Technologische Veränderungen sind von jeher eine Herausforderung, vor allem dann, wenn sie komplexe Unternehmensarchitekturen betreffen.
In diesem Zusammenhang hat der Einzug der Cloud-Technologie nicht nur die Art und Weise wie heute gearbeitet wird verändert, sondern vor allem die unternehmensinternen Prozesse. Wenn ein Software-Konzern, wie die Walldorfer SAP, die technologische Basis von on-premises-Strukturen auf eine Cloud-Strategie umstellt, löst dieser Technologiewechsel nicht nur innerhalb des Unternehmens einen großen Wandel aus, sondern vor allem kundenseitig. Die Kunden müssen ebenfalls umdenken und sich von liebgewonnenen Individualisierungen ihrer SAP-Umgebung trennen. Ulrich Parthier, Herausgeber it management, sprach mit Ralph Weiss, GEO VP DACH bei BlackLine, darüber, welche Herausforderungen der Wechsel von SAP in die Cloud für Unternehmen mit sich bringt und wie das Clean-Core-Prinzip helfen kann.
Dass die Cloud eine Zukunftstechnologie ist, steht außer Frage. Aber warum tun sich so viele Unternehmen schwer, SAP in die Cloud zu folgen, schließlich ist S/4HANA kein neues Thema?
Ralph Weiss: Das liegt an den zahlreichen individuellen Anpassungen, die Unternehmen über die Jahre vorgenommen haben, um die mächtige SAP-Plattform an die Bedürfnisse des eigenen Unternehmens anzupassen. Zu Zeiten von on-premises ging das, aber inzwischen hat sich die Situation geändert und die Cloud ist die führende Technologie. Das hat dazu geführt, dass SAP seit Jahren verschiedene Systeme am Leben halten muss, was komplexe Herausforderungen mit sich bringt. SAP will das logischerweise ändern und in Zukunft ausschließlich auf die Cloud setzen.
Das Konzept der Cloud-Technologie ist aber anders als bei on-premises. Es basiert auf einem möglichst breiten Standardangebot, an das sich Speziallösungen über Schnittstellen anbinden lassen. Das führt dazu, dass die Unternehmen etablierte Prozesse und Strukturen hinterfragen und an die neuen Rahmenbedingungen anpassen. Das ist nicht leicht, denn in vielen Unternehmen ist SAP das führende System, dem alles untergeordnet ist. Deshalb fällt der Wechsel so schwer, denn er ist komplex.
Müssen die SAP-Kunden dann beim Umzug in die Cloud Abstriche machen?
Ralph Weiss: Davon ist nicht auszugehen. Was ich aktuell beobachte, ist etwas anderes. In vielen Unternehmen sind zu on-premises-Zeiten geradezu flickenteppichähnliche IT-Landschaften entstanden. Das hat es schwer gemacht, Daten zusammenzuführen und nutzbar zu machen. In den Studien, die BlackLine jedes Jahr durchführt, wurde beispielsweise immer wieder beklagt, dass die Vielzahl der Datenquellen ein enormes Fehlerrisiko mit sich bringt. Cloud-Lösungen dagegen sind so konzipiert, dass Daten – einfacher als früher – über Schnittstellen integriert werden. Auch SAP hat eine Integration Suite, die bei der Vernetzung der Cloud-Systeme hilft.
Und was verbirgt sich hinter dem Clean-Core-Trend, der von SAP derzeit forciert wird?
Ralph Weiss: Im Grunde ist der Name selbstredend. In der SAP-Cloud sollte es keine individuellen Zusatzprogrammierungen innerhalb des SAP Core mehr geben – sprich alles ist clean. Der Core ist das Herzstück der SAP-Plattform, das mit Lösungen aus der Partnerlandschaft ergänzt werden kann, wie beispielsweise mit BlackLine. Sprich, das Clean-Core-Prinzip ist keine Begrenzung von SAP, sondern eher eine Erweiterung. Aber nicht durch individuelle Programmierungen, die aufwendig gepflegt werden müssen, sondern mithilfe einer Partnerlandschaft.
