Viele große, multinationale Unternehmen sehen sich großen technologischen Veränderungen ausgesetzt. Diese Entwicklung ist im Wesentlichen durch zwei Treiber verursacht.
In Folge der Digitalisierung kommt es erstens zu einer tiefgreifenden Veränderungen von Geschäftsmodellen und Marktstrukturen – über alle Fachbereiche hinweg. Neue Ansätze sind notwendig, um Kundenbedürfnissen gerecht zu werden, Geschäftsprozesse zu modernisieren und neue, digitale Geschäftsmodelle erst zu ermöglichen – und das oft im Wettbewerb mit teils deutlich schneller agierenden neuen Marktteilnehmern. Hierzu zählen Omnichannel- und Marktplatz-Geschäftsmodelle, aber etwa auch ganzheitlich digitalisierte Supply Chains zur Optimierung von Working Capital.
Zweitens nutzen viele Organisationen noch komplexe und zum Teil veraltete IT Systemlandschaften, die die oben genannten Veränderungen nicht abbilden können. Daher ist die Modernisierung der IT Systemlandschaft, insbesondere der Kernanwendungen wie ERP Umgebungen, notwendig. Mit der Einführung der neuen ERP Lösung SAP S/4HANA bieten sich für viele SAP Kunden “gezwungenermaßen” (SAP Support für die bisherigen ECC Systeme läuft mittelfristig aus) die Chance, um überfällige Business-Anforderungen zu adressieren und möglichen Innovationsstau in den Fachbereichen zu beheben. Viele derartige Unterfangen reizen ihr volles Potential jedoch nicht aus oder scheitern. Und selbst wenn entsprechende Transformationsprogramme ausgerollt werden, werden sie in der Umsetzung womöglich nur schwer akzeptiert oder als “eine der vielen Initiativen aus der IT” wahrgenommen.
Große Transformationsprogramme sind am erfolgversprechendsten, wenn sie das Unternehmen strategisch voranbringen, Mehrwert entlang der gesamten Wertschöpfung und vor allem für Kundinnen und Kunden schaffen – und von Anfang an Veränderung managen. Ein orchestriertes Zusammenspiel zwischen Business- und IT-Organisation ist dabei von wesentlicher Bedeutung – genauso wie eine antizipierende Einbindung aller relevanten Stakeholder. Wir sehen drei wesentliche Gründe, warum technologische Transformationsprogramme daher meist Business-getrieben sein sollten:
1. Erfolgreiche Transformationen sind an strategischen Unternehmenszielen ausgerichtet
Für einen nachhaltigen Erfolg müssen sich Unternehmen auf differenzierende Fähigkeiten fokussieren, die ihnen am Markt langfristige Wettbewerbsvorteile verschaffen. Klar differenzierte Produktmerkmale (wie Einfachheit und klare Designansprache bei Apple) oder besondere Fähigkeiten in Backend-Prozessen (wie Supply Chain-Exzellenz und Bestandsmanagement bei Walmart) sind nur zwei von vielen möglichen Beispielen.
Ein klares Verständnis der Unternehmensstrategie und differenzierender Fähigkeiten vor dem Start der eigentlichen, technologischen Transformation hat immense Vorteile. So wird durch die Transformation ein Mehrwert geschaffen, der die strategischen Ziele unterstützt – und somit die Kernfähigkeiten des Unternehmens ausbaut. Dies erzeugt zugleich Akzeptanz im Unternehmen und kann dabei helfen, Schlüsselpersonen aus den Business-Organisationen zu motivieren, am Programm mitzuwirken und positive Signale in die Organisation zu senden.
Quelle: PwC Strategy&
Auch Investitionen in die IT-Architektur sollten dementsprechend priorisiert werden und auch in Kernapplikationen wie Warenwirtschaft und Finanzwesen in S/4HANA einen klaren Business-Nutzen verfolgen. So kann etwa die Standardisierung vormals dezentraler Prozesse in der Warenwirtschaft zu einem verbesserten Bestandsmanagement und damit z.B. zu einem besseren Erlebnis für Kundinnen und Kunden führen.
Das IT-Zielbild einer S/4HANA-basierten Architektur wird somit maßgeblich von der Unternehmensstrategie bzw. der Strategie relevanter Geschäftseinheiten bestimmt. Grundlage kann ein nachvollziehbarer Bebauungsplan sein (Bausteine der unternehmerischen Fähigkeiten, z.B. geclustert nach logischen Systemblöcken), unter Berücksichtigung strategischer Leitplanken.
2. Erfolgreiche Transformationen werden kollaborativ durch Fachbereiche und IT gestaltet – auf Basis klarer Zielbilder
In einem IT-Zielbild spielen technische Rahmenbedingungen und Anforderungen wie die Schnittstellenkomplexität der Systeme, Modularität und die (System-)Performance eine große Rolle. Aber das Fundament einer effektiven Systemlandschaft basiert auf einem konsistenten Business-Zielbild.
Für eine Detaillierung des Business-Zielbildes bedarf es konkreter Anforderungen. Diese können auf Basis der bereits genannten Fähigkeitenstruktur oder auch auf Basis typischer End-to-End Wertschöpfungsprozesse (z.B. Source-to-Contract, Purchase-to-Pay, Order-to-Cash) formuliert werden. Auf dieser Ebene können konkrete Anforderungen (z.B. “Real-time Bedarfsermittlung über alle Vertriebskanäle”) validiert bzw. konkretisiert werden, welche im weiteren Verlauf etwa auch die fachlichen Bewertungskriterien bei Softwareauswahlen darstellen.
