Wenn wir im Winter Spargel essen oder Hightech-Automobilkomponenten vom anderen Ende der Welt beziehen, haben wir leicht das Gefühl, dass wir die Entfernung überwunden und den Globus beherrscht haben. Und dann kam die Pandemie.
Plötzlich waren die Supermarktregale, von denen wir lange erwartet hatten, dass sie vor Überschuss strotzen, leer, und die Produktionsstraßen kamen mangels Material zum Stillstand. Was ist mit unseren viel gepriesenen, hochagilen, digitalen Lieferketten schiefgelaufen?
Das Problem liegt weniger in der Technologie, die der internationalen Logistik zugrunde liegt, sondern vielmehr in den Beziehungsmodellen zwischen Käufern und Lieferanten. Vereinfacht ausgedrückt, halten die Unternehmen immer noch an den vordigitalen Eins-zu-eins-Beziehungen fest und fügen lediglich einen Anstrich von Digitalisierung hinzu.
Das Dilemma
Die Digitalisierung mag der Schlüssel zu der für reaktionsschnelle Lieferketten erforderlichen Agilität und Einsicht sein. Aber es ist für Unternehmen von Natur aus schwierig, sie selbst durchzuführen. Die meisten Unternehmen machen mehrere Fehlversuche, bevor sie ein System finden, das für sie funktioniert. Nach so vielen kostspieligen Versuchen ist es in ihrem Interesse, dass auch ihre Lieferanten das System übernehmen. Aber “digital sein” ist keine Erfolgsgarantie. In den meisten Fällen haben sogar die Unternehmen, die diese Systeme entwickeln und in Auftrag geben, nur wenige nennenswerte Vorteile davon – und sicherlich bei weitem nicht das, was die Digitalisierung erreichen könnte.
Digitalisierung sollte so nicht sein. Sie sollte Unternehmen auf der ganzen Welt miteinander verbinden und ihnen die Freiheit geben, neue Beziehungen und Verbindungen zu knüpfen – so wie es die sozialen Medien tun. Es sind keine Investitionen oder neue Infrastrukturen erforderlich. Unternehmen treten einer universellen Plattform bei und beginnen mit der Digitalisierung aller Aspekte Ihrer Beziehungen, von der Rechnungsstellung über den Einkauf bis hin zu den Zahlungen.
Digital Vernetzen
Digitale Netzwerke bedeuten, dass Unternehmen nicht mehr 100 Prozent ihrer Zeit mit dem Aufbau und der Verwaltung der 20 Prozent ihrer Geschäftsbeziehungen verbringen müssen, die 80 Prozent ihres Umsatzes einbringen. Stattdessen können sie ihr gesamtes Lieferketten-Ökosystem, einschließlich der “Long-Tail”-Lieferanten ganzheitlich betrachten.
Sowohl Einkäufer als auch Lieferanten erhalten Transparenz und Einsicht in die gesamte Lieferkette – und zwar nicht nur bei ihren Tier-1-Lieferanten, sondern auch bei den Lieferanten ihrer Lieferanten, so dass diese ihre Nachhaltigkeit oder ihre Umwelt-, Sozial- und Governance-Belange (CSR) zweifelsfrei nachweisen können. Sie können Online-Marktplätze einrichten und sogar neue Methoden zur Finanzierung der Lieferkette entwickeln, die jedem Unternehmen in der globalen Lieferkette zugutekommen.
Wenn Unternehmen die Digitalisierung so nutzen, wie sie gedacht war – nämlich zur Schaffung weltweiter Netzwerke von Käufern und Lieferanten -, können sie den internationalen Handel fit machen für alles, was die Zukunft bringt.