Steht die XRechnung in der Privatwirtschaft vor dem Durchbruch?

Elektronische Rechnungen mit strukturierten Datensätzen ermöglichen eine vollautomatische Rechnungsverarbeitung ohne Medienbruch. Der dafür in Deutschland etablierte XRechnungs-standard wird aber noch wenig genutzt. Das wird sich bald ändern, meint der Gastautor Christoph Winterhager, Business Development Manager bei der Bundesdruckerei.

Denn ab dem 27. November 2020 müssen alle Lieferanten und Dienstleister des Bundes ihre Rechnungen im XRechnungsstandard übermitteln. Winterhager erklärt, was eine gesetzeskonforme E-Rechnung ausmacht, welche konkreten Praxisvorteile sie bietet und wie Unternehmen jetzt handeln sollten.

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Die E-Rechnung gehört in diesem Jahr zu den Top-Themen im Bereich Digital Office. Für acht von zehn Unternehmen in Deutschland sind E-Rechnungen relevant, so das Ergebnis einer aktuellen Bitkom-Umfrage. Und 26 Prozent der deutschen Firmen empfangen Rechnungen bereits komplett elektronisch, das ist gegenüber 2018 eine Verdreifachung.

Der Wandel im Rechnungsverkehr geht von der Verwaltung aus. Im Fokus steht dabei die EU-Richtlinie 2014/55/EU. Demnach müssen die Behörden der EU-Staaten in der Lage sein, E-Rechnungen gemäß Norm EN 16931 zu empfangen und zu verarbeiten. Bund, Länder und Kommunen können dies seit April dieses Jahres. Ab dem 27. November wird die elektronische Rechnungszustellung an den Bund sogar verpflichtend: Privatunternehmen dürfen dann Kosten von über 1.000 Euro für Dienstleistungen oder Produkte nur noch digital geltend machen. Das muss in einem strukturierten elektronischen Format geschehen. Rechnungen in anderen Formaten können laut Gesetz abgelehnt werden. 

Mehrheit der deutschen Unternehmen sind noch unvorbereitet

Vor diesem Hintergrund gibt es für deutsche Unternehmen noch viel zu tun: Denn fast zwei Drittel von ihnen setzen dem Bitkom zufolge das Portable Document Format (PDF) als elektronisches Rechnungsformat ein. Doch PDF-Dateien sind gemäß der EU-Richtlinie keine elektronische Rechnung, sie liefern lediglich eine bildhafte Darstellung. Für die elektronische Weiterverarbeitung müssen die Rechnungsinformationen manuell oder über eine zusätzliche Texterkennung in die Buchungssoftware übertragen werden.

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Demgegenüber ist die XRechnung als rein semantisches, maschinenlesbares Datenformat konzipiert. Sie erlaubt es, Rechnungsdaten direkt und ohne Medienbruch in die verarbeitenden Rechnungssysteme zu importieren. Laut Bitkom-Umfrage setzen aber nur 9 Prozent der Unternehmen die XRechnung und weitere 15 Prozent ein anderes XRechnungs-kompatibles Format wie ZUGFeRD ein. 

EU-weit und auf breiter Basis Effizienzgewinne erzielen

Alle anderen Unternehmen, die als Kunde einen öffentlichen Auftraggeber haben, müssen jetzt schnell handeln – und dies nicht nur aus Compliance-Gründen. Denn die Umstellung auf die XRechnung bietet drei entscheidende Vorteile:

Wachsende Anwenderbasis: Das Format XRechnung hat sich auf Bund-, Länder- und Kommunalebene durchgesetzt. Die verpflichtende Rechnungszustellung gilt zunächst für den Bund und das Land Bremen. Dass andere Bundesländer bald folgen werden, ist sehr wahrscheinlich. Und wenn viele Unternehmen ohnehin die XRechnung nutzen müssen, warum sollten sie dieses Format dann nicht für den gesamten Zahlungsverkehr implementieren? All dies wird die Anwenderbasis stark verbreitern. 

Weniger Kosten, hohe Effizienzgewinne: Mit einer automatisierten elektronischen Rechnungsverarbeitung lassen sich im Vergleich zu einer papierbasierten Lösung zwischen 60 bis 80 Prozent an Kosten sparen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des E-Rechnungsspezialisten Billentis. Gleichzeitig werden Geschäftstransaktionen beschleunigt und Fehler bei der manuellen Rechnungseingabe deutlich reduziert. Dänemark beziffert die jährlichen Einsparungen durch die E-Rechnung auf umgerechnet rund 100 Millionen Euro. In dem skandinavischen Land ist der elektronische Rechnungsverkehr zwischen Privatwirtschaft und öffentlichen Auftraggebern bereits seit 2005 Pflicht.

