Die Steigerung der Produktivität ist für deutsche produzierende Unternehmen von zentraler Bedeutung. In den letzten Jahren hat die Fertigungsindustrie hierzulande allerdings eine Phase der Stagnation und des Rückgangs erlebt, sowohl in Bezug auf die Produktivität als auch auf die Investitionen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft spricht von Investitionsausfällen von insgesamt 210 Milliarden Euro seit 2020 bis Mitte 2024, darunter auch Investitionen in Produktionsanlagen, Maschinen und IT-Ausstattung. Diese Entwicklung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Produktivität, deshalb gilt es hier schnellstmöglich entgegenzusteuern.
In der verarbeitenden Industrie wurden Produktivitätssteigerungen in der Vergangenheit vor allem durch Investitionen in physische Automatisierung erreicht – etwa durch Maschinen, Robotik und 3D-Druck. Diese Technologien sollten manuelle Tätigkeiten ersetzen und so Effizienz und Qualität verbessern. Obwohl die physische Automatisierung für viele Unternehmen erfolgreich war, stellen die hohen Kosten für neue Anlagen und Maschinen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine große Hürde dar. Ohne ausreichendes Kapital drohen den KMU Wettbewerbsnachteile und Einschränkungen ihrer Innovations- und Wachstumsmöglichkeiten.
Doch es gibt Grund zur Zuversicht. Die Fertigungsindustrie befindet sich in der Phase des Umbruchs, angetrieben durch innovative digitale Automatisierungslösungen. Unternehmen, die Technologien wie das Internet der Dinge (IoT), robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA), künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen (ML) und Prozessintelligenz (PI) gezielt einsetzen und in ihre Produktionsprozesse integrieren, werden nicht nur zu Vorreitern in ihrer Branche, sondern auch eine neue Ära der Produktivität einläuten.
Besonders vielversprechend ist die Kombination von digitaler und physischer Automatisierung. Sie hat das Potenzial, Wachstum, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt deutlich zu steigern.
Physische Automation: Entwicklung und Herausforderungen
Einige Unternehmen in Deutschland zählen zu den Branchenführern moderner Fertigung. Ein Beispiel ist die Firma KUKA (ursprünglich für Schweißtechnologien bekannt), deren Entwicklungen wegweisend in der Roboterautomatisierung waren. 1973 entwickelte das Unternehmen den ersten Industrieroboter mit sechs elektromechanischen Achsen – den Famulus. Heute gehört KUKA zu den weltweit führenden Herstellern von Robotersystemen für die Industrie, insbesondere in den Bereichen Automobilbau, Logistik und Medizintechnik. Das Unternehmen treibt Innovationen in der kollaborativen Robotik und der vernetzten Produktion im Rahmen von Industrie 4.0 voran.
Dabei bringt der kontinuierliche Fortschritt in der Fertigungstechnologie sowohl vielversprechende Möglichkeiten als auch komplexe Herausforderungen mit sich. Die physische Automatisierung hat dabei die Industrie maßgeblich verändert, indem sie Effizienz, Produktivität und Präzision signifikant gesteigert hat. Dies ermöglicht Unternehmen, ihre Prozesse zu optimieren, Kosten zu reduzieren und höchste Qualitätsstandards zu gewährleisten. Doch mit der Integration dieser Systeme müssen auch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an dynamische Produktionsanforderungen sichergestellt werden. Die hohen Investitionskosten für neue Anlagen und Ausrüstungen zur Vollautomatisierung bremsen viele Unternehmen aus. Zudem erfordern diese Systeme eine regelmäßige Wartung und fachkundiges Personal, was die Kosten zusätzlich in die Höhe treibt. Für viele Hersteller bleiben deshalb fortschrittliche physische Automatisierungssysteme trotz ihres sehr hohen Potenzials aufgrund der hohen Kosten unerschwinglich.
Digitale Automatisierung: Mehr Effizienz durch Daten
Obwohl sich vieles verändert hat, ist der wesentliche Ansatz der Fertigung im Kern gleich geblieben. Die physische Automatisierung spielt weiterhin eine entscheidende Rolle, wird aber zunehmend durch Industrie 4.0 – die Verbindung von digitaler und physischer Automatisierung – gestärkt. Digitale Technologien wie das Internet der Dinge (IoT) und künstliche Intelligenz (KI) verbessern die Automatisierung und erschließen neue Werte in der modernen Fertigung. Neben computergesteuerten Hochgeschwindigkeitslinien investieren Hersteller verstärkt in Robotik für die automatisierte Montage. Systeme wie CNC-Maschinen, 3D-Drucker, Förderbänder, Sortieranlagen und intelligente Sensoren mit IoT-Integration sind dabei zentrale Investitionsbereiche für Wachstum.