Unsere Lösung beispielsweise ist direkt an die SAP Cloud angebunden und ergänzt SAP um wertvolle Accounting-Funktionen, was die Komplexität des Monatsabschlusses und die Intercompany-Beziehungen reduziert. Durch den gesicherten Datenaustausch zwischen den Systemen sind die Daten sowohl aktuell als auch nicht mehr redundant und das macht sie schlussendlich so wertvoll.
Und wie kann ich mir die Umsetzung einer Clean-Core-Strategie in einem Unternehmen konkret vorstellen – unabhängig vom Monatsabschluss oder den Intercompany-Prozessen?
Ralph Weiss: Zunächst müssen die Unternehmen sich entscheiden, welche Prozesse standardisiert und welche individuell sein sollen. Die Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen Standardisierung und den spezifischen Business-Interessen einzelner Bereiche oder Regionen zu finden. Im Zentrum steht die SAP Cloud, die es ermöglicht, Erweiterungen zu entwickeln und zu betreiben, ohne den Kern der SAP-Plattform zu beeinträchtigen. Das bietet Flexibilität und die Möglichkeit, Innovationen wie KI, IoT und maschinelles Lernen zu integrieren. Und das zeigt, dass das Clean-Core-Prinzip einer Öffnung von SAP gleichkommt – allerdings ohne das Herzstück selbst zu verändern.
Clean Core hilft den Unternehmen, ihre Effizienz zu steigern und eine nachhaltige IT-Infrastruktur aufzubauen.
Ralph Weiss, BlackLine
Und welchen konkreten Mehrwerte ergeben sich daraus für die SAP-Kunden?
Ralph Weiss: Zum einen eine größere Agilität, denn weil die Anpassungen außerhalb des Produktkerns vorgenommen werden, sind die Updates konfigurierbarer Standardsoftware unkomplizierter und weniger risikobehaftet. Das bringt geringere Betriebskosten mit sich und senkt den Wartungs- und Support-Aufwand.
Dank des Vorhandenseins einer breiten Partnerlandschaft können die Kunden heute und erst recht in Zukunft beliebig viele Funktionen ergänzen, quasi andocken. BlackLine beispielsweise versetzt die Unternehmen in die Lage ein Continuous Accounting durchzuführen. Das entlastet die Finanzabteilung, sorgt für akkurate Finanzdaten in Echtzeit und erhöht die Resilienz von Unternehmen.
Das sind die konkreten Vorteile für die Kunden. Und was haben Sie oder andere SAP-Partner davon?
Ralph Weiss: Clean Core ist ein Wachstumsgenerator. Durch die Trennung von Standardplattform und individuellen Erweiterungen werden Unternehmen in die Lage versetzt, schnell und kosteneffizient auf neue Technologien und Marktveränderungen zu reagieren. Da Partnerlösungen jetzt bei der SAP noch stärker im Fokus sind als in der Vergangenheit, tun auch wir oder andere SAP-Partner uns leichter, mit den Unternehmen ins Gespräch und ins Geschäft zu kommen.
Wir arbeiten schon sehr lange und vertrauensvoll mit BlackLine auf Basis einer Solution-Extension-Partnerschaft zusammen. Die BlackLine-Lösungen ergänzen uns hervorragend im Bereich Accounting und Controlling.
Christian Straub, Head of Customer Advisory S/4HANA & Finance und Co-Head Solution Advisory, Middle & Eastern Europe, SAP
Das hört sich vielversprechend an. Realität oder Wunschdenken?
Ralph Weiss: Das ist keinesfalls Wunschdenken, auch wenn die Übergangsphase im Moment viele Unternehmen vor Herausforderungen stellt. Schlussendlich hilft Clean Core den Unternehmen, ihre Effizienz zu steigern und eine nachhaltige IT-Infrastruktur aufzubauen. Diese Strategie bietet sowohl den Partnern als auch den Unternehmen eine klare Orientierung, wie sie sich in einer schnelllebigen digitalen Wirtschaft behaupten können und Clean Core ermöglicht es den Unternehmen, den digitalen Wandel anzuführen, statt abgehängt zu werden.
Herr Weiss, wir danken Ihnen für das Gespräch.