Teil 3/3

Wie wird man Thought Leader?

Thought Leadership baut auf Anerkennung und nicht auf Werbung. Man muss sich die Position verdienen und kann sie nur sehr vorsichtig für sich reklamieren. Andernfalls droht die Gefahr, nicht ernst genommen zu werden.

Deshalb ist es auch wichtig, jede Form der Anerkennung von außen für das Marketing zu nutzen: Beiträge, Zertifikate oder Referenzen helfen enorm dabei, die Glaubwürdigkeit zu unterstreichen.

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Um ein Unternehmen als Thought Leader zu positionieren, arbeiten wir in der Praxis nach einem Sechs-Stufen Modell:

1. Erfahrungen machen

Ohne Erfahrungen kann man außerhalb akademischer Zirkel kein Vordenker werden. Ein Unternehmen braucht profunde Kenntnisse des Marktes und der Kundenherausforderungen. Reine Theorie reicht dabei nicht aus. Nur wer schon eine große Anzahl an vergleichbaren/ähnlichen Projekten absolviert hat, kann Strukturen und Muster erkennen und sie in einem Lösungsansatz verarbeiten.

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2. Lösungen suchen

Im Thought-Leadership-Marketing schleicht sich sehr leicht der Irrglaube ein, man müsse eine neue Lösung erfinden. Das ist gar nicht notwendig. Einer der erfolgreichsten Thought-Leadership-Ansätze, Business-Reengineering, wurde beispielsweise nicht von den Autoren des Buchs erfunden und zu einem Beratungsansatz formuliert. Vielmehr untersuchten die Berater über mehrere Jahre strukturiert, was Automobilunternehmen erfolgreich machte. Sie erstellten daraus eine Systematik, die sie bei anderen Unternehmen umsetzen konnten. In den Worten des Autoren Michael Hammer mussten sie den Lösungsansatz finden und nicht (neu) erfinden.

3. Verifizieren

Ihren Lösungsansatz müssen Unternehmen nicht nur erdenken oder finden, sondern auch systematisch untersuchen und verallgemeinern. Ihr Ansatz muss also auf Basis empirischer Forschung überprüft und verifiziert sein.

Verschiedene logisch-analytische Ansätze (Beispielsweise die zur Methode der Buyer Persona-Entwicklung nach Adele Revella oder Tony Zambito) sind für die Überprüfung erkenntnisgewinnend und effizient. Somit lassen sich auch mit geringem Datenvolumen strukturelle Erkenntnisse gewinnen, um die Logik eines Thought-Leader-Ansatzes zu verifizieren.

4. Lösungsansatz definieren

Anschließend muss der Lösungsansatz inklusive aller Schritte, Prozesse und Umfeldbedingungen definiert werden.

  • Wie hängt was miteinander zusammen?
  • Welche Vorteile ergeben sich?
  • Was für Hindernisse gibt es?
  • Welche Erfahrungen können herangezogen werden?

Solche Fragen müssen Unternehmen in diesem Kontext beantworten.

5. Schreiben

Wir leben auch heute noch in einer Welt, in der Informationen vor allem schriftlich vermittelt werden. Fachbeiträge, E-Books und Whitepaper, vor allem aber Fachbücher begründen den Ruf eines Thought Leaders. Wer einen Verlag davon überzeugt, dass der Lösungsansatz nicht nur pure Theorie, sondern hilfreiche Praxis für eine relevante Anzahl an Lesern ist, gewinnt an Anerkennung und Glaubwürdigkeit.

6. Inhalte teilen und Lösungsansatz diskutieren

Solange der Lösungsansatz in der Schublade bleibt, hat er vertrieblich keine Wirkung. Das Marketing muss den Ansatz nehmen und in kommunizierbare „Portionen“ verpacken. Zum Beispiel auf der Website, in Broschüren, Whitepapern und Case Studies. Genauso sollten aber auch Blogs, die Timelines bei Facebook, LinkedIn oder XING sowie Twitter für die Kommunikation genutzt werden. Aus profunden Überlegungen werden dabei kurze Gedanken, die zum Weiterlesen anregen sollen.

Links, Re-Tweets, Kommentare, Beiträge, Empfehlungen oder Redner-Engagements – all das begründet bzw. steigert die Glaubwürdigkeit und die Anerkennung eines Thought Leaders. Beides entwickelt sich über die Zeit, d. h. Unternehmen müssen die Kommunikation für einen neuen Lösungsansatz schon einige Monate, wenn nicht Jahre, durchhalten, bevor sich Erfolge zeigen. Dann aber wirken sie unter Umständen auch über viele Jahre. Es empfiehlt sich, diese Referenzen alle zu sammeln. Auch Zertifikate, Abschlüsse und Auszeichnungen helfen, selbst wenn sie nur bedingt passen.