Ein klares Verständnis über die detaillierten Business-Anforderungen ist zudem elementar, um den Abdeckungsgrad der Standardfunktionalitäten von Softwarelösungen und den möglichen Bedarf an Individualentwicklungen zu bestimmen. Die IT-Bereiche fungieren dabei als wesentliche technische Know-How Träger und konstruktive “Sparringspartner” der Fachbereiche. Dies gilt insbesondere, wenn Business-Anforderungen stark von den Software-Standardprozessen abweichen und somit die Entwicklungs- und Betriebskomplexität der zukünftigen Systemlandschaft massiv steigen würde.
Quelle: PwC Strategy&
3. Erfolgreiche Transformationen verstehen von Tag 1 die Bedeutung von Change Management
Die Mehrzahl der IT-Transformationen geht über eine S/4HANA Einführung oder Migration hinaus. Wie erwähnt fungieren sie oft als Vehikel für überfällige Anpassungen in Kernprozessen und Geschäftsmodellen, beispielsweise bei Kundenkontakt, strategischer Beschaffung und etwa bei Logistiklösungen.
Der Erfolg einer IT-Transformation hängt somit nicht nur vom Know-How der IT -Experten, sondern von der gezielten Mitwirkung verschiedenster Fachbereiche des Kerngeschäftes ab. Diese Fachbereichsvertreter sollten daher von Tag 1 identifiziert und früh involviert werden. Sie sind es, die aus Business- und Nutzersicht aktuelle Prozesse und Strukturen hinterfragen und vereinfachen müssen, auf dessen Grundlage dann im zweiten Schritt die Zielarchitektur und die dafür notwendigen Systemlösungen detailliert werden.
Das frühzeitige und gezielte Einbeziehen wichtiger Stakeholder ist für das Management von Veränderung somit ebenso wichtig wie “klassisches” Change Management. Dem Change Management eines Transformationsprogrammes fällt eine inkrementelle Rolle zu, denn es muss kontinuierlich sicherstellen, dass die Mehrwerte und Ziele der Transformation und möglicher Prozessveränderungen ausreichend kommuniziert werden, so dass der “Buy-in” der Nutzer garantiert ist – durch Kommunikation aber insbesondere auch den Einbezug der Stakeholder.
Implikationen für die Umsetzung einer IT Transformation
Was bedeutet das konkret für die Umsetzung einer IT Transformation? Eine Business-getriebene IT Transformation lässt sich grob in vier Phasen unterteilen: Analyse/ Vorstudie, Konzeptions-, Implementierungsphase und Roll-out. In allen Phasen ist zu unterschiedlichen Teilen ein hohes Involvement und sogar Steuerung durch das Business notwendig. Jedoch spielt besonders die Konzeptionsphase für den Erfolg der Transformation eine wichtige Rolle.
In dieser Phase werden wesentliche strategische Entscheidungen in fast allen Fachbereichen getroffen, die sogar zu Veränderungen des Operating Model der
Organisation führen können (z.B. Erweiterung von Vertriebsmodellen um Marktplatzfunktionalitäten, Umbau der Transport-/Lagerlogistik für “Last Mile”). Diese strategischen Entscheidungen haben erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung des Zielbildes und somit auch unmittelbaren Einfluss auf den Umfang und letztendlich Erfolg der IT Transformation. Hierfür sollten ausreichend Zeit und Ressourcen für Analysen und Workshops eingeplant werden, um somit u.a. auch das Buy-in der Organisation sicherzustellen.
Somit wird deutlich, dass der Erfolg einer Transformation maßgeblich vom Involvement und der Entscheidungsbefugnis der Fachbereiche abhängt. Daher sollten Business-Vertreter gleichberechtigter Teil der Transformations-Teams sein und je nach Fachbereich durch IT-Experten unterstützt werden. Eine übergreifend organisierte und auch im Top-Management verankerte Programmsteuerung stellt sicher, dass die Transformation stringent orchestriert und entlang der Geschäftsziele ausgerichtet wird.
Unternehmen, die diesen Weg gehen, werden mittelfristig von einer besseren Kollaboration und Agilität der IT und Business Fachbereiche profitieren und somit eine gestärkte Position im Wettbewerbsumfeld haben. Aufgrund des breiten Spektrums an Anforderungen von Business-getriebenen SAP-Transformationen ist es häufig sinnvoll, die Organisation durch ein Netzwerk strategischer Partner zu ergänzen, das die passenden Fähigkeiten in der Strategieentwicklung, Programmsteuerung, als auch in der technischen Systemintegration auch auf globaler Ebene sicherstellt.
Andreas Späne, Partner bei PwC Strategy& Deutschland, https://www.linkedin.com/in/andreas-spaene/
Holger Röder, Partner bei PwC Strategy& Deutschland, https://www.linkedin.com/in/holgerroeder/
Thomas Krüger, Director bei PwC Strategy& Deutschland, https://www.linkedin.com/in/t-krueger/
Dr. Marco Tietze, Director bei PwC Strategy& Deutschland, https://www.linkedin.com/in/dr-marco-tietze-5031902b/
Till Unger berät führende internationale Konsumgüter und Handelsunternehmen bei der Umsetzung ihrer digitalen Transformationen, https://www.linkedin.com/in/tillunger/