Ein Interview mit Chris Brown und Florian Gehring von Salesfive. Thema hierbei ist die Implementierung von Cloud- und ERP-Lösungen am Arbeitsplatz und die dadurch „reduzierte Fehlerwahrscheinlichkeit“.
Guten Tag Herr Gehring, Herr Brown, das Modewort 360-Grad-Sicht auf den Kunden kursiert vielerorts. Handelt es sich dabei um reines Verkaufsjargon?
Florian Gehring (im Bild): Keineswegs! Wenn die verschiedenen Abteilungen in der Cloud verzahnt miteinander arbeiten, hat jeder einzelne Mitarbeiter zu jedem Zeitpunkt und in Echtzeit Einblick in die gesamte Kundenbeziehung. Das reicht vom Klickverhalten im Marketing-Newsletter bis hin zu Telefonaten mit Kundenbetreuern oder individualisierten Produktbestellungen. Um dies nochmal anhand eines Beispiels zu illustrieren: Als Außendienstler reicht mir ein Blick ins CRM, um beispielsweise zu prüfen, ob die Adresse noch aktuell ist, ob es zuletzt Beschwerden gab, was die Präferenzen des Kunden sind oder ob Updates für ein Produkt oder Maintenance aktuell sinnvoll sind. Das Ganze, ohne auch nur intern einen einzigen Kollegen anrufen zu müssen.
Herr Brown, zunehmend werden auch ERP-Lösungen an das CRM angeschlossen. Was ist der Vorteil?
Chris Brown: An dieser Stelle ist es hilfreich sich einmal ganz plastisch den Status Quo eines veralteten Systems vor Augen zu führen: Der Außendienstler trägt die erwünschten Produktspezifika eines Kunden in eine Excel-Tabelle ein oder notiert diese gar auf einem Blatt Papier. Anschließend überträgt er die Daten manuell per Mail oder Eingabemaske an die Produktion und Logistik. Bereits diese beiden Schritte bergen schon Probleme: Die Fehlerwahrscheinlichkeit steigt mit jedem zusätzlichen manuellen Schritt. Das hat – ganz unabhängig von dem zeitlichen Mehraufwand – mehr Fehlproduktionen, Retouren und Beschwerden zur Folge. Noch gar nicht berücksichtigt haben wir Vorfälle, in denen die Produktion erst bei Erhalt der Daten feststellt, dass das gewünschte Produkte in dieser Konstellation gar nicht hergestellt werden kann. Dann beginnt der gesamte Verkaufsprozess erneut und der Außendienstler steht darüber hinaus noch etwas dilettantisch dar.
So weit, so gut. Aber wieso hilft die Verzahnung von CRM, Vertrieb und ERP an dieser Stelle weiter?
Chris Brown: Bereits im Kundentermin pflegt der Außendienstler die gewünschten Spezifika in dem CRM in die Cloud ein. Ist ein Produkt nicht verfügbar, erhält er sofort einen Warnhinweis, auch wenn es bei bestimmten Produkten zu Lieferverzögerungen kommt, kann er diese Information direkt weiter geben. Sobald er sich dann mit dem Kunden auf ein Produkt geeinigt hat, werden mit einem Klick die Daten an Produktion und Logistik übermittelt. Ohne das irgend etwas neu abgetippt oder via Copy-and-Paste übertragen werden muss. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass alle Mitarbeiter im Unternehmen in der Cloud arbeiten und die Datenbanken auf aktuellem Stand halten. Kurz gesagt: Verzahnte Cloud-Prozesse reduzieren die Fehlerwahrscheinlichkeit, sorgen für transparente Information und führen abteilungsübergreifend zu deutlich mehr Effizienz.
Ein separates ERP-System ist vor diesem Hintergrund für alle Unternehmen empfehlenswert?
Florian Gehring: Nicht unbedingt. Beispielsweise arbeiten wir selbst bei Salesfive ausschließlich mit Salesforce. Für einen Dienstleister, dessen Stundensätze honoriert werden, deckt Salesforce alle dafür erforderlichen Funktionalitäten ab. Anders sieht dies in der fertigenden Industrie aus. Wir sollten dabei nicht vergessen, dass es einen Trend hin zu stark individualisierten Produkten gibt. Das eine Produkt von der Stange ist in vielen Bereichen ein Auslaufmodell. Beispielsweise wollen Kunden Material, Form und Farbe ihrer Autositze ganz nach ihren Vorstellungen erhalten. Aber nicht jeder Sitz ist mit jedem Modell kompatibel. Sobald komplexere Spezifikationen für herzustellende Produkte aufeinander abgestimmt werden müssen, sollte ein eigenes ERP-System mindestens in Betracht gezogen werden.
Reden wir Tacheles: Sie würden also jedem Unternehmen, das individualisierbare Produkte herstellt und vermarktet, empfehlen, ein cloud-basiertes CRM- und ERP-System zu implementieren und über Schnittstellen miteinander zu verknüpfen?
Chris Brown (im Bild): Sind bestimmte Absatzzahlen erreicht oder werden diese angestrebt, lautet meine Antwort eindeutig ja. Grundsätzlich hat man deutlich weniger Aufwand und es läuft viel reibungsloser, wenn man gleich von Anfang an auf eine moderne Cloud-Infrastruktur setzt. Dann müssen Mitarbeiter keine Abläufe, an die sie sich seit Jahren gewöhnt haben, neu lernen. Das bringt uns aber auch gleich zum zweiten Punkt: Ich wäre sehr vorsichtig, einem Unternehmen, das noch nicht einmal über ein vernünftiges CRM verfügt, gleich die Cloud-Implementierung all umfänglicher Unternehmensprozesse ans Herz zu legen. In solchen Fällen empfehlen wir eher ein schrittweises Vorgehen. Unter Umständen ist die angesprochene Implementierung und Verknüpfung dann eher ein perspektivisches Ziel. Schließlich fällt bei all den Digitalisierungs-Debatten auf Meta-Level ein ganz wichtiger Aspekt häufig unter den Tisch: Lassen wir die Vollautomatisierung mal außen vor – ohnehin noch Zukunftsmusik – muss die Software von echten Menschen angewendet werden. Und da bringen auch ausgetüftelte Funktionen recht wenig, wenn keiner weiß, wie er sie nutzt.
Andersrum gefragt: Ab wann würden Sie keine allumfassende Integration von ERP und CRM empfehlen?
Chris Brown: Alles steht und fällt mit einer gründlichen Bestandsaufnahme. Danach erst lässt sich vernünftig priorisieren, was wie in welcher Zeit und unter Berücksichtigung des eben angesprochenen menschlichen Faktors implementiert wird. Letztlich sollte es natürlich das finale Ziel eines jeden Unternehmens sein, dass alle Unternehmensprozesse von Marketing und Vertrieb über Kundenbetreuung und Logistik bis hin zu Finance und Controlling irgendwann vollumfänglich in der Cloud zusammen laufen.
Florian Gehring: Das geht dann sogar noch über die 360-Grad-Sicht auf den Kunden hinaus. Aber so etwas passiert nicht von heute auf morgen. Wir empfehlen immer, sich diesem Ziel Schritt für Schritt anzunähern, statt alles zu überstürzen. Andernfalls geht im Worst-Case nämlich gar nichts mehr.
Vielen Dank für das Gespräch!
Florian Gehring, Managing Director und Mitgründer der Salesfive Consulting GmbH
Chris Brown Co-Founder und Lead Salesforce Architect der Salesfive Consulting GmbH
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