S/4HANA Programme sind nicht nur entscheidende Katalysatoren zur Vereinfachung komplexer Business- & IT-Strukturen, sondern auch Innovationstreiber. Digitale Zusammenarbeit – getrieben auch durch COVID-19 – und „Demokratisierung“ der IT sind große Chancen, die Programme zu beschleunigen, und mehr Nutzen fürs Unternehmen zu schaffen.
Um digitalen Herausforderungen mit einer höheren Leistungsfähigkeit gewachsen zu sein, planen und implementieren viele Großkonzerne in den nächsten Jahren SAP S/4HANA-Transformationsprogramme. Der vor kurzem erschienene Investitionsreport 2021 der DSAG (Deutschsprachige SAP Anwendergruppe e. V.) zeigt, dass die Investitionen in SAP und S/4HANA weiter ansteigen. So planen 43% der befragten Unternehmen für 2021 steigende Investments in SAP im Vergleich zum Vorjahr – insbesondere in Richtung SAP S/4HANA.
Dies ist die Fortsetzung eines Trends, der in Zeiten der COVID-19 Krise auf den ersten Blick überraschen mag. Vermutlich hat die erzwungene Digitalisierungswelle Unternehmen die Dringlichkeit einer tiefgreifenden und nicht nur oberflächlichen digitalen Transformation vor Augen geführt.
Diese steigenden Investments werden in den nächsten Jahren vermutlich zu einem noch stärker umkämpften Arbeits- und Beratermarkt im Bereich der digitalen Transformation führen. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen ressourceneffiziente Transformationsansätze verfolgen und neue Kollaborationsmechanismen nutzen, um nicht nur Kosten und Dauer ihrer Transformation im Griff zu behalten, sondern auch die Ziele des digitalen Wandels in den Vordergrund zu stellen.
Hierin liegt die Chance der COVID-19 Krise – die Nutzung der hinzugewonnenen höheren Akzeptanz virtueller Zusammenarbeit für effiziente, standortübergreifende Transformationsprogramme.
Business-Transformationen: Ein Umdenken ist gefragt
Früher wurde der Aufbau physischer Projekthäuser als wesentlicher Erfolgsfaktor für Großtransformationen erachtet, die durch cross-funktionale Zusammenarbeit und schnelle Kommunikation geprägt waren, ermöglicht durch räumliche Nähe integrierter Business & IT Teams.
Pandemiebedingt sind klassische Projekthäuser jedoch auf absehbare Zeit kaum umsetzbar. Räumliche Nähe, physische Workshops mit hohen Teilnehmerzahlen und der teils gängige Fly-in / Fly-out Modus interner und externer Mitarbeiter stehen im Widerspruch zu geltenden Hygieneregelungen. Zudem sind klassische Projekthäuser mit sehr hohen Kosten, Zeitbedarf sowie Sicherheitsherausforderungen verbunden. So muss oftmals erst die physische und digitale Infrastruktur (inkl. entsprechender Absicherung) geschaffen werden. Die temporäre Zusammenführung von Mitarbeitern an einem zentralen Standort über Monate oder Jahre hinweg führt zu hohen Reisekosten und Ausgaben für die Incentivierung von Mitarbeitern. Auch ökologisch findet inzwischen ein Umdenken statt, wodurch die Anzahl an Geschäftsreisen über COVID-19 hinaus deutlich reduziert werden könnte.
Pandemiebedingt sind klassische Projekthäuser mit physischen Workshops auf absehbare Zeit kaum umsetzbar
Es ist zu erwarten, dass sich ein hybrid-virtueller Charakter von Transformationsprogrammen etablieren wird, bei dem der physische Anteil stark reduziert und die virtuelle Zusammenarbeit die Regel sein wird. Hierbei kann beispielsweise ein Nukleus des Programms (wie die zentrale Transformationsplanung und -steuerung) zumindest teilweise an einem dedizierten Standort angesiedelt sein, während virtuelle Kollaboration über alle Teams hinweg von vornherein ermöglicht und akzeptiert wird. Unternehmen sollten auf mehrere Trends setzen, um Großtransformationen mithilfe hybrid-virtueller Projektstrukturen umzusetzen und zu unterstützen:
- Umfassende Nutzung digitaler Anwendungen zur virtuellen Kollaboration: Dies beinhaltet nicht nur gängige Videokonferenz- und Dateiablagesysteme, sondern auch weitgreifendere Lösungen wie digital Whiteboards, Kollaborationslösungen für Präsentationen und Dokumente, Enterprise Architecture / Business Process Modeling Software, Kanban Boards, Team Boards, Messaging-Dienste, etc. Alle wesentlichen Tools sollten dabei internen wie auch externen Mitarbeitern uneingeschränkt zugänglich sein. Bereits vor dem Start großer Programme sollten die Anforderungen bestimmt und entsprechend relevante Tools ausgewählt werden, um mit möglichst großem Momentum in die Transformation zu starten.
