In den letzten Jahren befindet sich die Industrie in einer spannenden Phase: Als vierte industrielle Revolution angepriesen, verändert die Automatisierung die Art und Weise wie Menschen arbeiten – die Interaktion mit Maschinen rückt in den Vordergrund.
Carol Richter, Produktmanagement bei reichelt elektronik für Automatisierung erläutert, wie die wachsende Mensch-Maschinen-Kollaboration in der Industrie gelingen kann.
Der Begriff Industrie 4.0 steht aktuell für eine umfassende Digitalisierung der industriellen Produktion und schlägt die Brücke zu den drei bisherigen industriellen Revolutionen der Technikgeschichte: Der massive Einschnitt beim Übergang vom Manufakturwesen zur mechanisierten Produktion im 19. Jahrhundert, die zunehmende Popularität des Fließbands Anfang des 20. Jahrhunderts und die erste Welle der Digitalisierung mit Einführung von Computern in den 70er Jahren.
Bei allen zeitlichen Abschnitten wird eine Parallele deutlich: Mit jeder Revolution ging durch die sukzessive (Teil-)Automatisierung von Arbeitsschritten auch ein Wandel der Arbeitswelt einher. Entsprechend war mit jedem technologischen Fortschritt auch die Angst verknüpft, dass die Arbeit von Menschen aufgrund von Maschinen obsolet werden würde.
Proteste gegen Maschinen und den Wegfall von menschlichen Aufgaben begleiteten die drei industriellen Revolutionen also immer. Warum sollte das nun bei der vierten Revolution, die wir aktuell hautnah erleben anders sein? Es scheint fast so, als würde es ein ganz selbstverständlicher Prozess sein, durch den wir müssen – eine Art Evolution und keine Revolution.
Automatisierung birgt viele Chancen
Dennoch ist das Ungewisse, das eine Veränderung mit sich bringt, nachvollziehbar. Laut Statista befürchten rund 62 Prozent der Fachkräfte in Deutschland, bis 2025 ihren Arbeitsplatz aufgrund von Automatisierung zu verlieren. Dabei übersehen viele, dass Automatisierung, wenn sie richtig eingesetzt wird, auch viele Möglichkeiten mit sich bringen kann.
Neben der Steigerung der Produktivität und der Kostensenkung erkennen viele Unternehmen Vorteile darin, Automatisierung einzusetzen, um ihre Mitarbeiter zu entlasten. Im Bereich der Robotik wird deshalb vor allem in Maschinen investiert, die Aufgaben übernehmen, die für die Menschen körperlich schwere oder gefährliche Tätigkeiten beinhalten würden. Auch repetitive Aufgaben werden immer häufiger von Robotern übernommen. Dies führt zu Prozessoptimierungen, wodurch neue Geschäftsmodelle entstehen.
Das Netzwerk kommt ins Spiel
Neue Geschäftsmodelle entstehen auch durch die neuen Wege der Wertschöpfung, die sich durch die modernen Technologien für Unternehmen ergeben: Robotik, Big Data oder künstliche Intelligenz führen zu völlig neuen Produkten oder Anwendungen. Und genau diese Stichworte beschreiben den Hauptunterschied zur vorherigen industriellen Revolution: Denn jetzt geht es um die Vernetzung der virtuell-digitalen und physischen Welt sowie um maschinelles Lernen in der Produktion.
Es ist nachvollziehbar, dass es dadurch zu deutlichen Veränderungen in der Arbeitswelt kommen wird. Entscheidend ist, wie damit umgegangen wird. Denn sicherlich werden Arbeitsstellen wegfallen, während aber gleichzeitig auch viele neue entstehen werden. Es wird also eine Verschiebung der Arbeitsteilung zwischen Menschen und Maschinen geben. Ein Umdenken ist hier wichtig, um die Mitarbeiter rechtzeitig auf den Aufgabenwandel vorzubereiten. Beispielsweise auf den vermehrten Einsatz von sogenannte Cobots. Bei der Zusammenarbeit zwischen den kollaborativen Robotern geht es darum, dass der Mensch Hand in Hand mit den Maschinen arbeitet. Dabei werden Kraft, Ausdauer und Genauigkeit der Roboter mit der Erfahrung, dem Urteilsvermögen und der Flexibilität der Menschen verknüpft.
Zukunftsvision Arbeiten 4.0
Eine wichtige Tätigkeit, die in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen wird, ist die Bedienung von Maschinen. Dadurch, dass die Komplexität der Maschinen zunimmt, ist es Aufgabe der Unternehmen, sich mit dem Thema intensiv zu beschäftigen und ihre Mitarbeiter entsprechend auszubilden.
Die Maschinen werden zum direkten Mitarbeiter des Menschen, aber der Mensch behält trotzdem nach wie vor die Oberhand. Denn der Mensch ist es, der die Maschinen wartet, prüft und ihnen die Befehle gibt. Neben einer Industrie 4.0 brauchen wir also Personal 4.0 – die Menschen bleiben die kreativen Köpfe hinter der Produktion. Dadurch wird unkonventionelles Denken gefordert sein – Automatisierung in der Industrie führt mehr denn je zurück zum Individuum.
Der Mensch ist also nicht nur Zuschauer – ganz im Gegenteil. Mehr denn je ist neben der Vernetzung der Maschinen auch die Kommunikationsstärke des Menschen – eben jedes einzelnen Individuums – wichtig. Was bei technischen Industrieberufen bisher als „Soft-Skills“ bezeichnet wurde, wird zu einem immer härteren Kriterium, durch das schnelles Handeln und effektive Zielerreichung zwischen verschiedenen Spezialisten ermöglicht werden.
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