Wer sich aktuell Digitalisierungsprozesse in Unternehmen näher ansieht, stellt eine erstaunliche Entwicklung fest. Die Euphorie und Goldgräberstimmung mit der Idee disruptiver Geschäftsmodelle ist in vielen Bereichen einer leichten Ernüchterung gewichen.
Das unentdeckte Land
Die Vorstellung, jedes Handels- Industrie- und Dienstleistungsunternehmen könnte ein zweiter Uber, Airbnb oder Netflix werden, das die bisherigen Wertschöpfungsmodelle einer Branche komplett außer Kraft setzt, hat sich nicht bewahrheitet. Die flächendeckende Revolution, in die Viele – vergeblich – investiert haben, blieb aus. Dafür hat eine rasante Evolution eingesetzt. Betriebliche Geschäftsprozesse werden immer stärker miteinander vernetzt und automatisiert, Unterlagen, Buchführung, Zeiterfassung, Rechnungswesen, Versand- und Lieferpapiere sowie Supply Chain werden in fast allen Unternehmen immer stärker in den Digitalisierungsprozess einbezogen.
In der Produktion übernehmen immer mehr intelligente Steuerungen Prozessabschnitte oder ganze Abläufe. Bei einem Großteil der Projekte stellt man allerdings weniger die Frage nach einer fantasievollen neuen Geschäftsidee in den Raum. Stattdessen steht, wenn es um Digitalisierung geht, die Frage nach dem Return on Investment ganz oben auf der Kriterienliste. Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit betrifft inzwischen auch Projekte, mit denen das eigene Portfolio um digitale und/oder virtuelle Leistungen erweitert werden soll oder mit denen man komplett neue digitale Geschäftsmodelle anbieten möchte. Ohne die Aussicht, dass es sich bezahlt machen muss, bleiben viele Konzepte inzwischen in der Schublade.
Cross-Industry-Anwendungen mit Potenzial
Dennoch greift die digitale Transformation mit Macht um sich. So prognostiziert das Statistische Bundesamt, dass bis zum Jahr 2020 20,4 Milliarden Geräte über das Internet miteinander verbunden sein werden. Und das Fraunhofer Institut geht sogar von bis zu 32 Milliarden Objekten aus. Dabei betreffen knapp 13 Milliarden Geräte den Consumer-Markt, während es mehr als sieben Milliarden Geräte in der Industrie sein sollen. Hinzu kommt: Cross Industry-Anwendungen sollen ein deutlich höheres Potenzial entwickeln als vertikale Lösungen, also vernetzte Geräte innerhalb von Geschäftsfeldern einer Wertschöpfungskette in einer bestimmten Branche. Aktuell gehören 60 Prozent der Geräte in den vertikalen Bereich, während 40 Prozent dem industrieübergreifenden Bereich zugeordnet werden. Das Verhältnis soll sich bei gleichzeitiger Verdreifachung des Volumens bis 2020 umdrehen.
Die Quintessenz: Man investiert gerne in die industrielle Digitalisierung, will aber klar sehen, dass es sich rechnet. In der Produktion geht es dabei um viele unterschiedliche Aspekte: etwa den Echtzeit-Überblick über die Auslastung der eigenen Fertigungslinien und Maschinen, um Kapazitäts- und Qualitätsanalysen, Beschaffungsoptimierung, Reduzierung von Energie- und Rohstoff-Verbrauch, Condition Monitoring und Predictive Maintenance, Fernwartung, Benchmarking und anderes. Die Studie des Verbands der Internetwirtschaft eco mit dem Titel „Der deutsche Industrial-IoT-Markt 2017-2022. Zahlen und Fakten“ geht von einem jährlichen IIoT-Wachstum von fast 20 Prozent und einem prognostizierten Umsatz in Deutschland von 16,8 Milliarden Euro im Jahr 2022 aus – mit den Vorreitern Automobilbau und Maschinen- und Anlagenbau. Zusammengefasst bedeutet das: IIoT-Anwendungen gelten nach wie vor als wesentliche Wachstumstreiber in der Industrie. Sie rücken allerdings dichter an die allgemeine Geschäftsstrategie heran.
Mobilfunk-Technologie 5G als Ersatz für firmeneigene Drahtlosnetze
Dass sich Unternehmen dabei durchaus von den gängigen Wertschöpfungsmodellen lösen können und dass dabei auch neue Spieler auf dem Markt erscheinen, zeigt etwa die Entwicklung von Portallösungen beim Supply Chain Management. Einen weiteren Schub wird es mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G geben, der LTE/4G Stück für Stück ablösen wird. Die Zahlen dahinter sind beeindruckend. 5G soll gegenüber LTE eine hundertmal höhere Datenrate bieten. Gleichzeitig soll die Kapazität des Netzes um den Faktor 1000 steigen. Und obwohl damit die Möglichkeit entsteht, mehr als 100 Milliarden Sender weltweit gleichzeitig anzusprechen und bei Bedarf extrem schnelle Reaktionszeiten zur Verfügung zu stellen, gehen Huawei und Co. von einer Verringerung des Stromverbrauchs um bis zu 90 Prozent aus. Damit wird die Mobilfunk-Technologie auch als Ersatz für firmeneigene Drahtlosnetze interessant und bietet beste Voraussetzungen für die einfache Vernetzung und Anbindung unterschiedlichster Devices ohne Investments in eigene Infrastruktur, solange sich nur ein Sendemast in Reichweite befindet.