Gesamteuropäisch einsetzbar: XRechnungen lassen sich über das nationale Umfeld hinaus auch im gesamteuropäischen Rahmen nutzen. In Frankreich, Spanien und Portugal gelten ähnliche gesetzliche Regelungen wie in Deutschland. Dänemark, Schweden und Finnland haben vor der EU-Richtlinie bereits auf den elektronischen Rechnungsverkehr zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft umgestellt. Europäischer Vorreiter ist Italien, das als erstes EU-Mitglied die elektronische Rechnungsstellung auch innerhalb der Privatwirtschaft vorschreibt.

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Detailanpassungen sind notwendig

Bevor sich XRechnungen einsetzen lassen, sind einige Details zu beachten. So verlangt die EU-Norm den Ausweis der Mehrwertsteuer bei jeder Position und nicht erst gesammelt am Ende der Rechnung. Ein Berater kann die notwendigen Anpassungen identifizieren und bei der Umsetzung unterstützen. Gute Nachricht für ZUGFeRD-Anwender: Der deutsche Rechnungsstandard stellt in der neuen Version 2.1.1. ein XRechnungs-Profil zur Verfügung. 

Ohne Eingriff in bestehende Software und IT-Infrastrukturen können XRechnungen über Web-Portale von E-Rechnungs-Dienstleistern wie der Bundesdruckerei empfangen und versendet werden. Dabei konvertieren die Business Services die Rechnungen in das gewünschte Format, darunter auch die XRechnung. Speziell kleinere Unternehmen können auf diese Weise mit geringem Aufwand und überschaubaren Kosten in die vollautomatische elektronische Rechnungsverarbeitung starten.

Für den Empfang von XRechnungen haben die Behörden im Rahmen des Online-Zugangsgesetztes (OZG) Plattformen geschaffen. Für die obersten Bundesbehörden gibt es die Zentrale Rechnungseingangsplattform (ZRE). Dienstleister und Lieferanten müssen dort ihre XRechnung abliefern, wobei verschiedene Möglichkeiten angeboten werden: direkt über eine Schnittstelle, als Upload oder per Mail. Eine eigene Rechnungseingangsplattform gibt es für die nachgeordneten und mittelbaren Behörden des Bundes, die OZG-RE. 

PEPPOL wird immer relevanter

Unternehmen mit einer starken europäischen Kundenbasis ist eine Teilnahme an der EU-Initiative PEPPOL zu empfehlen. PEPPOL steht für Pan-European Public Procurement OnLine und ist ein Netzwerk, über das öffentliche Verwaltungen mit ihren Lieferanten elektronische Dokumente wie XRechnungen einfach und kostengünstig austauschen können. Dabei stellt PEPPOL eine Infrastruktur mit einheitlichen Prozessen und Formaten bereit. Eine direkte Anbindung der eigenen Rechnungssoftware an das Netzwerk ist über eine Schnittstelle möglich. Dafür wird ein zertifizierter Access Point benötigt, der bei PEPPOL zu beantragen ist. 

Die Nutzung von PEPPOL ist aber auch über E-Rechnungs-Dienstleister möglich, die über einen Access Point verfügen und damit einen Zugang bereitstellen können. Dafür ist in der Regel ein Entgelt pro versendeter Rechnung zu entrichten.

Alle deutschen Behörden, die XRechnungen über die nationalen Rechnungseingangsplattformen empfangen, sind auch Mitglied von PEPPOL. Daher sind heute bereits über 100 Einrichtungen der Bundesverwaltung sowie tausende Behörden der Länder und Kommunen über PEPPOL erreichbar: mit stark steigender Tendenz.

Für die öffentliche Beschaffung konzipiert, ist PEPPOL auch grundsätzlich für die Vernetzung von Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern einsetzbar. Einmal bei PEPPOL registriert, sind Unternehmen automatisch mit allen PEPPOL-Teilnehmern verbunden. Der Weg zu einer automatisierten, medienbruchfreien elektronischen Rechnungsverarbeitung in ganz Europa ist damit geebnet.

Christoph

Winterhager

Business Development Manager

Bundesdruckerei GmbH

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