Das Rad muss sich weiter drehen

Wichtig ist, dass das Thema am Leben gehalten wird. Das bedeutet auch, dass Beiträge fremder Autoren aufgegriffen und kommentiert oder empfohlen werden sollten. Zudem muss die Relevanz kritischer Meinungen überprüft werden. Solange man als Initiator des Ansatzes erkennbar bleibt, trägt dies dazu bei, die Relevanz auszubauen.

Daraus ergibt sich ein Closed-Loop-Marketing: Der Anbieter kommuniziert seine neuen Einsichten zum Lösungsansatz, sie werden aufgegriffen, der Anbieter greift in seinem Marketing wiederum die positiven Meinungen anderer auf, nutzt sie für die Kommunikation von Erweiterungen und Neuerungen, diese werden wieder aufgegriffen etc.

Wie nachhaltig ist Thought Leadership?

Mit der Zeit verblasst Thought Leadership. Wenn alle Anbieter entsprechende Produkte oder Projekterfahrungen haben, nimmt der Vorreitervorteil ab. Wie lange das dauert, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa der Adaptionsgeschwindigkeit im Markt, das Tempo der Wettbewerber bei der Themenübernahme oder der Relevanz des Themas.

Die Relevanz eines Themas sowie die Zielgruppen eines neuen Angebots ändern sich mit der Zeit. Der Technology-Adoption-Lifecycle von Geoffrey A. Moore oder der Themenzyklus von Forrester sind dafür geeignete Denkmodelle. So werden die Zielgruppen entlang des Technology-Adoption-Lifecycle immer risiko-averser. Dementsprechend verlieren Innovationen und ein neuer Lösungsansatz an Strahlkraft sowie an Relevanz. Andere Faktoren wie Sicherheit gewinnen hingegen an Bedeutung.

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Thought Leadership ist zeitlich begrenzt

Wie bereits ausgeführt, hat jede Thought Leadership eine begrenzte Mindesthaltbarkeitszeit: das Thema wird – wenn es konkrete Vorteile bringt – zum Allgemeinangebot. Zudem ist es wie bei jedem neuen geschäftlichen Vorhaben: Nicht das Konzept, sondern die Umsetzung ist entscheidend für den Erfolg. Möglicherweise ist ein Unternehmen zwar sehr gut darin, neue Themen zu entwickeln und zu besetzen. Bei der Umsetzung dieser Lösungsansätze sind hingegen andere Anbieter wesentlich besser.

TL und Content Marketing

Im Content Marketing geht es in erster Linie darum, ein Vertrauensverhältnis zu potentiellen Kunden aufzubauen. Indem Sie sich mit Ihren Inhalten als kompetenter, lösungsorientierter Entscheidungshelfer positionieren, schaffen Sie die Basis dafür, dass Ihre Kontakte sich für eine Zusammenarbeit mit Ihnen entscheiden.

Aus diesem Grund ist Content Marketing gerade für B2B-Unternehmen interessant, deren Produkte und Dienstleistungen erklärungsbedürftig sind. Deren Kunden kaufen oftmals die Katze im Sack – denn wie etwa ein Beratungsansatz in der Praxis funktioniert, können sie ohne weiteres nicht erkennen. Dafür brauchen sie Content, der ihnen vermittelt, wie der Beratungsansatz funktioniert und was er für ihr Unternehmen bedeutet. Das erleichtert ihnen ihre Entscheidung und gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit – das ist wichtig, denn oftmals ist diese Entscheidung von hoher strategischer Relevanz.

Die fünf Typen kommerzieller Informationen

Allerdings ist nicht jeder Content dafür geeignet, diese Ziele zu erreichen. Das zeigt sich an den fünf Typen kommerzieller Informationen, die Brent Adamson, Matthew Dixon, Pat Spenner und Nick Toman von CEB, heute Gartner, in ihrem Buch „The Challenger Customer“ identifiziert haben, besonders deutlich:

Thought Leadership

Thought Leader-Content

Auch wenn es seltsam klingt: Ihr Content-Angebot sollte sich zumindest auf Thought-Leader-Niveau bewegen. An dieser Stelle kommt nun die zweite Definition ins Spiel, die wir eingangs erwähnt haben. Mit Thought-Leader-Content ist in diesem Fall nicht gemeint, dass Sie mit Ihrem Angebot das Rad neu erfinden und Ihre Erkenntnisse veröffentlichen. Stattdessen geht es darum, sich mit seinen Content-Angeboten stets am Puls der Zeit zu bewegen, die aktuellsten Trends und wissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen und Content zu kreieren, der sich von den Angeboten der Wettbewerber abgrenzt.

