Der Digitalisierungszwang für Banken wächst weiter. Wie können Banken am schnellsten und effektivsten digitaler werden, um sich am Markt zu behaupten? Mit digitalen Spin-offs können etablierte Finanzinstitute schneller auf spezielle Markt- und Kundenerwartungen reagieren.
Die strategische Herausforderung
Mehr denn je ist die Zukunft des Bankensektors ungewiss, und Digitalisierung wird für Banken zur Überlebensfrage. Veränderte Kundenerwartungen, Compliance-Anforderungen und vor allem neue Wettbewerber zwingen Banken dazu, sich schnell und effizient an die neuen Marktbedingungen anzupassen. Neo-Banken und FinTechs verfügen über Risikokapital; Plattformunternehmen mit großer Kundenbasis wie Amazon und Apple drängen mit Lösungen für den Zahlungsverkehr in den Bankenmarkt. Im Gegensatz zu den etablierten Finanzinstituten sind die Disruptoren agil und bieten ein erstklassiges Kundenerlebnis. Sie können schnell wachsen und skalieren – Eigenschaften, die für Verbraucher und Aktionäre immer wichtiger werden und die eine strategische Bedrohung für die etablierten Banken darstellen.
McKinsey schätzt, dass die Gewinne der etablierten Finanzinstitute bis 2025 um bis zu 60 Prozent schrumpfen werden, wenn diese sich nicht technologisch weiterentwickeln – und dies berücksichtigt noch nicht die Auswirkungen der COVID-19-Krise. Dieses Szenario drängt die klassischen Banken dazu, auf der Suche nach Wachstum und Nachhaltigkeit über ihre traditionellen Grenzen hinauszublicken.
Etablierte Player, die sich erfolgreich anpassen, haben etwas gemeinsam: Sie haben eine digitale Bank gegründet, die unabhängig von ihrer Mutterorganisation arbeitet. Die neuen digitalen Banken haben ihre eigene Identität und Kultur. Sie sind eher im Silicon Valley als an der Wall Street angesiedelt. Im Mittelpunkt jeder dieser Banken steht die Fähigkeit, die neueste Technologie zu nutzen und ein erstklassiges Kundenerlebnis zu bieten.
Wachstumschancen
Da viele Inlandsmärkte im Wesentlichen gesättigt sind, liegt das langfristige Wachstum für Banken in der geografischen Expansion, der Optimierung des Kundenservices und der Konzentration auf unterversorgte Segmente wie KMUs.
Millennials und die Generation Z, oft unter Digital Natives zusammengefasst, haben sich auf der Suche nach mobilen Alternativen von traditionellen Banken abgewandt. Sie wählen die attraktivsten Produkte mit dem besten Kundenerlebnis. Deshalb erobern Banken mit attraktiven Produkten und hohem Serviceniveau diesen großen Markt. Ein Pionier ist hier die mobile Bank N26. Ihre Strategie ist einfach: Sie bietet ihren Kunden die besten digitalen Produkte auf einer Plattform an. Dies hat der Bank ein beeindruckendes Wachstum ermöglicht. Ein Großteil der Expansion beruht dabei auf Empfehlungen bestehender Kunden, was die Bedeutung einer positiven Customer Experience unterstreicht.
Die Kreditvergabe an KMUs bietet ebenfalls eine bedeutende Wachstumschance, vor allem in der aktuellen Situation. Der Mittelstand, das Rückgrat der Wirtschaft in Deutschland, wurde von der COVID-19-Pandemie hart getroffen. Laut einer KfW-Studie aus dem letzten Jahr erwarteten Mittelständler einen Umsatzrückgang von durchschnittlich 12 Prozent für das Jahr 2020 – der tatsächliche Umsatzrückgang ist sicher noch höher. Gleichzeitig ist klar, dass die staatlichen Corona-Finanzhilfen nicht ausreichen werden. Hier bietet sich eine Lücke für neue Finanzierungsmodelle – eine Chance, die auch traditionelle Banken nutzen können, die einen digitalen Ansatz wählen.
Wege zum Erfolg
Ein Weg zur Digitalisierung ist die Akquisition einer Neobank, aber diese Option ist teuer und aufwendig. Eine andere Option besteht darin, Altsysteme durch digitale Plattformen zu ersetzen. Aber auch dieser Weg ist teuer, risikoreich und langwierig.
Die Lösung kann sein, ein Spin-off für digitales Banking aufzubauen, das wie ein FinTech funktioniert. Etablierte Banken sind wie Kreuzfahrtschiffe: groß, teuer im Betrieb, schwer und langsam im Manövrieren. Ein Spin-off kann hingegen als Schnellboot betrachtet werden: unabhängig, kostengünstig und agil. Es kann schnell starten und erlaubt einen technologischen Sprung nach vorne, mit Fokus auf Automatisierung, Software aus der Cloud und einem agilen Plattformmodell. Außerdem ist es global einsetzbar, was den Eintritt in neue Märkte erleichtert. Mit einem digitalen Spin-off sind Banken auf demselben technologischen Level wie ihre Herausforderer und können sich dann stärker auf Kunden und Service konzentrieren anstatt auf interne Systeme und Prozesse.
Spin-offs nach dem Lego-Prinzip
Mit dem Plattformmodell lassen sich digitale Spin-offs entwickeln, die nicht an alte Geschäftsprozesse und proprietäre Software gebunden sind. Dies funktioniert nach dem Lego-Prinzip – die Bausteine sind Produkte und Services unabhängiger Drittanbieter, die sich beliebig (und auch wieder neu) kombinieren lassen und in die Bankenplattform integriert werden. Auf diese Weise „baut“ das Mutterhaus seine eigene Challenger-Bank. Dieses Konzept des „Composable Banking“ macht das Spin-Off agil, so dass es sich optimal an veränderte Markt -und Kundenanforderungen anpassen kann.
Vom Markt lernen
Finanzinstitute können nicht einfach so weitermachen, als ob sich nichts geändert hätte. Sie benötigen eine langfristige Strategie anstelle taktischer Manöver. Die Gründung eines Spin-offs verleiht traditionellen Banken die Flexibilität, es mit Start-ups aufzunehmen. Sie werden in der Lage sein, schnell neue Produkte zu entwickeln, neue Märkte zu erschließen und sich an geänderte Compliance-Vorgaben anzupassen. So funktioniert Innovation für ein modernes Bankensystem.