Zuliefer-Dilemma

Wer SAP-Migration sagt, muss EDI mitdenken

Läuft ein System zuverlässig, wird es meist nicht mehr angefasst. Dies gilt besonders bei sensiblen Systemen, die kaum jemand vollständig versteht.

Ein Paradebeispiel hierfür ist der Elektronische Datenaustausch, Electronic Data Interchange (EDI) im Zusammenspiel mit SAP. Aber das kann gefährlich werden.

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EDI ist eine wichtige Technologie für den einheitlichen, unternehmensübergreifenden und automatisierten Austausch geschäftlicher Daten. Dazu zählen Bestellungen, Rechnungen, Liefer-Avisen oder Versandbenachrichtigungen. Diese werden in einem standardisierten Format vom ERP-System eines Unternehmens ins System eines anderen übertragen. Auch SAP-Systeme tauschen mittels EDI automatisiert Daten aus.

In der Automobilindustrie ist diese Form des Datenaustauschs Standard. Eine Industrie, die just in time und just in sequence produziert, kann sich keine händischen Prozesse leisten, in denen Bestellungen und zeitkritische Dokumente per Mail oder Fax hin- und hergeschickt werden. Diese müssten manuell erfasst, bearbeitet und ins ERP-System eingetragen werden, was zu zeitintensiv und fehleranfällig ist. Daher ist die Automobilindustrie Vorreiter in Sachen EDI.

In vielen Industrien wird EDI mehr und mehr zum Standard. Die Automobilindustrie wäre aber nicht die Automobilindustrie, wenn sie nicht ihre eigenen, weitreichenden Anforderungen an SAP und EDI hätte, die weitaus komplexer sind als in anderen Branchen. Neben den Spezifikationen der JIT/-JIS-Produktion gelten strenge Vorschriften an das Qualitätsmanagement und die lückenlose Nachverfolgbarkeit jedes einzelnen Teils. Selbst die Bestückung einer Palette ist bis ins kleinste Detail festgelegt.

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Spezielle Anforderungen der Automobillogistik

Die dafür notwendigen Daten müssen nicht nur im SAP des Zulieferers abgebildet werden, sondern auch zuverlässig über EDI an den OEM übermittelt werden und der Realität eins zu eins entsprechen. Die Behälter, in denen Automobilwerke Teile entgegennehmen, sind größtenteils standardisiert. Es sind hauptsächlich Kunststoffbehälter, entweder Kleinladungsträger (KLT) oder Großladungsträger (GLT). Diese werden auf vollständigen Paletten angeliefert manchmal auch in einzelnen Lagen, damit sie stapelbar sind. Es ist jedoch nicht zwangsläufig jeder Behälter auf einer Palette gefüllt.

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Der automatisierte Datenaustausch zwischen ERP-Systemen via EDI ist zwar Standard, dennoch kompliziert. (Bildquelle: Aimtec)

In der Automobilproduktion ist es gängige Praxis, den exakten Inhalt jedes KLT im ERP-System zu hinterlegen, inklusive dessen Zuweisung auf der jeweiligen Palette. Leere KLTs werden genauso erfasst. Größe, Umfang und Gewicht jeder Palette gehören ebenfalls in die Datensätze.

Diese Fülle an Informationen manuell nachzuhalten und fehlerfrei zu übermitteln ist unmöglich. Irgendein Zahlendreher, eine verrutschte Zeile oder ein falsches Lieferdatum schleicht sich immer ein. Automobilhersteller nehmen dafür ihre Lieferanten in Haftung, was sehr kostspielig werden kann. Die ERP-Daten über EDI auszutauschen, minimiert die Fehleranfälligkeit und damit Strafzahlungen. Abgesehen davon, verlangen die meisten OEMs die EDI-Anbindung von ihren Lieferanten.

EDI-Anpassung – wer traut sich?

Die meisten Automobilzulieferer in Deutschland sind mittelständische Unternehmen. Die wenigsten verfügen über große IT-Abteilungen, die neue Anforderungen gut abbilden können ‒ im Gegensatz zu Tier1-Zulieferern. Sie haben zwar SAP und nutzen auch EDI. Aber oft setzen sie On-Premises-basierte Legacy-Systeme ein, die früher einmal aufgesetzt, aber nie wieder angefasst wurden. Häufig fehlt auch eine fundierte Dokumentation der Systeme. In diesen Unternehmen gibt es ein bis zwei Experten, die diese Systeme aufgesetzt haben, über Fachwissen verfügen und jetzt nach und nach in Rente gehen.