Thought Leadership kann zu wenig sein

Vielleicht wundern Sie sich, dass Thought Leadership in diesem Modell nicht der Idealzustand ist. Das liegt daran, dass Thought-Leader-Content nicht automatisch dazu führt, dass Kunden Interesse an einer Zusammenarbeit mit Ihnen entwickeln.

Das Problem ist, dass viele Anbieter zwar ein unglaublich großes Know-how in ihrem Gebiet unter Beweis stellen, sich dabei aber zu stark auf sich selbst und ihr eigenes Angebot fokussieren. Daher kommt es vor, dass potentielle Kunden Zweifel bekommen, ob der Thought Leader als Partner in Frage kommt – oder ob es sich eher um einen „Theoretiker“ handelt, dem die Implementierung seiner Lösung in der Praxis schwer fällt.

(Commercial-)Insights-Content

Deswegen ist es wichtig, dass Ihr Content nicht nur innovativ und einzigartig ist. Entscheidend sind zwei weitere Elemente:

  • Zum einen müssen Sie mit Ihrem Content verdeutlichen, dass Sie über ein tiefes Verständnis der Probleme und Herausforderungen Ihrer potentiellen Kunden verfügen. Die CEB-Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von Insights-Content. Statt nur die Vorzüge Ihrer Lösung zu betonen, müssen Sie also auch Ihre Branchenkompetenz und Praxiserfahrung in den Vordergrund rücken. Und verstehen, worauf es Ihren Kunden im Entscheidungsprozess wirklich ankommt.
  • Zum anderen – und das ist die Königsdisziplin im Content Marketing – vermitteln Sie mit Ihrem Content idealerweise, dass Ihr Unternehmen für die Lösung eines Kundenproblems am besten geeignet ist. Mithilfe von Commercial-Insights-Content vermitteln Sie also nicht nur Fachkompetenz, Branchenwissen und Praxiserfahrung. Darüber hinaus stellen Sie auch Ihre USP heraus – mit dem Ziel, dass potentielle Kunden den Eindruck gewinnen, dass nur Sie zu deren Anforderungen, Zielen und Herausforderungen passen.

Was folgt daraus?

Nach unserer Erfahrung sollte Ihr Content sich mit Blick auf dieses Modell zumindest auf Thought-Leader-Niveau bewegen. Die nächste Stufe – Insights-Content – erreichen Sie am einfachsten, wenn Sie mit einer professionell erstellten Buyer Persona arbeiten. Dabei handelt es sich um eine modellhafte Beschreibung von Zielkunden, die zeigt, wie diese Kunden „ticken“, was sie erreichen möchten, welche Ziele sie beschäftigen und auf welche Weise sie Kaufentscheidungen treffen. Diese Informationen sind für Insights-Content von unschätzbarem Wert.

Commercial-Insights-Content zu entwickeln, ist dagegen ungleich schwerer. Dafür braucht es eine ausführliche Analyse Ihres Unternehmens sowie des Wettbewerbs, an der möglichst viele Spezialisten aus unterschiedlichen Fachbereichen beteiligt sein sollten. Gemeinsam müssen Sie eruieren, worin Ihr USP besteht – das Alleinstellungsmerkmal, das dafür spricht, dass Kunden bei Ihnen am besten aufgehoben sind.

Was dieses Alleinstellungsmerkmal betrifft, sollten Sie sich keine Illusionen machen: Heutzutage betrifft es nur noch selten das eigentliche Angebot eines Unternehmens. Meistens ist es eine Mischung aus verschiedenen Faktoren (etwa Beratungskompetenz, Kundenwissen, Branchenerfahrung, Service etc.), die ein Unternehmen einzigartig macht. Diese Mischung müssen Sie gemeinsam mit Ihren Kollegen identifizieren – und in Ihren Content-Angeboten an den richtigen Stellen betonen.

Teil 1:

Zweidimensionales Thought Leadership

Teil 2:

Die Verankerung von Thought Leadership im Unternehmen

 

Torsten

Herrmann

Geschäftsführer

chain relations GmbH

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