- Etablierung moderner Projektmanagement-Methoden (z.B. Scrum, SAFe, DevOps im agilen Kontext) mit regelmäßigen und klar strukturierten Abstimmungsroutinen sowie Fokus auf den geschäftlichen Wertbeitrag und kontinuierliche Verbesserung (z.B. in Retrospektiven): Insbesondere durch den Wegfall informeller Abstimmungsmöglichkeiten sind klare Strukturen der Zusammenarbeit sowie Transparenz zur “Quelle der Wahrheit” wesentlicher Inhalte von besonderer Bedeutung.
- “Demokratisierung” der IT bzw. Business-getriebene Programmgestaltung: In virtuellen Strukturen kann es einfacher sein, die Fachseite führend in die Programmarbeit einzubinden. Bei zusätzlicher Beachtung modularer Designprinzipien kann eine höhere “Demokratisierung” der IT mit schnelleren Innovationszyklen und Go-to-market-Geschwindigkeiten erreicht werden.
- Augenmaß und Pragmatismus bei der Gestaltung von Teams und Gremienzusammensetzungen: Remote-Arbeitsmodelle sorgen oft für einen hohen formalen Abstimmungsbedarf, z.B. in Form von Videokonferenzen. Programmverantwortliche sollten die Balance aus notwendiger Abstimmung und der Effizienz von Terminen regelmäßig kritisch überprüfen: Eine einstündige Abstimmung von acht Personen ist das produktive Äquivalent eines Personentages – und sollte aus Ressourcensicht auch so betrachtet werden.
- Standort- und länderübergreifender Einsatz von Personalressourcen: Die Suche nach geeigneten internen und externen Ressourcen sollte nicht nur am zentralen Programmstandort, sondern standortunabhängig erfolgen, was den Einsatz rarer Fach- und IT-Spezialisten erheblich vereinfachen kann.
Transformationsprogramme mit einem hybrid-virtuellen Charakter könnten sich zukünftig etablieren
Die Nutzung dieser Trends bietet keine Garantie für eine erfolgreiche Transformation, sondern erfordert entsprechende Anstrengungen und Investitionen auf Unternehmensseite. So müssen geeignete Kollaborationslösungen ausgewählt, lizenziert und die Infrastrukturvoraussetzungen geschaffen werden. In diesem Zusammenhang müssen auch relevante Datenschutzaspekte geklärt werden, die erfahrungsgemäß eine Vielzahl an detailreichen Fragestellungen aufwerfen. Für die identifizierten Lösungen müssen intelligente (Daten-)Strukturen und Zugriffsberechtigungen erarbeitet werden, die eine effiziente Zusammenarbeit ermöglichen, aber auch die Vertraulichkeit sensibler Informationen gewährleisten. Das Management und die Mitarbeiter müssen in der Nutzung der ausgewählten Lösungen und entsprechender virtueller Arbeitsweisen ausreichend sensibilisiert und geschult werden, um diese in der täglichen Zusammenarbeit sinnvoll einsetzen zu können.
Virtuelle Events und digitale Teambuilding-Maßnahmen leisten zudem einen wichtigen Beitrag bei der Etablierung neuer Arbeitsstrukturen und sollten frühzeitig eingeplant und durchgeführt werden. Spaß und Sinnhaftigkeit sind neben formalen Anreizen (wie Fachkarrieren) für die Motivation in virtuellen Set-ups elementar.
Zusammengefasst ergeben sich für Unternehmen, durch die oben dargestellten Arbeitsweisen, bei professioneller Vorbereitung enorme Vorteile für große Transformationsprogramme, wie z.B. die Einführung von SAP S/4HANA. Der Verzicht auf umfassende, dedizierte Projekthäuser reduziert Infrastruktur- und Reisekosten. Die einfachere Einbindung von Experten und Interessengruppen an unterschiedlichen Standorten erlaubt die effiziente Entwicklung und Erprobung fachlicher Lösungen mit großer Unterstützung im Unternehmen und vermeidet Ressourcenengpässe. Insgesamt werden die Programme so besser skalierbar, schneller und können flexibler auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren.
Autoren:
Holger Röder, Partner bei PwC Strategy& Deutschland
Er berät seit 28 Jahren weltweit führende Unternehmen bei Fragestellungen des strategischen IT-Managements und der Digitalen Transformation
Thomas Krüger, Director bei PwC Strategy& Deutschland
Er ist führendes Mitglied der Technology Strategy Practice von PwC Strategy& und berät Konzerne bei geschäftsgetriebenen IT Transformationsprogramme
Dr. Marco Tietze, Director bei PwC Strategy& Deutschland
Er berät bei PwC Strategy& Deutschland führende Unternehmen im Bereich Handel und Konsumgüter zu Fragestellungen strategiegetriebener, digitaler Transformationen