicht verschwinden verschwinden.
Und doch ist es genau das, was die meisten Organisationen tun, wenn eine Unvorhersehbarkeit auftaucht. Warum arbeitet man nicht mit der Unvorhersehbarkeit anstatt sie zu bekämpfen?
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