EDI sorgt grundsätzlich dafür, dass Informationen aus einem Feld in SAP automatisch in das korrespondierende Feld beim Zielunternehmen eingetragen wird. Wenn Anpassungen im EDI fällig sind, fehlen immer häufiger fachkundige Mitarbeiter, die sie vornehmen können. Änderungen im SAP-System im EDI abzubilden, ist schwierig, weil EDI-Nachrichten sehr komplex sein können.

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Die Automobilindustrie ist Vorreiter beim Datenaustausch über EDI. (Bildquelle: Aimtec)

In der Automotive-Welt sind Zulieferer in einem Netzwerk eingebunden, haben selbst Zulieferer und mehrere Kunden. Nicht jeder Teilnehmer dieses Netzwerks nutzt SAP. Es sind auch andere ERP-Systeme im Einsatz. Dadurch treten formale Unterschiede, wie Dateiformate, auf. Diese unterschiedliche Anordnung und Nomenklatur der Felder muss EDI berücksichtigen und für jedes System, mit dem es Daten austauscht, abbilden können. Oft werden diverse Änderungen vom OEM verlangt und die Lieferanten müssen sie übernehmen, was Aufwand aber auch Risiko einer Belastung bedeutet, weil sie dann ihre EDI-Systeme anpassen müssen.

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Migration auf S/4HANA

Veränderung erzwingt auch die flächendeckende Einführung von S/4HANA. Der Support für frühere Versionen von SAP ist nur bis 2027 garantiert. Das neue Cloud-basierte Produkt wird sich als Standard etablieren, auch in der Automobilindustrie. Dabei handelt es sich aber nicht nur um eine neue Version von SAP, sondern technologisch und funktional um ein völlig neues Produkt.

SAP S/4HANA ist ein schnelleres, stabileres System mit moderner Benutzeroberfläche und darauf ausgelegt, die laufende Unternehmenstransformation, die Integration neuer Technologien, die Einbeziehung von KI und die Datenanalyse zu unterstützen. S/4HANA nutzt folgerichtig auch andere Datenmodelle als die bisherigen Versionen. Das wirkt sich auf den Datenaustausch über EDI aus. Im Zweifel steht Zulieferern ein größerer Anpassungsaufwand ihrer EDI-Systeme bevor, damit das Zusammenspiel mit SAP S/4HANA funktioniert.

Ohne Hilfe geht es nicht

Mittelständischen Zulieferern fehlen dafür die Ressourcen, besonders, wenn die einzigen Mitarbeiter mit EDI-Fachwissen das Unternehmen verlassen. Der logische Schritt ist, sich an Spezialisten zu wenden. Es gibt zwar SAP-Berater, die die Automotive-spezifischen Anforderungen verstehen und umsetzen können, häufig fehlt ihnen aber die EDI-Expertise. Genauso gibt es einige EDI-Integratoren mit SAP-Erfahrung ‒ sie haben aber oft kein spezifisches Automotive-Wissen.

Mittelständler brauchen also einen Digitalisierungspartner, der über Automotive-, SAP- und EDI-Know-how verfügt und Zulieferer in diesem Transformationsprozess begleitet. Er befähigt das Unternehmen, den elektronischen Datenaustausch zu managen und anzupassen, wenn sich Anforderungen auf OEM-Seite ändern.

Ein vorausschauender Digitalisierungspartner hilft auch an die eigene Supply Chain zu denken, und zum Beispiel WebEDI zu implementieren, damit alle Abrufe und Lieferavisen an einem Ort für Zulieferer verfügbar sind, welche kein EDI beherrschen. Somit sorgt er dafür, dass der Datenaustausch entlang der Lieferkette auch zukünftig zuverlässig läuft.

Bei Migration zukunftsfest aufstellen

Mittelständische Unternehmen, die noch kein SAP S/4HANA eingeführt haben und bei denen das EDI-Know-how in nur wenigen Köpfen schlummert, sind gut beraten, die Chance zu ergreifen, mit der Migration auf S/4HANA auch gleich ein umfassendes EDI-Know-how aufzubauen, umfassend zu dokumentieren und auf viele Schultern zu verteilen. Da sie mit der Migration häufig Neuland betreten, benötigen sie die Hilfe von Digitalisierungsspezialisten. Diese unterstützen mit IT- und Workflow-Know-how den Change-Prozess und leisten so einen wertvollen Beitrag zu funktionierenden Lieferketten ‒ ein wichtiger Beitrag, um das eigene Unternehmen langfristig zukunfts- und wettbewerbsfähig zu halten.

Jan

Stočes

Chief Growth Officer

Aimtec

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