Mustererkennung, Prozessautomatisierung und Prognosen – das Potenzial von KI ist weithin bekannt.
Computer Vision macht es vor: Hier interpretieren Machine-Learning-Algorithmen Bilder in einem Bruchteil der Zeit. Ob die Algorithmen nun Dellen in Aluminiumdosen detektieren, Krebsherde in Röntgenaufnahmen aufspüren oder die Landnutzung eines Gebiets anhand von Satellitenaufnahmen analysieren – das grundlegende Funktionsprinzip bleibt gleich. Und damit auch das Potenzial. Dieses macht sich GeoAI, also die Verbindung von geografischen Daten und KI, zunutze, um einen Mehrwert für Gesellschaft und Umwelt zu schaffen.
Zu Recht als Gamechanger bezeichnet, bedient sich GeoAI der gesamten KI-Klaviatur, um Muster in der Flut räumlicher und zeitlicher Informationen zu erkennen. Dabei reichen mögliche Inputs von Satelliten- und Drohnenaufnahmen über Punktwolken aus LiDAR- und mobilen Laser-Scannern bis hin zu Echtzeit-Daten, etwa zur Verkehrs- oder Wetterlage. KI ist dabei der Oberbegriff für Systeme, die „Denkaufgaben“ wie Sprachverarbeitung oder Mustererkennung übernehmen oder Experten bei der Entscheidungsfindung unterstützen – regelbasiert oder mittels selbstlernender Algorithmen. Stichwort selbstlernend: Machine Learning befähigt Systeme, Aufgaben zu erledigen, deren Lösung nicht allein durch exakte Programmierung erreicht werden kann.
Anwendungsfälle für GeoAI
Klassische Einsatzszenarien für GeoAI sind Klassifikation und Clustering von Einzelinformationen aus bestehenden Geodaten sowie Mustererkennung. Deep Learning geht noch einen Schritt weiter: Tiefe neuronale Netzwerke (Deep Neural Networks, kurz: DNNs) erkennen komplexe Muster in gewaltigen Datenmengen. Während Machine Learning häufig handkuratierte Parameter zur Datenanalyse heranzieht, lernt Deep Learning direkt aus Bilddaten und erkennt hierarchische Merkmale von Kanten über Strukturen bis hin zu kompletten Objekten.
Die Einordnung von Inhalten in Kategorien (Image Classification) bildete den ersten Berührungspunkt zwischen KI und Geoinformationssystemen. Damit lassen sich Objekte in Satelliten- oder Drohnenaufnahmen klassifizieren, beispielsweise Grünflächen. Im Unterschied zur Image Classification „durchkämmt“ die Image Segmentation ein Bild regelrecht und ordnet jedes einzelne Pixel einer Kategorie zu. Damit lassen sich Flächen innerhalb eines Rasters sehr präzise klassifizieren – etwa Solarzellen.
Wie der Name bereits verrät, werden bei Object Detection einzelne Objekte innerhalb einer Aufnahme erkannt, beispielsweise Windräder, Hochspannungsmasten oder Bäume. Instance Segmentation geht noch einen Schritt weiter als die Object Detection. Die erkannten Objekte, beispielsweise Häuser, werden als Umrisse extrahiert.
Um das volle Potenzial dieser GeoAI-Szenarien zu entfalten, braucht es die richtigen Tools. Vor allem die nahtlose Integration verschiedener Werkzeuge und die Möglichkeit, externe Frameworks anzubinden, eröffnet große Flexibilität bei der Nutzung von KI im GIS-Kontext.
Vom Rückspiegel zum Fenster in die Zukunft: GeoAI in der Praxis
GeoAI reduziert nicht nur drastisch den Zeitaufwand für Aufgaben, die manuell kaum zu stemmen wären, sondern verkürzt auch die Reaktionszeit im Ernstfall. Wenn Daten aus verschiedenen Quellen nahezu in Echtzeit analysiert werden, behalten Verantwortliche kritische Situationen im Blick – und im Griff. So verschaffen Karten mit GeoAI-basierten Auswertungen Einsatzkräften im Fall eines Katastropheneinsatzes sehr schnell einen gemeinsamen Überblick aller Beteiligten, etwa über betroffene Objekte oder Infrastrukturen. Ein anderes Beispiel: Der Verkehrsfluss in Städten lässt sich anhand von Echtzeitdaten smart steuern, um Staus zu minimieren.
Doch Echtzeitauswertungen und ein durch GeoAI unterstütztes Lagebild sind erst der Anfang. GeoAI-Tools erkennen Tendenzen, bevor sie zum Problem werden. Solche Tools analysieren beispielsweise Drohnenaufnahmen von Start- und Landebahnen, um feine Risse im Asphalt aufzuspüren – lange bevor sie zu Sicherheitsrisiken führen. Flughafenbetreiber können Wartungseinsätze dadurch vorausschauend planen und teure Betriebsausfälle vermeiden.
Und GeoAI denkt noch weiter voraus: Durch die Analyse historischer Daten lassen sich Entwicklungen in die Zukunft fortschreiben. So kann das System schleichende Entwaldung frühzeitig aufdecken und Risikoprognosen über Starkregengebiete abgeben. Im urbanen Bereich hilft GeoAI, Verkehrsflüsse zu modellieren und so Infrastrukturen datenbasiert zu optimieren. Dieser Ansatz funktioniert nicht nur in der Stadtplanung, sondern auch der Privatwirtschaft: Auf Basis von Location Intelligence lässt sich beispielsweise der perfekte Standort für die nächste Filiale einer Gastronomiekette ermitteln.
Ob in der präventiven Infrastrukturwartung, beim Katastrophenmanagement oder in der urbanen Planung, die Fähigkeit, riesige Mengen räumlicher Daten in Echtzeit zu verarbeiten und präzise Handlungsempfehlungen abzuleiten, macht GeoAI zu einem echten Gamechanger.
Autor: Marko Prisky, CTO bei Esri Deutschland