Viele dieser Daten sind bereits in bestehenden Unternehmensanwendungen verfügbar, während zusätzliche Daten von vernetzten Anlagen innerhalb der physischen Automatisierung erfasst werden können. Digitale Automatisierungstechnologien wie Robotic Process Automation (RPA), Process Intelligence (PI) und Künstliche Intelligenz (KI) bieten ein umfassendes Instrumentarium zur Steigerung von Produktivität und Effizienz. Diese Technologien helfen, Kosten zu senken, die Qualität zu verbessern und Entscheidungsprozesse zu automatisieren, was zu erheblichen betrieblichen Verbesserungen führt.
- RPA – Effizienzsteigerung durch Automatisierung von sich wiederholenden Aufgaben mittels Geschwindigkeit und Genauigkeit in Bereichen wie Finanzen, Supply Chain, Kundenservice und Produktion.
- PI – Nutzung von Benchmarkdaten und Analysen, um Geschäftsprozesse zu überwachen und zu optimieren sowie Ineffizienzen aufzuzeigen.
- KI – Automatisierung der Datenanalyse und Entscheidungsfindung sowie Automatisierung der Prozesse. Der Einsatz von KI führt zu geringeren Ausfallzeiten, höherer Produktqualität und effizienterem Ressourcenmanagement.
In jüngster Zeit hat die generative KI (GenAI) neue, spannende Möglichkeiten in der Fertigung eröffnet. Diese Modelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie große Datenmengen aus verschiedenen Systemen präzise zusammenfassen. Dies ermöglicht eine schnellere Entscheidungsfindung und eine verbesserte Effizienz, was Unternehmen hilft, wettbewerbsfähig zu bleiben. So können Hersteller beispielsweise schnell unrentable Kundenprojekte identifizieren und Gegenmaßnahmen einführen: eine Beschleunigung von Lieferantenlieferungen, die Anwendung alternativer Beschaffungsstrategien oder die Nutzung anderer Transportmittel zur Kostensenkung.
Durch die Integration digitaler Technologien verzeichnen 63 % der Unternehmen eine Produktivitätssteigerung. Gerade für kleinere Hersteller, die nicht in physische Automatisierung investieren können, bietet digitale Automatisierung enormes Potenzial. Sie können ihre Produktivität steigern, indem sie die Daten nutzen, die bereits vorhanden sind. Durch die Implementierung von Technologien wie KI, ML, RPA und PI können kleinere Unternehmen wiederkehrende Aufgaben automatisieren und Erkenntnisse aus der Datenanalyse gewinnen, um fundierte Entscheidungen zu treffen.
Der Mensch bleibt der Schlüssel für erfolgreiche Automatisierung
Die Einführung neuer Technologien ist stets mit Herausforderungen verbunden. Frühe Anwender haben erkannt, dass eine hohe Datenqualität von Anfang an entscheidend ist und Datenbereinigungsmaßnahmen parallel zu digitalen Projekten erfolgen müssen. Zudem ist es unerlässlich, Mitarbeiter aktiv in den Veränderungsprozess einzubeziehen und in umfassende Schulungen und Weiterbildungen zu investieren. Dazu gehört die klare Kommunikation der Ziele und Visionen der Digitalisierungsbemühungen ebenso, wie Programme zur Stärkung der digitalen Kompetenzen der Mitarbeiter, die Berücksichtigung von Bedenken hinsichtlich der Arbeitsplatzsicherheit und die Förderung einer Kultur, die Experimentierfreude unterstützt. Die fortschreitende Automatisierungstechnologie bei gleichzeitiger Integration menschlicher Expertise wird die Effizienz steigern und Innovationen fördern. Dafür bieten sowohl die physische als auch die digitale Automatisierung das größte Potenzial, um Produktivität und operative Agilität grundlegend zu verändern.
Fazit
Die Zeit, in der sich produzierende Unternehmen ausschließlich auf Investitionen in physische Automatisierung verlassen konnten, um ihre Produktivität zu steigern, ist endgültig vorbei. Für den nächsten Schritt müssen sie allerdings die Daten ihrer ‚Smart Factories‘ nutzen und digitale Automatisierungstechnologien wie KI, maschinelles Lernen, RPA und Prozessintelligenz einsetzen, um fundiertere und schnellere Entscheidungen zu treffen. Die Kombination von physischer und digitaler Automatisierung mit dem Know-how der Mitarbeiter schafft ein dynamisches Zusammenspiel, in dem Technologie die menschlichen Fähigkeiten erweitert und gleichzeitig den Wendepunkt in der wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen markieren kann. Das Ergebnis sind effiziente und innovative Arbeitsplätze, die die Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität erheblich steigern.